10. Kapitel

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TW: Suizidgedanken, Selbstzweifel & Gedanken an Selbstverletzung


Hyunjin Pov:

Was hatte ich nur getan?

Ich konnte doch nicht einfach meinem Feind meine größte Schwäche offenbaren! Wieso war ich nur so dumm und hatte nicht nachgedacht? Felix hatte die Sicherheit des Dunklen genutzt um Informationen zu bekommen. Safe wollte er sich rächen, nachdem ich seine Familie in der Mensa angesprochen hatte...

Und ich hatte es nicht gemerkt und hab ihm alles wie auf dem Silberteller serviert. Nie wieder werde ich ein normales Gespräch mit ihm führen können. Denn wenn ich ehrlich war, hasste ich den Kleinen gar nicht so sehr, wie ich es den anderen vermittelte. In Wahrheit machte es einfach nur Spaß und es war eine angenehme Ablenkung zu meinem sonst eher langweiligem Alltag.

Doch nun würde es von seiner Seite aus garantiert eher ins Mobbing übergehen. Er wusste nun Sachen über mich, die nicht mal meine Schwester wusste. Yeji glaubte immer noch, dass es mir besser gehen würde und ich langsam angefangen hatte zu heilen. Doch eigentlich wollte ich nur nicht, dass sie sich allzu große Sorgen um mich machte.

Sie war bisher die Einzige, die richtig reagiert hatte. Und diesen Platz teilte sie sich nun mit dem Jüngeren. Wenn ich zurückdenke war ich immer noch überrascht, wie gut er es aufgenommen hatte. Zuerst einmal konnte er mich innerhalb 5 Minuten wieder einiger Maßen runterbringen, wobei ich normalerweise das dreifache brauchte.

Außerdem hatte ich mich danach echt wohl bei ihm gefühlt, weil er so eine Ruhe ausströmte. Am liebsten würde ich ihm einfach vertrauen und mich auf ihn einlassen. Aber ich wurde schon so oft hintergangen und belogen, warum sollte es dieses Mal bei ihm anders sein?

Seit unserem ersten Treffen wusste ich, ich müsste vorsichtig bei ihm sein. Er war nicht jemand, der einfach klein beigab und Angst vor mir hatte. Seinen Respekt musste man sich verdienen. Einerseits echt nervig, dass er nicht das tat, was ich von ihm verlangte. Andererseits wurde er somit auch interessant für mich, da es nicht viele Leute gab, die sich trauten mir zu widersprechen.

Ein lautes Hupen riss mich aus meinen Gedanken. Shit, ich war schon wieder zu versunken gewesen, um auf meine Umgebung zu achten. Schnell machte ich einen Schritt zur Seite um das Auto vorbei zu lassen. Gleichzeitig stellte ich fest, dass ich auch schon fast zu Hause war. Ich hoffte, dass Mutter mich nicht erwischte, denn dann müsste ich mich erklären...

Als ich ankam versuchte ich so leise wie möglich die Haustür aufzuschließen und wiegte mich schon in Sicherheit, als plötzlich die unverkennbare Stimme meiner Mutter zu hören war. "Stehen geblieben! Wo warst du? Hab ich dir erlaubt so lange draußen zu sein?" Ich drehte mich langsam um, in der Hoffnung, dass mir möglichst schnell eine Ausrede einfiel.

"Ich war noch mit den Jungs draußen und die S-Bahn ist ausgefallen. Deswegen musste ich länger warten", ich hoffte sie würde sich damit zufriedengeben und drehte mich schon um, als ich auf einmal ihre kalten Finger um mein Handgelenk fühlen konnte. "Wo wollen wir denn so schnell hin, mein lieber Freund?" Ich presste meine Lippen aufeinander, da es mittlerweile echt weh tat, wie sie meinen Arm umklammerte.

"Es tut mir leid, Mutter. Ich werde nicht noch mal zu spät kommen", versprach ich ihr leise. ''Das wollen wir doch hoffen. Oder legst du es wirklich darauf an, mich in jeder Hinsicht zu enttäuschen?" Ich schüttelte den Kopf und wimmerte erleichtert, als sich mich endlich losließ. Ihr Griff würde ich garantiert auch noch morgen sehen können...

"Und jetzt geh hoch in dein Zimmer, ich will dich heute nicht mehr sehen!" Ich beeilte mich die Treppe hinaufzugehen um endlich weg von ihr zu kommen. Ich hatte Felix nur die halbe Wahrheit erzählt. Unser Verhältnis war noch viel kranker, als ich es beschrieben hatte. Ich ließ mich auf mein Bett fallen, hab aber wieder den Kopf, als ich ein Klopfen hörte.

"Komm rein Yeji!" Ich sah zu wie meine kleine Schwester in den Raum trat und die Tür hinter sich schloss. Gerade als ich was sagen wollte, knurrte mein Magen laut. Beinlich berührt wollte ich dieses Geräusch schon überspielen, aber Yeji kannte mich besser. "Oh stimmt, ich hol dir was von unten. Ist Brot und Obst okay? Ich schau einfach was wir dahaben."

Ohne auf meine Antwort zu warten verschwand sie schon wieder. Einerseits glücklich wegen ihrem Vorschlag, andererseits auch niedergeschmettert legte ich mich wieder hin. Ich wollte nicht, dass meine Schwester sich so um mich kümmern musste. Einmal hatte sie deswegen auch eine Standpauke von meiner Erzeugerin bekommen, doch diese konnte Yeji noch nie lange böse sein.

Eigentlich verstanden die beiden sich voll gut, wäre da nur nicht ich. Ich verstörte mal wieder alles, nur indem ich lebte. Wäre ich nicht auf der Welt, würde Dad noch leben und die drei hätten eine glückliche Familie. Ich fühlte mich so unnütz, dass ich gerade wieder dringend das Bedürfnis hatte, mich selbst für meine Existenz zu bestrafen.

Doch bevor ich auch nur zu meinen Klingen greifen konnte, kam Yeji wieder rein. "Schau mal, ich habe einen Apfel und ein paar Kekse gefunden. Wenn dir das nicht reicht, kann ich auch noch ein zweites Mal gehen." Doch ich beteuerte ihr, dass dies mehr war, als ich mir erhofft hatte. Allerdings kannte ich dieses Spiel von ihr schon. Sie war hier für die Wahrheit.

"Verrätst du mir jetzt, wo du heute wirklich warst? Und was war das eigentlich für ein Aufstand mit diesem Felix in der Schule?", kamen auch gleich ihre Fragen. Ich erzählte die Zusammenfassung von dem, was heute passiert war. "Und dann ist halt das Licht ausgegangen und ich hab ne Panikattacke bekommen." Yeji schaute mich abwartend an, nach dem Motto: Jetzt wo es spannend wird, kannst du doch nicht einfach aufhören!

Also fuhr ich weiter fort und erklärte ihr wie süß und verständnisvoll Felix gewesen ist. Sie unterbrach mich kein weiters Mal und sagte mir am Ende ihre Meinung zu diesem ganzen Chaos. "Also ich glaube nicht, dass Felix es böse gemeint hat. So wie du es mir erzählt hast, hat er sich einfach Sorgen um dich gemacht. Verurteile ihn nicht zu schnell."

Kann es wirklich sein, dass der Junge mit den Freckles mir positiv gesinnt ist? Mit einem Haufen an ungeordneten Gedanken ließ Yeji mich alleine zurück in meinem Zimmer. Ich legte mich auf dem Rücken und sah durch mein Dachfenster in den Sternenhimmel. Früher hab ich es geliebt mit Dad campen zu gehen und den Nachthimmel zu bestaunen. Jetzt war das einzige Sternzeichen, was ich erkennen konnte der große Wagen...

Ich schweifte mal wieder mit den Gedanken in die Vergangenheit, ohne zu merken, dass es mich selbst nur noch trauriger machte und mich immer mehr zerstörte. Am liebsten würde ich zurückreisen und mich an diesem Abend für ihn opfern. Er hatte es nicht verdient zu sterben, und trotzdem hatte das Schicksal so entscheiden.

Ich glaubte zwar nicht an Gott, aber er hatte es getan. Deswegen hoffte ich einfach, dass er sich im Himmel auch wohl fühlte. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie es immer später wurde, bis ich auf die Uhr schaute und sah, dass es schon halb zwei war.

Ich war aber noch absolut nicht müde, weshalb ich wieder zu meinen Schlaftabletten griff. Würde es auffallen, wenn ich ein paar zu viele nahm? Würde mich jemand vermissen, wenn ich weg von dieser Welt war?

Mit diesen Gedanken ließ ich zu, dass die Dunkelheit mich einholte und diese Gedanken endlich stoppten.

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Heute mal aus Hyunjin's Sicht, damit ihr ihn ein bisschen besser verstehen könnt

Princess ʰʸᵘᶰˡᶤˣ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt