Epilog

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Der Morgen war kalt, die Luft noch feucht von der Nacht zuvor, als ich vor der JVA Stammheim stand, umgeben von ein paar von O.Gs seinen Hoodies, die ihre gemieteten Sportwagen mit – grelle Farben, tiefer gelegt, geparkt hatten. Als wären sie gekommen, um einen VIP abzuholen. Auf gewisse Weise stimmte das ja auch. Ouissem, der Mann, den alle nur als O.G. kannten, kam heute endlich raus. Der Tag seiner Freilassung.

Die Sonne hing tief über dem Horizont, als die schwere Gefängnistür sich öffnete und der Mann des Tages den Hof trat. Lässig, mit einem Pappkarton in der Hand und einem Grinsen im Gesicht, das ihn unantastbar erscheinen ließ.

Es war, als hätte die Zeit ihn nicht berührt, als wären die fast zwei Jahre hinter Gittern nur eine Fußnote in seiner Geschichte.

Er kam näher, mit diesen kräftigen Schritten und breiten Schultern, die im Knast nur noch stärker geworden waren. Die Jungs jubelten und riefen seinen Namen, „O.G.!", während sie ihm auf die Schulter klopften und ihn fest umarmten. Sie feierten ihn, als wäre er nie weg gewesen, und ich stand abseits, meine Hände tief in den Taschen vergraben, mein Herz hämmerte in meiner Brust. Er war draußen...

Alles in mir schrie danach, zu ihm zu laufen, ihn in die Arme zu schließen und den lang ersehnten, vertrauten Geruch von ihm einzuatmen. Aber ich hielt mich zurück, ließ ihm den Moment mit seinen Jungs – er gehörte ihm allein.

Doch dann bemerkte er mich. Seine Augen wanderten suchend umher, und als er mich entdeckte, verharrte er kurz. Langsam kam er auf mich zu, jeder Schritt bedacht, als wolle er diesen Moment festhalten.

Meine Kehle war wie zugeschnürt, ich brachte kein einziges Wort heraus. Mein Mann. Schöner als je zuvor... Und als er schließlich vor mir stand, musterte er mich von Kopf bis Fuß, ohne ein Wort zu sagen, packte er mich plötzlich an der Hüfte und hob mich mühelos hoch.

Ein überraschter Laut entwich mir, als er mich in die Luft schwang, als wöge ich nichts.

„Eywaaa!", riefen alle Jungs und lachten. Für mich gab es aber nur ihn. Seine Hände, fest um meine Taille, seine Augen, die mich ansahen, als wären wir die einzigen Menschen auf der Welt. Wir waren wieder vereint.

Bevor ich etwas sagen konnte, beugte er sich vor und küsste mich – tief und leidenschaftlich, als wollte er all die verlorene Zeit mit einem einzigen Kuss wettmachen. Ich war in seinen Armen, da, wo ich hingehörte.

Als er mich schließlich wieder absetzte, atmete ich schwer, und er grinste mich an, dieses unverwechselbare Grinsen, das alles in mir zum Schmelzen brachte. „Jetzt geht's erst richtig los, Habibti," murmelte er leise, seine Stimme rau. Dann legte er einen Arm um mich, zog mich an sich, und das Leben fühlte sich wieder vollkommen an.

„Bruder, fahr mich direkt mit meiner Frau ins Studio. Wir müssen ein paar Bretter aufnehmen. Die Welt muss wissen das Nova und O.G wieder zurück sind."

Ende

Ein Junge von der Straße | O.G.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt