Kapitel 30

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L U C I A N A

Wer etwas durch Lügen erreicht, wird es durch die Wahrheit verlieren.

Stumm starre ich die dreckig weiße Wand vor mir an.

Ich wurde belogen. Selbst als ich nach der Wahrheit gebettelt habe, wurde mir ins Gesicht gelogen. Mein ganzes Leben war gefühlt nur eine Lüge. Eine Lügenwelt, erstellt von den Menschen, die ich am meisten liebe, von denen, denen ich am meisten vertraut habe.

Aber weißt du was? Ich werde nicht weinen oder darum trauern. Ich werde nicht mehr schwach sein. Nein. Sie haben meine Tränen nicht verdient.

Jetzt macht alles Sinn. Alles. Ich hatte alles vor meiner Nase stehen und habe es nicht gemerkt. Hätte ich dieses Geld verbrannt. Hätte ich Maria nie etwas von Williams erzählt. Verdammt, hätte ich niemals ein Gespräch mit ihm aufgebaut.

Hätte, hätte, hätte.

Es hätte vieles sein können, doch ist es nicht.

Ich würde jetzt nicht hier sitzen, eingesperrt.

Mit der Zeit frage ich mich immer mehr, was sie mir noch verschwiegen haben.

In was ist diese Familie verwickelt, wenn man mich entführt?

Das hört sich so surreal an. Ich wurde entführt. Das muss man sich erstmal durch den Kopf gehen lassen. Ich wurde entführt.

Je mehr ich es mir in meinem Kopf durchgehen lasse, desto verrückter klingt es.

Wie lange hatte ich nichts mehr gegessen?

Ich weiß ja nicht mal, wie lange ich hier bin. Ich habe so viel Hunger, dass ich es nicht mal mehr spüren kann.

Mein Magen fühlt sich einfach leer an. Genauso wie mein Inneres.

Hör auf, so negativ zu sein, Luciana, das bringt dir absolut nichts.

Gar nichts.

Ich habe Angst zu schlafen. Was weiß ich, was sie machen könnten, wenn ich es wage, zu schlafen? Da bleibe ich lieber wach.

Sie haben es alle bei mir versaut, und diesmal denke ich zuerst an mich. Ich denke an mich und meine Gesundheit. Ich werde mich nicht leiden lassen, nur um eine Freundschaft aufrechtzuerhalten, die auf Lügen basiert.

Diesmal gibt es keine Chancen mehr. Es gibt nur noch mich, und ich reiche vollkommen aus. Ich bin gut, so wie ich bin, und ich habe nichts falsch gemacht.

Ich bin ich, und ich bin an erster Stelle. Niemand anderes.

Ich führe keine Freundschaften, die auf Lügen basieren. Keine Beziehungen, die auf Lügen basieren.

Ich möchte keine Familie haben, die auf Lügen basiert. Da bin ich nämlich lieber alleine und komme alleine zurecht.

Und zum allerersten Mal seit langer, langer Zeit wird mir bewusst, wie sehr ich mich gehen lassen habe.

Ich habe mich nie an erster Stelle gestellt. Ich habe mich nicht geliebt. Ich habe mich gehasst. Ich hatte Minderwertigkeitskomplexe, Angstzustände, Depressionen und was weiß ich. Ich bin zur Therapie gegangen, das nur, weil das Krankenhaus es so zugeschrieben hatte.

Ich weiß nicht, mit was ich alles diagnostiziert wurde; ich habe es mir nie richtig angeguckt, aus Angst.

Zum allerersten Mal nach langer Zeit stelle ich mich an oberster Stelle. Ich bin und sollte meine oberste Priorität sein. Vermutlich ist es zu spät, das einzusehen, aber ich verspreche mir selber, falls ich hier wieder rauskommen werde, mache ich das und auch nur das, was mir Spaß macht, was mich gut fühlen lässt und was ich will. Niemand hat mir etwas zu sagen. Ich bestimme über mein Leben, und auch nur ich. Das sollte ich langsam einsehen.

Ich werde hier rauskommen, das muss ich. Ich sollte optimistisch auf die Sachen schauen. Vielleicht ist das hier passiert, damit die Wahrheit endlich rauskommt. Damit ich realisiere, dass ich es mir wert bin und damit ich meine Priorität werde. Vielleicht musste das hier passieren, damit etwas Besseres passieren kann.

Nach jedem Ab gibt es auch ein Auf.

Es gleicht sich immer aus. So ist unsere Welt. Ich glaube fest daran. Man muss optimistisch auf die Welt schauen.

Es ist nicht alles nur grau und schwarz. Es ist nur farblos, wenn du es dir selbst farblos machst. Du bist der Künstler deines Lebens, lasse es dir nicht schwarz und grau färben. Du hast den Pinsel und du kannst deine Welt bunt gestalten. Du hast die Macht dazu. Ich habe die Macht dazu. Wir alle haben die Macht dazu.

Wir müssen nur eine Möglichkeit sehen, eine Möglichkeit erkennen und diese auch nutzen.

Ich werde es schaffen, hier rauszukommen, und wenn ich dann hier raus bin, wird mein Leben so gut sein wie noch nie, und das ist ein Versprechen.


You are the artist of your life. Don't give the paintbrush to anyone else.
~Chirag Arora

ʀᴇᴍᴇᴍʙᴇʀ ᴍᴇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt