Kapitel 5

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L U C I A N A

꧁ Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an deinem Herzen, bis es bricht.
~William Shakespeare ꧂

Der Abend verlief gut und entspannend. Da es ziemlich spät wurde, haben wir spontan entschieden, dass Maria bei mir übernachtet.

Ich hatte noch ein Gästezimmer, das ich vorbereitete. Ich musste nur Kleinigkeiten machen, wie das Bett neu beziehen und so.

Nachdem ich alles fertig gemacht hatte, stellte ich mich stolz vor das Bett und schaute es mir an. Bevor ich blinzeln konnte, sprang jemand von hinten auf mich, und wir fielen beide aus dem Bett. Ein stechender Schmerz machte sich in mir breit.

Meine Wunden sind noch nicht geheilt, verdammt.

Ich zischte laut; ein Schreien konnte ich mir gerade so zurückhalten. Ich hatte Tränen in den Augen, und Maria sah sie.

„Lu, es—oh Gott, es tut mir so unfassbar leid. Ich habe mir noch einen Spaß erlaubt. Geht es dir gut? Was ist passiert? Ich—ich", fing sie an, doch ich unterbrach sie schnell.

„Alles in Ordnung." Lüge.

Nichts ist in Ordnung. Es brennt. Alles brennt. Mein Herz steht in Flammen.

Ich ignorierte den Schmerz einfach weiter und setzte mir ein falsches, beinahe verzweifeltes Lächeln auf.

„Dein Bett ist fertig, mein Zimmer ist nebenan, falls du noch etwas brauchst."

Ich zeigte auf eine Tür und schaute sie wieder an. „Dort ist das Badezimmer."

Während ich lief, erklärte ich ihr noch die wichtigsten Sachen und wünschte ihr eine gute Nacht. Das machte ich, um abzulenken. Ich wollte einfach so schnell wie möglich weg. In mein Zimmer. Alleine.

Sie schaute mich einfach mit offenem Mund und einem geschockten sowie gleichzeitig verwirrten Blick an. Ich gab mein Bestes, nicht gleich in Tränen auszubrechen, und hoffte, dass meine Stimme nicht versagte. Ich lief zur Tür und wollte gerade herausgehen, als Maria mich zurückzog und die Tür schloss.

Mein Gesicht war zur Tür gedreht, und eine Träne floss über mein Gesicht. Unkontrolliert.

Ich konnte mir mein Schluchzen nicht mehr zurückhalten. Trotz meiner Hand, die meinen Mund zudeckte, entwichen mir mehrere Schluchzer, und ich bekam schlecht Luft.

Unkontrolliert.

Schon wieder verliere ich die Kontrolle.

Schon wieder breche ich zusammen.

Wie armselig.

Mir ist kalt.

In meinem Körper durchströmte eine Kälte und ein stechender Schmerz in meiner Brust.

Ich bekomme Panik.

Mir wurde schwindelig, und ich fiel zu Boden, auf die Knie. Ich stützte mich mit meinen Händen und brach schließlich zusammen.

Vor ihren Augen.

Verdammt, wieso bin ich so schwach?

Sofort schossen meine Gedanken an den Tag zurück, als William seine Hand mir gegenüber hob. Ich schämte mich; ich hätte das nicht zulassen dürfen. Ich hätte so etwas nicht noch einmal durchgehen dürfen.

Und plötzlich erinnerte ich mich an ihn.

An das Monster.

Das Monster, vor dem ich so Angst hatte, obwohl ich es mal so geliebt hatte.

Das Monster, welches mal mein Held war,

das Monster, welches mein Vorbild war,

das Monster, welches mich zerstört hat,

das Monster, welches mir alles Gute im Leben geraubt hat,

das Monster, welches mich bis heute verfolgt.

Ich weinte, und die Tränen strömten nur so heraus. Meine Kehle fühlte sich so trocken an. Ein Zittern machte sich über meinen ganzen Körper breit, und ich hatte einen stechenden Schmerz in meiner Brust. Es fühlte sich wie Stunden an, und selbst als mich Maria in den Arm nahm, spürte ich keine Wärme. Ich spürte nichts mehr. Taub. Einfach nur taub. Das Flüstern von Maria nahm ich auch nicht wirklich wahr. Es war nur im Hintergrund. Ich höre weder spüre ich irgendetwas. Ich starrte in die tiefe Leere und fühlte nichts mehr.

Obwohl... doch. Ich spüre etwas.

Wut.

Wütend auf mein Schicksal, wütend auf meine Vergangenheit, wütend auf meine Gegenwart, wütend auf das Monster, das mich verfolgt, und wütend auf mich.

Wieso? Wieso passiert so etwas? Und plötzlich schmerzte mein Kopf. Ein starkes Stechen an den Seiten meines Kopfes nehme ich wahr, und irgendwie bekomme ich ein komisches Gefühl im Bauch.

- F L A S H B A C K -

„Pshtt, alles ist gut, Estrellita, beruhige dich", flüsterte er mir zu. Ich liege verweint in seinen Armen. Wir sitzen beide auf nassem Gras, während es donnert und in Strömen regnet. Es ist schon wieder passiert. Das Monster hatte erneut die Hand gegen mich gehoben. So schnell ich konnte, rannte ich raus. Bevor ich etwas sagen konnte, brach ich zusammen, und er fing mich auf. Er war da. Er war immer da. Das macht er immer. Er fängt mich immer auf, bevor ich in den Abgrund falle. Nun liege ich hier und schluchze vor mich hin, während er mich umarmt und mir Geborgenheit schenkt. Er zog seine Jacke aus und legte sie auf mich. Wahrscheinlich bemerkte er mein Zittern. Nur anstatt, dass mein Geweine besser wird und ich mich beruhige, passierte das Gegenteil. Vor meinen Augen tauchte das Monster auf. Egal, ob ich meine Augen aufmachte oder in sein Gesicht schaute, ich sah das Monster. Überall. Es verfolgt mich überall, und ich bekomme es nie mehr los.
„Mach, dass es aufhört, bitte. Es soll aufhören, ich kann das nicht mehr. Es soll aufhören, bitte", schrie ich verzweifelt auf.
Mein Atem verschnellerte sich und mein Zittern verstärkte sich. Nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Angst vor diesem unberechenbaren Monster.
Er schien dies zu bemerken, denn er zog mich enger an sich und flüsterte mir beruhigende Sachen zu.
„Estrellita, beruhige dich, ich bin es. Ich bin da. Hör auf, mein Herz. Konzentriere dich auf den Rhythmus meines Herzschlages und beruhige dich, ich bitte dich."
Und genau das mache ich. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust und lauschte seinem Herzschlag, während er beruhigend meinen Kopf streichelt und küsst. Nach einer Zeit beruhigte ich mich und mein Weinen hörte auf.
Meine Augen sind rot angeschwollen, und mein Zittern wurde durch Kälte ersetzt. Ich bin so müde. Meine Augen fallen langsam zu, und ich spüre nur noch, wie ich hochgetragen werde und in ein Auto gesetzt werde. Ich höre noch, wie er einstieg und den Motor startete.
„Ich werde diesen Bastard töten."
Dies waren die letzten Worte, die ich hörte, bevor ich einschlief.

ʀᴇᴍᴇᴍʙᴇʀ ᴍᴇWo Geschichten leben. Entdecke jetzt