11. Kapitel

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Felix Pov

Ich wartete den ganzen Tag, aber vergeblich. Hyunjin ließ sich kein einziges Mal blicken, bis mir Chan erzählte, er sei heute gar nicht in die Schule gekommen. Anscheinend krank... Glauben wollte ich diese Ausrede aber nicht. Vermutlich suchte er nach einem Weg, mich zu ignorieren. Nachdem was ich gestern erfahren habe, kann ich es einerseits gut verstehen, auf der anderen Seite ist es einfach nur dumm. Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich ihn nicht verurteilen würde!

Von unserem ersten Tag, wo Hyunjin und ich mit dem Taxi gefahren sind, wusste ich wo er wohnte. Trotzdem hatte mir Jisung abgeraten, ihn zu besuchen. "Wenn es stimmt, und er dir aus dem Weg gehen will, möchte er bestimmt nicht, dass du bei ihm zu Hause auftauchst. Womöglich machst du es sogar noch schlimmer", hatte Ji zu mir gesagt, nachdem ich ihm das gestern erklärt hatte.

Und das Eichhörnchen hatte Recht, ich will es nicht noch schlimmer machen. Deswegen kippte ich meine Tagesplanung über den Haufen und beschloss stattdessen zu Wooyoung ins Café zu fahren. Es ist schon länger her, dass wir was länger zusammen gemacht haben und ich beschloss ihm einfach zu helfen, damit wir danach irgendwie Shoppen gehen könnten oder so.

San war eher der stränge Dad, der aufpasste, dass wir nicht zu viel Scheiße bauten. Währenddessen traute ich Wooyoung sogar zu, bei meinen verrückten Ideen mitzumachen. Er war der coole Dad, der halb bester Freund war. Ich genoss es sehr mit ihm einfach auf dem Sofa zu sitzen und über alles mögliche zu Reden. Seitdem ich hier in der Schule war, hatten wir sogar feste Lästerstunden, in denen ich mich über alles und jeden aufregen konnte.

Von der Nachricht, die Woo geschickt hatte, wusste ich, dass das Café erst in einer Stunde aufmachen würde. Mir blieb also genügend Zeit, um ihm zu helfen. Es war auch nicht das erste Mal, dass ich die Leute bediente, aber in den letzten Wochen hatte ich eher weniger die Zeit dazu gefunden.

Ich stieg aus dem Taxi, bezahlte den Fahrer und klopfte an der Tür. Nur Sekunden später öffnete mir ein breit grinsender Wooyoung. "Du weißt gar nicht, wie sehr mich deine Nachricht gefreut hat. Eigentlich brauche ich gar keine Hilfe, weil ich jemand neues eingestellt hab, aber trotzdem bin ich froh, dass du da bist. Wie war Schule? Ach komm erst mal rein!"

Wie immer war er total überdreht und redete wie ein Wasserfall auf mich ein. Im Moment vermisste ich San, da er es immer schaffte, seinen Ehemann etwas runter kommen zu lassen und ihn erinnerte, auch noch mal Luft zu holen.

"War eigentlich ganz okay. Mr. Wang war wieder total chillig drauf. Wir haben etwas über den Weltraum gelernt. Wie man da Mathematik auch anwenden muss oder so. War echt spannend", antwortete ich auf eine seiner vielen Fragen. Gleichzeitig schnappte ich mir eine Schürze und begann, die ersten Tische und Stühle abzuwischen.

Die ganze Zeit danach redeten wir über die Leute in meiner Schule, während wir die Theke aufbauten und das ganze Café auf seine Besucher vorbereiteten. Ich war gerade hinten im Kühlraum, als ich die Türglocke hörte. Komisch, der Laden machte doch erst in zehn Minuten auf?

"Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Meine Schwester hatte einen kleinen Unfall und ich musste sie aus der Schule abholen. Ich arbeite auch die restlichen Minuten nach hinten wieder ab." Warte mal, das konnte doch jetzt nicht Echt sein!

"Alles okay, mach dir keinen Stress. Geht es wenigstens seiner Schwester besser?" Gerade als er antworten wollte, trat ich aus dem kleinen Raum und sah Hyunjin direkt in die Augen. "Felix, was machst du denn hier?" Fast schrie er auf. War mein Anblick wirklich so schlimm für ich? Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und antwortete schmollend "Das gleiche könnte ich dich fragen. Immerhin hab ich dich hier noch nie gesehen."

Bevor es in einen weiteren Streit ausaten konnte, unterbrach Wooyoung uns. "Warte mal, ihr kennt euch? Felix, wieso hast du mir nie was von ihm erzählt?" Seine Stimme klang fast schon vorwurfsvoll. "Hab ich doch. Nur nie seinen Namen. Er ist der, der mich immer beleidigt hat", exposte ich den Älteren. "Ich hab mich nur gewehrt, du hast angefangen!" 

Mir war bewusst, dass wir uns wie Kleinkinder verhielten, aber es machte einfach Spaß. "In deinen Träumen. Erinnerst du dich noch an den ersten Tag? In meinem Gedächtnis wollte ich eigentlich gar keinen Streit mit dir!" Empört schnappte er nach Luft. "Dann hast du halt Alzheimer. Denn du bist in mich gelaufen!"

Es war, als wäre gestern einfach ausgelöscht. Wir benahmen uns wie immer, obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, mich zu bessern. "Jungs, beruhigt euch mal. Entweder ihr bekommt euren Scheiß wieder von alleine zurecht, oder ich sperre euch so lange in eine kleinen Raum, bis ihr euch entweder geküsst oder umgebracht habt. Eure Entscheidung, aber gleich öffne ich diesen Laden, und ab da an will ich keine negative Spannungen mehr, okay?", setzte mein Dad nun das Machtwort.

Mir viel mein Vorsatz wieder ein und schnell antwortete ich. "Es tut mir leid Hyunjin, eigentlich wollte ich normal mit dir reden. Können wir uns nach deiner Schicht unterhalten?" Etwas überrascht von meinem Sinneswandel stimmte er zu und holte sich auch seine Uniform. "Na dann, ist ja alles geklärt, dann lasst uns diesen Tag schnell beenden, damit ihr rechtzeitig miteinander 'reden' könnt." Bei dem Wort Reden, malte Wooyoung Gänsefüßchen in die Luft und grinste Mich wissend an.

Doch bevor ich widersprechen konnte, legte er seine Hand auf meinen  Mund. "Du musst nichts erklären, Baby. Ich kann es aus euren Blicken lesen." Ich wand mich aus seinem Griff und nahm mir den Kochlöffel, den ich vergessen hatte aufzuräumen. "Läuf, oder du bist gleich ein toter Mann!", drohte ich ihm.

Und er rannte wirklich schreiend vor mir weg und versteckte sich hinter einem Tisch auf der gegenüberliegenden Seite. "Mach das nicht, San braucht mich doch. Keiner kann ihn so gut befriedigen wie ich! An wem soll er denn dann seinen ganzen sexuellen Freust auslassen? An dir etwa? Ach nein stimmt, du hast ja schon Hyunjin", gackerte er. Und somit hatte er sich sein Todesurteil selbst zuzuschreiben.

"Hast du nicht!" Ich schmiss meine Waffe nach ihm, und traf leider nicht. stattdessen schnappte ich mir ein Handtuch und rannte ihm so lange hinterher, bis ich ihn erreichen konnte und schlug wie wild auf ihn ein. Zugegebener weise, traf ich ihn nur in einem von fünf Fällen. "Nimm deine Worte sofort zurück!", befahl ich ihm. "Niemals!"

Außenstehende könnten denken, wir streiten uns wirklich, aber für uns war das alles nur Spaß. Sogar ein bisschen Normalität. Unsere Beziehung war schon immer so kindisch gewesen, somit wussten wir beide, dass wir es nicht ernst meinten. Außerdem tat ein Schlag mit dem Handtuch nicht wirklich weh.

"Ähm, ich will euch nicht stören, aber theoretisch haben wir schon seit fünf Minuetn offen. Könnt ihr euren... was auch immer, vielleicht ein bisschen nach hinten verlegen?" Oh, ich hatte Hyunjin ganz vergessen. Peinlich berührt sah ich zu ihm und war überrascht von dem Ausdruck in seinen Augen. Ich hatte Genervtheit oder Langeweile drin vermutet, aber zu sehen waren nur Schmerz und Trauer.

Und da wurde mir auch sofort bewusst, was ich getan hatte. Ich führte ihm eine perfekte Vater-Sohn-Beziehung vor, welche er nicht mehr hatte. Ich erinnerte ihn an seinen Verlust, indem ich ihm zeigte, was er verpasste. Und sofort tat es mir leid, ich wollte auf in zugehen und mich entschuldigen. Doch er blockte mal wieder ab. Lief quasi vor mir weg.

Enttäuscht räumte ich das Chaos was Woo und ich veranstaltet hatten weg und änderte dann das Türschild auf 'Open' um. Wie ein Roboter erledigte ich meine Arbeit in den nächsten Stunden. Versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, doch meine Gedanken waren immer nur bei dem Schönling hinter der Theke.

Als ich einmal das Tablet abholen wollte, und er es gerade hinstellte, berührten sich unsere Finger. Und ich war mir zu 110 Prozent sicher, dass nicht nur ich diesen Stromschlag gespürt hatte, denn er schaute mich ähnlich an, wie ich mich fühlte.

Als seine Schicht fertig war, wollte er schon gehen, doch ich hielt ihn zurück. "Wo willst du denn so schnell hin?" Genervt blickte er mich an. "Nach hause, was denn sonst?" Ich ließ mich von seiner abweisenden Tonlage nicht verunsichern und blinzelte zu ihm hoch. "Du hast mir versprochen, dass wir reden werden!" Er nahm seine Hand aus meiner, blieb aber tatsächlich stehen. "Und worüber bitteschön?" 

Verschmitzt lächelte ich ihn an, ehe ich mir meine Jacke schnappte und ihn mit mir zog. "Du hast mir deine Vergangenheit anvertraut, also erzähle ich dir jetzt auch meine Geschichte"

Princess ʰʸᵘᶰˡᶤˣ ᶠᶠWo Geschichten leben. Entdecke jetzt