Ein einziges Lob

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Was muss ich tun, um einmal genug zu sein?

Ich habe einen Wettbewerb gewonnen, doch ihr habt euch nur beschwert, wie schlecht der Tag organisiert wurde.
Ich schreibe Einsen, aber das ist inzwischen ja schon normal.
Ein erfolgreiches Referat, eine Präsentation, ein Vortrag, doch das ist ja nicht schwer für mich.
Lehrer, die wollen, dass ich bei einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem sonst nur Ältere sind, und die mir trotzdem gute Chance vorhersagen, aber Wettbewerbe sind ja nur Zeitverschwendung.
Ein Tanzauftritt, der einwandfrei verläuft, doch den Tanz haben wir ja schließlich auch schon lange geübt.

Eine Debatte gegen einen Lehrer, bei der er selbst gesagt hat, dass es ihm schwerfiel, irgendetwas gegen meine Argumente zu sagen, weil sie zu stark waren.
Ich wurde gelobt, von Schülern, von dem Lehrer. Er ist beeindruckt, meint, dass ich bei nationalen Wettbewerben gute Chancen hätte.
Ihr hört euch die Debatte an, die wir aufgenommen hatten, doch das Einzige, das ihr dazu sagt, ist, dass die Tonqualität schlecht war.
Mein Lehrer spricht euch danach noch an, erzählt, wie toll er mich als Gegner bei der Debatte fand, doch alles, was von euch kommt, ist ein Lächeln und Nicken nach dem Motto: Natürlich ist sie gut, ist ja nichts Neues, ist ja schließlich meine Tochter.

War ich immer schon zu gut? Ist es deswegen nichts Besonderes mehr, wenn ich etwas gut, etwas richtig mache? Ist es deshalb gar nicht mehr nötig, das jedes Mal hervorzuheben?

Ja, ich bringe gute Leistungen in der Schule. Ja, ich bin gut im Debattieren, und ja, ich werde auch schon von anderen dafür gelobt. Aber trotzdem ist es Arbeit, die ich darein stecke, ich gebe mir Mühe, und das Einzige, das ich von euch will, ist doch, dass ich ein einziges Mal das Gefühl habe, dass ihr stolz auf mich seid, dass ihr diese Arbeit anerkennt und wertschätzt.

Doch das einzige Gefühl, das ich bekomme, ist, dass ich nur schlecht auffallen kann. Ich kann mir keine 2, erst recht keine 3 erlauben, weil ich dann nicht mehr den normalen Ansprüchen gerecht werde. Ich kann keinen Fehler beim Tanzen machen, weil wir es ja schließlich schon lange geübt haben und ich es können muss. Ich durfte nicht schlechter sein als der Lehrer, denn sonst hättet ihr wahrscheinlich gar nicht mehr zugehört und wärt vielleicht auch einfach gegangen.

Es ist selbstverständlich, dass ich gut - die Beste - bin. Die einzige, die mich noch schlagen darf, ist vielleicht meine Schwester, aber selbst das wird mir dann noch unter die Nase gerieben.
Es wirkt, als wäre es nicht mein Verdienst, wenn ich Leistung bringe, weil ich das ja so oder so kann, sondern nur meine Schuld, wenn ich einen Fehler mache, weil ich es ja besser gekonnt habe.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Lob von euch gehört habe.
Ich werde gelobt - von meinen Freunden, von den Lehrern. Aber von euch? Nie. Nie sagt ihr, dass ihr stolz auf mich seid.
Und auch wenn ich dankbar bin für das Lob der anderen und ich mich darüber auch freue und es mir auch viel bedeutet, ist es trotzdem nie so wertvoll, wie ein Lob von euch. Aber ich glaube, darauf warte ich vergeblich.

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