L U C I A N A
꧁Two Souls are something created together and in love before they're even born.
~ F. Scott Fitzgerald꧂Oh wow, das war...
Intensiv.
Meine Augen füllten sich mit Tränen, und langsam drehte ich mich zu Maria um, die mich schon sorgend musterte.
„Ich hab das in den Baum geritzt, oder?"
Sie schaute mich mit einem schweren Blick an. „Ich weiß, dass ihr mir vieles nicht erzählt habt. Es ist okay, ich verstehe das." Ich atme tief ein und versuche, mich so gut es geht zu beruhigen. „Aber so etwas vor mir zu verstecken?"
Sie schüttelte den Kopf und ging einige Schritte auf mich zu.
„Stop!" schrie ich. „Bleib da, wo du bist! Ich will dich nicht näher."
Ich wollte sie nicht mit diesen Worten verletzen, doch ich konnte sie nicht näher haben. Es tut mir zu sehr weh.
„Luciana", hauchte sie meinen Namen, nicht in der Lage, einen Satz auszusprechen.
„Ich habe mich erinnert. Da war ich, während ich ein M in diesen Baum geritzt habe, und jemand anderes hinter mir. Er hat das L und das Herz reingeritzt." Fing ich an zu erzählen, was ich gesehen habe. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr schmerzt mein Kopf.
„Das Komische ist, ich habe alles an ihm gesehen. Alles außer sein komplettes Gesicht. Nur seine Augen. Ich kann mich nur an seine Augen erinnern."
Verzweifelt versuche ich, ein Gesicht ausfindig zu machen, das seinem passen würde. Vergeblich.
Er hat mich Estrellita genannt...
Genauso wie in meinen anderen Träumen. Das bedeutet, es ist dieselbe Person, die immer und immer wieder in meinem Kopf auftaucht. „Luciana, hör mir bitte zu", sprach Maria mit so einer sanften Stimme. Als hätte sie Angst, dass ich zerbreche. Als wäre ich aus Porzellan.
„Du verstehst das alles falsch, ich—" „Ich verstehe das alles falsch?! Ist das dein verdammter Ernst, Maria?", unterbrach ich sie rasch. „Vor was wollt ihr mich so beschützen, dass ihr mir verheimlicht, dass ich einen Partner an meiner Seite gehabt habe? Jemanden, den ich offensichtlich geliebt habe?!"
Ich schrie. Ich schreie nie. Diesmal tat ich es. Diesmal konnte ich nicht anders, als einfach zu schreien und mein gesamtes Leid rauszuschreien. Wieso tun Erinnerungen so weh? Wieso tut die Wahrheit weh?
Was mich verletzt, ist nicht, dass sie es mir verheimlicht haben. Was mir weh tut, ist der Fakt, dass ich jemanden an meiner Seite hatte und ihn vergessen hatte. Ich habe eine Person vergessen, die ich geliebt habe. Ich habe es gespürt. Diese Liebe. Dieses Glück. Ich spüre es in mir, wenn ich mich daran erinnere.
„Wir wollten dir niemanden nehmen, den du liebst. Keiner wollte das", erklärte sie mit Vorsicht. „Wieso habt ihr es dann getan? Ich verstehe das nicht", schluchzte ich. Sie seufzte und drehte sich um. Ihren Blick widmete sie dem wunderschön aussehenden Wald.
„Wir alle haben ihn geliebt, Lu."
Wieso spricht sie in der Vergangenheit?
Meine größte Angst ist kurz davor, wahr zu werden. Mit all meiner Kraft versuchte ich zu hoffen, dass es nicht so ist, wie ich denke, dass es ist. Bitte lasst mich nicht noch eine Person verlieren, die ich liebe.
„Lu, er ist gestorben."
Meine Welt bricht zusammen. Ich schaute sie an und merkte, wie sich eine Leere in mir ausbreitet. Wie mein Herz anfängt zu schmerzen. Wie ich anfange, innerlich noch mehr zu zerbrechen als davor schon.
Ich schluchzte und weinte. Weinen um jemanden, an den ich mich nicht erinnern kann. Weinen um jemanden, den ich geliebt habe. Weinen um jemanden, den ich immer noch liebe, auch wenn ich es bis jetzt nicht wusste.
„Wie lange schon", bringe ich mit einer zerbrochenen und verheulten Stimme raus.
„Fünf Jahre."
Oh wow.
Wow.
Er ist gestorben, und ich habe es nicht gewusst. Es ist weg. Für immer. Ich werde ihn nie wieder sehen können. Nie wieder berühren. Umarmen. Mit ihm lachen.
Nie wieder in seine Augen sehen.
Ich bin gebrochen.
Sie haben mich alle gebrochen.
„Ich will nach Hause."
Sie nickte und packte alle Sachen ein, während ich in den Himmel aufsehe, der so wunderschön scheint. Wieso, wenn alles gut läuft, muss ich es wieder versauen? Wieso fängt jeder Tag gut an, endet aber schlecht? Ich habe echt keine Lust mehr auf diesen Mist. Ich will nur einen guten Tag. Einen. Mehr nicht.
„Komm, wir gehen."
Ich nickte stumm und folgte ihr aus dem Wald. Reden tun wir nicht während der Fahrt. Ich war zu sehr in meinen eigenen Gedanken gefangen, um überhaupt etwas wahrzunehmen.
Ich merkte gar nicht, als wir angekommen sind, bis sie mich an die Schulter rüttelte. Ich schaute raus und stellte fest, dass wir wieder bei ihr sind.
Wortlos schnallte ich mich ab und ging auf das Haus zu, welches ruckartig aufgemacht wurde und Daniela besorgt herauskam.
„Oh meine Kinder, wo wart ihr denn? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!"
Ich ignorierte sie nur und ging ins Haus hinein. Ich fand meinen Weg ins Gästezimmer und schloss dieses auch ab. Hinter mir nahm ich noch die verwirrte Daniela wahr, die mir hinterher schaute.
Ich weiß, es ist etwas gemein, sie einfach zu ignorieren, aber ich möchte mit niemandem reden. Ich brauche etwas Zeit für mich, um alles zu verarbeiten und um zu realisieren, was geschehen ist.
Ich wechselte meine von Maria geschenkten Klamotten mit dem Pyjama, der auf dem Bett lag, und legte mich dann auch sofort hin.
Ich bin viel zu kraftlos, um irgendetwas noch zu machen. Ich will einfach schlafen.
Der Welt entkommen.
Der furchtbaren Welt.
Furchtbaren Realität.
Dieser schmerzhaften Realität.
Und wer weiß?
Vielleicht treffe ich ihn ja in meinen Träumen...
![](https://img.wattpad.com/cover/313638525-288-k719371.jpg)
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ʀᴇᴍᴇᴍʙᴇʀ ᴍᴇ
RomanceIch weiß nicht ob es der richtige Zeitpunkt ist dieses Thema anzusprechen. Ich meine es läuft so gut und ich will keine schlechten Erinnerungen wieder aufbringen. „Maria..?", fing ich zögernd meinen Satz an. Sie schaute interessiert zu mir nichtsahn...