170 Tage. Solange ist es her, dass du bei mir warst. Dass ich dich das letzte Mal gesehen habe. Und dass sich Liebe in Hass und Angst gewandelt haben.
Die ersten Wochen waren die schlimmsten. Du warst weg, doch die Angst ist geblieben. Am Anfang war sie ständig präsent. Jeder Gedanke an dich, jeder Körperkontakt, egal mit wem, hat die Erinnerungen geweckt. Ich habe irgendwann gerlent, die Gedanken zu verdrängen. Doch die Angst vor dem Kontakt blieb. Nie hätte ich eine Umarmung mehr gebraucht als zu dieser Zeit. Eine Umarmung, die sagt, dass alles wieder gut wird, dass ich in dieser Umarmung sicher bin, dass nicht jeder Körperkontakt ein Grund zur Angst ist. Doch die Angst hat mich davon abgehalten, Umarmungen zuzulassen, hat mich dazugebracht, mich von den anderen immer mehr zu distanzieren.
Ich habe dich gehasst. Ich habe dich dafür gehasst, dass ich wegen dir die Angst hatte. Ich habe dich dafür gehasst, dass du mich verlassen hast, als ich allein war. Ich habe dich dafür gehasst, dass du mich nicht verlassen hast, bevor ich diese Angst entwickelt habe.
Alles, was ich wollte, war, dich zu vergessen. Ich wollte die Vergangenheit streichen, wollte nie wieder wegen dir Angst haben müssen, wollte keine Angst vor meinen eigenen Erinnerungen haben.
Aber Angst und Hass sind starke Gefühle. Sie haben meine Gedanken kontrolliert. Und solange diese Gefühle und Gedanken vorherrschten, gab es keine Chance, dich zu vergessen.Die Angst blieb lange präsent. Nur langsam konnte ich mehr Nähe zulassen, ohne Angst vor den Erinnerungen haben zu müssen. Sie kamen noch immer, aber sie hatten ihre Schrecklichkeit ein Stück weit verloren.
Es ist 170 Tage her. Und ich habe geschafft, was ich vor der Zeit nie gedacht hätte. Die Erinnerungen verblassen. Ich fange an, Details von dir zu vergessen. Das Bild von dir in meinen Gedanken verschwimmt allmählich. Doch es ist ein gutes Vergessen. Früher hatte ich immer Angst davor, zu vergessen. Aber dieses Vergessen fühlt sich gut an. Es gibt Dinge, die sich zu sehr in meine Gedanken eingebrannt haben, um sie jemals zu vergessen. Doch die werden leichter zu ertragen, während die oberflächlicheren Dinge verschwinden.
Gewisse Dinge wecken die Angst noch immer. Aber die werden weniger. Ich kann Nähe zulassen. Ich kann an dich denken. Aber vor allem habe ich es geschafft, dass mit der Angst auch der Hass nicht mehr so präsent ist. Er ist noch da, aber er ist nicht mehr so stark in meinen Gedanken verankert, zwingt mich nicht mehr, an dich zu denken.
Vor 170 Tagen hätte ich nie gedacht, dass ich jemals an diesem Punkt ankommen würde. Doch ich kann jetzt mit meinen Erinnerungen ohne zu starke Angst oder Hass leben. Ich weiß, dass ich dich und alles, was passiert ist, niemals ganz vergessen werde. Aber ich kann es als Vergangenheit akzeptieren. Als eine Vergangenheit, die hinter mir liegt.

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Gedankenwelt
De TodoDies ist ein Einblick in all die Gedanken, die mich Tag täglich im Leben begleiten, und auch in ein paar Träume. !Achtung! !TW! Beschreibung von Selbstverletzung und Suizidgedanken in manchen Kapiteln! (sind einzeln gekennzeichnet) Teilweise Texte...