52| Es tut mir leid

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Es war bereits Tag

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Es war bereits Tag. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ die Umgebung leuchten, wenigstens etwas...

Verheult und durcheinander lief ich aus der Wohnung und sah zu, wie Ouissem ins Auto gebracht und anschließend weggefahren wurde.

Ich sah Soufian und Mecet, die mir entgegenkamen. In ihren Gesichtern war bereits Sorge und Unsicherheit zu erkennen, nachdem sie den Streifenwagen hatten vorbeifahren sehen.

„Was ist passiert, Nova?" fragte Soufian leise, aber fest, während Mecet sich gestresst durch die kurzen Haare fuhr und vermutlich schon ahnte, was eben mit seinem Freund geschehen war.

Ich konnte es kaum über meine Lippen bringen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und als ich endlich anfing zu sprechen, war meine Stimme brüchig. „Es... es ist alles meine Schuld..." stotterte ich, während die Tränen unkontrolliert über mein Gesicht liefen. „Ouissem... er wurde festgenommen... wegen... wegen Enes."

Die Jungs tauschten Blicke, und ich sah, wie die Schockwelle durch sie hindurchging. Mecet, der immer aufbrausende, explodierte sofort. „Was?! Was zum Teufel meinst du, Nova? Wer ist Enes?!"

„Mein Ex. Ich hab ihn gestern..." Ich brach ab, unfähig, die Worte auszusprechen.

Beide standen einfach nur da, die Hände zu Fäusten geballt, und in Mecets Augen funkelte Wut. „Was für eine Scheiße... Aber Ouissem? Nein, das... das kann nicht sein."

Soufian legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und versuchte, meine zittrigen Schultern zu beruhigen. „Hey, beruhig dich, Nova. Er wird da rauskommen. Wir finden einen Weg, das zu klären."

„Es gibt einen Weg." Ich atmete aus und wischte mir die Tränen von der Wange. „Ich stell mich bei den Bullen. Weil ich es war. Ich war es, die Enes umgebracht hat." Ich schluchzte wieder und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. In diesem Moment brach ich endgültig zusammen. Die Wahrheit, die ich so lange verdrängt hatte, kam nun ans Licht, und es gab kein Zurück mehr. Meine Knie gaben nach, und ich fühlte, wie meine Welt um mich herum in tausend Stücke zerbrach.

Soufian kam direkt zu mir und nahm mich in den Arm. „Chill, lass uns das regeln. Wir schaffen das," flüsterte er beruhigend.

Doch seine Worte drangen nicht wirklich zu mir durch. Die Schuld, was geschehen war, lasteten schwer auf mir. „Fuck, fuck, fuck. Wenn der jetzt wegen dieser Kahba eingesperrt wird..."

„Du musst uns sagen, was genau passiert ist, damit wir euch helfen können," sagte Soufian und löste sich von mir.


Ich hatte ihnen alles erzählt, von dem ersten Treffen mit Enes in Feuerbach bis hin zu seinem Begräbnis. Nimo erwähnte ich dabei natürlich nicht, da ich ihn nicht da mit reinziehen wollte.

Mittlerweile waren auch Ouissems bester Freund Locky und ein anderer Kollege namens Khaled angekommen, der Mecet bei seiner Ankunft böse musterte.

„Wir müssen zu seiner Mutter," meinte Soufian und schien niedergeschlagen zu sein. Verständlich: Ouissem war für ihn eine Vorbildfigur, jemand, der ihm half. Und jetzt ist er dank mir weg. Aber was sollten wir seiner Mutter sagen? Wie sollten wir einer alten Dame erklären, dass ihr Sohn zum fünften Mal eingesperrt wird, und nicht zu vergessen, dass sein Bruder ebenfalls noch drin ist?

„Sie ist schon auf dem Weg," sagte Locky ruhig und bewahrte im Gegensatz zu mir und den anderen einen kühlen Kopf.

„Meinst du, wir schaffen es, dass er rauskommt?" fragte ich mit geschwollenen Augen und zerbissenen Fingernägeln.

„Ich weiß es nicht. Aber wir dürfen uns keinen unnötigen Stress machen. Ouissem weiß, was er tut," sagte Locky ruhig und sah uns alle an, da wir kurz davor waren, den Verstand zu verlieren. Wir wussten nicht einmal, wo er hingebracht wurde, und das war eines der Probleme.

„Lass uns ihn suchen gehen. Wir klappern einfach jede Polizeistation ab und zum Schuss auf JVA Stammheim," rief Mecet laut und warf den Joint weg, den er zur Beruhigung genommen hatte – anscheinend ohne Erfolg. „Du wirst gar nichts machen. Wir bleiben erstmal hier," verlangte Khaled ohne Raum für Widerspruch.

„Bist du mein Vater oder was?", Mecet stellte sich bedrohlich vor Khaled und runzelte die Stirn, während Khaled ihn nicht ernst zu nehmen schien und die monotone Fassade aufrechterhielt.

„Labber mich nicht voll. Wir haben andere Sorgen als deinen Kinderscheiß." Khaled drehte sich weg und entzog sich der fast eskalierten Situation.

Wir alle blieben ruhig, gefangen in unseren eigenen Gedanken und Schuldgefühlen, die mich persönlich innerlich zerfraßen. Ich hatte nicht nur einen Freund oder ein Familienmitglied weggenommen, sondern auch den Fans ihren Künstler genommen.

Die Minuten vergingen, bis die Scheinwerfer eines ankommenden Autos die Straße erhellten. Das war sie, Ouissems Mutter.

Sie kam angefahren, und neben ihr saß ein anderer Kollege von O.G., den ich nur flüchtig kannte.

Khaled und Locky gingen sofort zur Tür, um sie in Empfang zu nehmen, während ich in der Ecke verharrte, unsicher, wie ich ihr unter die Augen treten sollte. Sie würde mich hassen.

Das Auto kam zum Stillstand, und die Fahrertür öffnete sich langsam. Ouissems Mutter stieg aus, ihre Haltung war aufrecht, aber ihre Augen verrieten eine tiefe Sorge.

Ihr Begleiter, ein stämmiger Mann mit ernster Miene, öffnete die Beifahrertür und trat ebenfalls heraus. Die beiden kamen langsam auf uns zu und ahnten bereits, dass etwas passiert war.

Ihre Augen, dunkel und von Sorgen gezeichnet, suchten die Gesichter der Anwesenden ab, bis sie auf mir liegen blieben. In dem Moment fühlte ich mich, als würde der Boden unter mir nachgeben. Ich wusste nicht, wie ich ihr in die Augen sehen sollte, nachdem das alles geschehen war.

Der Kollege von Ouissem, der mit ihr gekommen war, hielt sich im Hintergrund, die Arme verschränkt, während Khaled und Locky sich bemühten, ihr die Situation zu erklären. Doch bevor sie etwas sagen konnten, bewegte ich mich wie in Trance auf sie zu, mein Herz schwer vor Schuld und Reue. Was tat ich nur...

„Es tut mir leid... Es tut mir so leid...", stammelte ich, als ich vor ihr stand. Tränen stiegen wiederholt in meine Augen auf, und ich senkte den Blick, unfähig, ihre Reaktion abzuwarten.

Zu meiner Überraschung umarmte sie mich, ohne zu zögern. Ihre Arme legten sich um mich, und ich brach in ihren Armen zusammen, während die Schuldgefühle wie eine Flutwelle über mich hinwegrollten.

„Schhh, mein Kind," sagte sie leise, ihre Stimme ruhig, obwohl sie selbst mit den Tränen kämpfte. „Das ist nicht deine Schuld. Der Junge reitet sich immer selbst in so etwas hinein... Gib dir keine Schuld dafür." Ich nickte schluchzend und vergrub mein Gesicht in ihrem Kopftuch.

Der Kollege von O.G. trat einen Schritt näher, legte eine Hand beruhigend auf ihre Schulter und nickte mir zu, als ob er mir versichern wollte, dass es jetzt um mehr ging als nur um Schuldzuweisungen. Wir alle standen vor einem Abgrund, aber in diesem Moment war es ihre verzeihende Umarmung, die mir zeigte, dass wir es irgendwie durchstehen könnten.

 Wir alle standen vor einem Abgrund, aber in diesem Moment war es ihre verzeihende Umarmung, die mir zeigte, dass wir es irgendwie durchstehen könnten

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Ein Junge von der Straße | O.G.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt