Kapitel 10

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L U C I A N A

Woran die Augen hängen bleiben, zeigt dir, wonach deine Seele sucht.~Unbekannt

„Was ist los?", fragte ich nach langem Schweigen. Sie will mir nicht in die Augen blicken.

Bitte nicht schon wieder.

„Lu, versprich mir, du wirst mir zuhören und mich ausreden lassen." Sie hielt mir ihren kleinen Finger hin. Der kleine Finger-Schwur gibt es bei uns schon von klein auf. Ich hackte meinen kleinen Finger mit ihrem ein und versprach es ihr. Wieso auch immer ich ihr das Versprechen musste.

„Du darfst für eine Zeit lang nicht raus", sprach sie schnell aus, um es endlich hinter sich zu haben. Ich schaute sie einfach entsetzt an und fing hysterisch an zu lachen.

„Guter Witz. Du hattest mich fast." Ich wischte mir meine imaginäre Träne ab und beruhigte mich wieder. Doch Maria lachte nicht. Sie saß da mit einem ernsten und tiefen Blick.

„Das war doch ein Witz, oder? Bitte sag mir, du meinst das nicht ernst." Ich lachte nervös, doch mein Lachen erlosch augenblicklich, als sie mit ihrem Kopf schüttelte.

„Was soll das bedeuten, ich darf nicht raus?! Ich bin alt genug, um zu entscheiden, was ich tue und was ich lasse!"

Sie guckte mich nicht an. Ihren Blick widmete sie der Wand.

„Luciana, wir wollen alle nur das Beste für dich."

„Wir?! Wer ist 'wir'?! Wenn ihr nur das Beste wollt, dann klärt ihr mich auf und erzählt mir alles, was ihr mir verschweigt!" Meine Stimme ist laut. Sie wurde mit jedem Wort lauter und lauter. Ich raste für gewöhnlich nicht aus. Ich bin ein ruhiger Mensch. Jedoch in solchen Situationen wird mir alles zu viel. Ich muss meine Wut auslassen, ich muss irgendwas tun, damit ich diese Gefühle in mir nicht langsam von innen töten.

Die Tür ging plötzlich auf, und eine mir sehr bekannte Frauenstimme ertönte im Flur.

„Mija, ich bin zu Hause!", rief jemand. Ich versuchte, mich zu beruhigen, während Maria aufstand und zum Flur ging, um ihre Mutter zu begrüßen. Ich stehe aus Respekt natürlich auch auf, konzentriere mich jedoch mehr darauf, mich zu beruhigen.

Daniela, Marias Mutter, kam zu mir und umarmte mich fest.

„Oh mein Kind, du bist so groß geworden. So eine wunderschöne junge Frau", sagte sie, als sie sich von der Umarmung löste und mein Gewicht genauestens analysierte.

Sie lächelte mich freudig an, und ich schaute zu Boden. Ich erinnere mich an sie. Sie ist wie eine Mutter für mich gewesen. Sie hat mich immer willkommen geheißen und sich um mich gekümmert.

Eine herzensgute Frau.

„Es ist auch schön, dich wiederzusehen, Daniela", lächelte ich schwach und schaute sie wieder an. Sie hat auch diese grünen Augen. So strahlend grün.

„Macht es euch gemütlich, ich komme gleich wieder, ja?" Wir nickten und setzten uns beide hin.

Die Stimmung zwischen mir und Maria ist angespannt, aber das ist sie in letzter Zeit öfter. Jede Freundschaft hat mal ihre schlechten Phasen, und wir haben jede überstanden; diese werden wir also auch überstehen.

ʀᴇᴍᴇᴍʙᴇʀ ᴍᴇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt