L U C I A N A
꧁I'll never be that me again.꧂
„Bist du endlich fertig?"
Bereit stehe ich vor der Haustür und warte, bis Diego endlich kommt. Er hatte anscheinend so Hunger, dass er es ohne einen kleinen Snack nicht aushalten konnte. Der Snack dauert schon seit einer halben Stunde.
Wenn das ein Snack ist, will ich mir gar nicht ausmalen, wie lange eine normale Mahlzeit bei ihm dauert.
Ich verdrehe meine Augen, als ich ihn mit vollem Mund vor mir stehen sehe und mit vielen kleinen Cookies in seiner Hand.
Ist das sein Ernst?
„Willst du?", fragte er mich mit vollem Mund. Ich schüttelte nur meinen Kopf und ging dann aus dem Haus raus. Wenn er mich noch eine einzige Minute länger warten lässt, dann drehe ich noch durch.
Mittlerweile ist es schon halb acht. Langsam beginnt es bereits zu dämmern. Der Herbst beginnt bald und ehrlich gesagt bin ich ziemlich froh darüber, denn der Sommer dieses Jahr war einfach nur nervig. Ich freue mich, wenn die Blätter an den Bäumen sich verfärben und dann so wunderschön aussehen.
Nichts gegen den Sommer, ich liebe den Sommer genauso wie jede andere Jahreszeit, doch dieses Jahr war es nicht dieses Sommerfeeling welches man sonst immer hat. Es kann vielleicht auch daran liegen, dass die Temperaturen verrückt gespielt haben. An einem Tag war es bis zu 30 Grad und am anderen Tag hat es in Strömen geregnet. Persönlich haben mir die Sommernächte, in denen es geregnet hat, am besten gefallen. Es war zwar warm, aber trotzdem angenehm. Ausgeglichen. Eine ruhige und schöne Atmosphäre.
In Gedanken versunken wartete ich draußen vor Diegos Auto. Das Auto machte ein piependes Geräusch und öffnete sich. Ich schaute nach hinten und sah Diego, der gerade hierherkommt. Anscheinend hat er seine Cookies fertig gegessen.
Ich öffnete die Tür und setzte mich ins Auto. Anschnallen und zurücklehnen. Ich vermute, die Fahrt würde nicht länger als 20 Minuten dauern, denn so weit ist meine Wohnung gar nicht von hier.
Diego stieg ebenfalls ein und startete sofort den Motor. Nachdem er sich schweigend angeschnallt hatte, schaute er mich an. Habe ich was im Gesicht?
„Hast du heute schon gegessen?"
Ich runzelte die Stirn, da ich alles außer dieser Frage erwartet hätte. Was interessiert das denn?
Ich zuckte nur mit den Schultern und schaute aus dem Fenster. Ich möchte das einfach hinter mich bringen.
„Weißt du, ich kann dich nicht zwingen, etwas zu essen, doch es ist nicht fair gegenüber Maria. Sie macht sich Vorwürfe für die ganze Sache."
Mein Kopf schallte zurück zu Diego, und ich schaute ihn erstaunt an. Ich wusste nicht, dass sich Maria so fühlt, und es war auch absolut nicht meine Absicht, sie so fühlen zu lassen. „Ich konnte nichts runterkriegen. Das ist oft bei mir so; ich vergesse einfach oft zu essen oder ich habe einfach keinen Hunger. Das hat nicht unbedingt etwas mit dem Vorfall zu tun."
Meine Stimme ist ruhig und gleichmäßig, während ich versuche, mich zu erklären. Ich lüge nicht, denn ich kann eine lange Zeit ziemlich gut ohne Essen auskommen. Solange ich immer genug trinke, ist es nicht so schlimm. Glaub ich zumindest.
Diego antwortete nichts, sondern schaute einfach auf die Straße. Vorhin war er noch super drauf.
Wieso haben alle hier so Stimmungsschwankungen?
Nach etwa zehn Minuten biegen wir in die mir allzu bekannte Straße ein. Ein paar Häuser weiter und schon sind wir da. Ich wohne in einer kleinen, aber feinen Wohnung. In dieser Umgebung gab es früher leider keine Einzimmerwohnung, deshalb habe ich mir eine Wohnung mit zwei Zimmern gemietet. Das zweite Zimmer habe ich einfach als Gästezimmer genutzt, auch wenn es bis jetzt nicht wirklich zum Einsatz kam.
Sofort kam mir die Erinnerung an den Abend mit Maria in den Sinn. Im Großen und Ganzen war es eigentlich eine schöne Zeit mit ihr.
Das Auto blieb vor dem großen Haus stehen, und ich schaute es mir an. Ich kann nicht glauben, dass das wahrscheinlich der letzte Tag sein wird, an dem ich hier sein werde.
„Bist du bereit?"
Diegos Frage bekam ich nur mit einem Ohr mit. Ich war viel zu sehr mit anderen Gedanken beschäftigt.
Bin ich denn bereit?
Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass, wenn wir weiter hier sitzen, wir es nie erfahren werden. Also nickte ich und schnallte mich ab. Diego tat es mir nach, und so stiegen wir dann beide aus dem Auto aus, welches er dann auch abschloss. Ich atmete tief ein und schloss für einen Moment meine Augen.
Allein der Gedanke, dass vor Kurzem drei Menschen hier umgekommen sind, lässt mich erschaudern. Diese Menschen hatten Familien, Freunde, ein Leben.
Und allen Dreien wurde es an einem Ort am selben Tag genommen. Den Fakt, dass ich selbst fast draufgegangen bin, ignoriere ich einfach.
Langsam laufe ich auf das große Gebäude zu, und im Augenwinkel sehe ich, wie Diego mir folgt. Mir wird nichts passieren; ich bin nicht alleine.
Ich bin nicht alleine.
Mit zitternden Händen schloss ich die Haustür zu meiner Wohnung auf. Diego steht dicht hinter mir und lässt mich machen. Er drängt mich nicht, schneller zu machen, sondern lässt mir Zeit, und dafür bin ich ihm wirklich dankbar.
Ich öffnete die Tür und ging langsam hinein. Der Anblick stockte mir, denn hier sieht nichts mehr so aus, wie es war. Es ist nichts von dem Zuhause geblieben, das ich kenne.
Das ist nicht mein Zuhause.
Es ist ein reinstes Chaos.
Es ist, als wäre hier eine Bombe eingeschlagen, und das ist eine reinste Untertreibung.
Alles ist weg. Alles, wofür ich all die Jahre so hart geschuftet habe.
Alles, was ich mir die Jahre über aufgebaut habe.
Alles ist zerstört worden, und das in weniger als 24 Stunden. Es ist so, als wäre meine ganze Existenz geraubt worden. Man erkennt hier nichts mehr. Alle Bilder liegen zersplittert auf dem Boden, meine Klamotten liegen teilweise zerschnitten und verbrannt auf dem Boden herum. Mein Geschirr und meine Blumen liegen alle kaputt und zersplittert herum. Alles ist weg.
Alles, was ich mal Zuhause genannt habe.
Mir wurde vieles genommen, doch gestern wurde mir das einzige, was ich noch hatte, genommen. Das einzige, wo ich mich wenigstens etwas wohlfühle.
Der Ort, an dem ich Nacht für Nacht über Jahre hinweg geschlafen habe.
Mir wurde mein Zuhause weggenommen.
Mir wurde alles, was ich habe, genommen.
Mir wurde meine Existenz genommen, und ich warte nur darauf, bis man mir mein Leben nimmt.
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ʀᴇᴍᴇᴍʙᴇʀ ᴍᴇ
RomanceIch weiß nicht ob es der richtige Zeitpunkt ist dieses Thema anzusprechen. Ich meine es läuft so gut und ich will keine schlechten Erinnerungen wieder aufbringen. „Maria..?", fing ich zögernd meinen Satz an. Sie schaute interessiert zu mir nichtsahn...