Kapitel 33:

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Auf dieser Spendengala - die ironischerweise dafür abgehalten wurde, damit die Superreichen von einem wirklich sehr teurem und viel zu großen Buffet aßen und sich gleichzeitig darüber freuten was für gute Menschen sie doch waren, kaum ein Zehntel ihres Vermögens an eine Kinderhilfsorganisation in Afrika gespendet zu haben - wurde mir eines sehr schnell klar:
Es gab die Art von Reichen, die damit frönten Glück zu haben und es gab die andere Art von Reichen, denen das Schwarz ihres Anzuges in die Seele überging.
Wir als Vertreter der Tooru-Familie gehörten ohne Zweifel zu Letzteren.

Als wir den großen Saal betraten, wusste ich kaum, wo ich zuerst hinschauen sollte. Von der Decke schaukelten massive Kronleuchter, deren Edelsteine im Licht funkelten. An einer langen Seite unter herrschaftlichen, europäischen Portraits stand das riesige Buffet mit zugegeben wirklich hinreißend dekorierten Häppchen und diese Menschen!
Noch nie zuvor hatte ich so viele Menschen gesehen, die aussahen, als wären die Paradebeispiele der reichen Familie aus jeder zweiten Dramaserie.
Ein wenig verstand ich nun wieso am Tag zuvor eine Reihe von Menschen diesen riesigen Kleiderständer in mein Zimmer geschleppt hatten.

Meine Familie war niemals reich.
Koko und ich hatten uns sogar über Jahre hinweg Klamotten geteilt, aber bis zu diesem Tag fand ich das nie so schlimm. Meine Sachen fand ich größtenteils hübsch und ich besaß für jeden Anlass mindestens ein passendes Stück, nur als ich dann diese Kleider auf dem Ständer gesehen hatte, dachte ich zum ersten Mal, dass ich vielleicht doch etwas in meinem Leben verpasst hatte.
Teure Kleider...
Von mindestens fünf der Designer, die auf den Emblemen der Kleider verewigt waren, hatte ich noch nie gehört, aber sicher war, dass sie wirklich... schick waren. Sehr schick sogar.
Nach einiger Überlegung entschied ich mich jedoch eher für ein schlichten weißen Zweiteiler, da etwas unauffälliges sicherlich zu meinem Vorteil sein könnte.
Auch Ling, die sich kurzzeitig zu meiner stilistischen Beraterin hochgearbeitet hatte, lobte meine Geistesgegenwärtigkeit und lieh mir anschließend noch einen dicken weißen Haarreif.
Trotzdem fühlte ich mich in der Masse von reichen Menschen, fast schon wieder underdresst.

»Hach, wie schön mal wieder den Duft von Not und Elend zu atmen.« seufzte mein Großvater, der flankiert von Doriko und mir, seine ersten herrschaftlichen Schritte in den Saal machte, während sein Stock ganz alleine seine Anwesenheit kundtat.
»Also ich rieche nur Unmengen an teurem Parfüm.« murmelte ich zu niemand bestimmten und betrachtete eine Frau in rotem Seidenkleid, die an uns vorbeirauschte und einen anstrengenden Duft von Zimt und etwas bitterem hinterließ.
Doriko schnaubte abwertend, als würde mein Kommentar ihn persönlich beleidigen. Wahrscheinlich beleidigte ihn bereits meine pure Anwesenheit persönlich.

Das Monster war inzwischen bereits von einem Mann mit auffälliger Narbe über dem Mund und schwarzem Anzug aufgehalten worden, was Doriko dazu veranlasste in größeren Schritten von mir weg und ihm hinterher zu eilen.
Mit fiel auf, dass die Reichen sich untereinander kaum beachteten. Auch meinen Großvater ignorierten sie.
Vielleicht war er gar nicht so ein großer Fisch wie ich ich vermutet hatte. Oder er gehörte einfach zu der falschen Sparte von Leuten...
Jemand rempelte mich von der Seite an und riss mich aus meinen Gedanken.

»Ah, Verzeihung.«
Eine junge Frau mit hellblonden Haaren in einem sehr tief ausgeschnittenem dunkelblauen Kleid sah mich kurz erschrocken an und schoss ohne sich noch einmal umzudrehen davon aus meinem Sichtfeld.
Wie unhöflich...
Ich gesellte mich schließlich zu meinem Großvater, wo Doriko gerade aufgeregt eine Hand hob, um einen weiteren Mann zu uns rüber zu rufen.
»Das ist Feng Zhang.« flüsterte er seinem Vater zu und ich betrachtete den Mann, der jetzt auf uns zu kam, noch einmal eingehend.
Dünnes, ergrautes Haar, etwas krumme Haltung, sein kleiner Finger der rechten Hand fehlte.
Um ehrlich zu sein, auf den ersten Blick wirkte er nicht, wie jemand, der als „vielversprechender Geschäftspartner" rüberkam. Mehr wie ein Gangster, den man unter Protest in einen Anzug gezwängt hatte, doch mein Großvater gab ihm fast schon überfreundlich die Hand und setzte sofort dieses schleimige Lächeln auf, wie er es schon vorher bei mir so gerne getan hatte.

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt