Kapitel 35:

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Kalter Schweiß lief mir über das Gesicht, als ich panisch die Augen aufschlug.
Ein Albtraum.
Und wie bei jedem meiner Albträume wurde ich schonmal subtil auf mein Lebensende hingewiesen.
In diesem Traum stachen alle fünf Mitglieder des Hauptzweiges und Hikaru einzeln auf mich ein. Immer mit demselben Katana, das mir vage bekannt vorkam. Im Uhrzeigersinn reichten sie es rum. Als mein Großvater es in die Hände bekam, schaute er bekümmert auf meine sterbende Gestalt, als wäre ich die Ausgeburt seiner ganzen Enttäuschung.
»Du solltest nur eine Regel befolgen, werte Enkelin.« säuselte er, dann holte er aus und ich wachte auf.
Leider spiegelten solche Träume ja immer gerne Geschehnisse vom Vortag wieder und tatsächlich war ich nur kurz und knapp einem solchen Angriff mit einem solchen Katana entkommen. Nur waren es nicht alle fünf oder gar Hikaru (der meinen Tag gestern nicht unbedingt verbessert hatte), die auf mich losgegangen waren, sondern in Wahrheit nur ein Einzelner.
Doriko.
Und hier wäre wohl die geeignete Stelle, um meinen zweijährigen Masterplan und die Entwicklungen des letzten Jahres insbesondere, noch einmal Revue passieren zu lassen.

Ich besaß genau drei Schlüsselfiguren.
Ling, Tomomi und Hikaru waren alles, was ich benötigt hatte, um in der Tooru Familie zu der Stellung zu gelangen, die mein Großvater sich so sehr von mir gewünscht hatte:
Seine legitime Erbin.

Ling gehörte zu der Toru-Truppe unter Taro Yamada, der dafür bekannt war gerne nur Gefächte auf der Gewinnerseite zu führen.
Wenn es einen Kampf oder Auftrag gab, bei dem seine Truppe nicht mit 99,9%er Gewissheit siegreich zurückkehrte, nahm er diesen auch gar nicht erst an.
Dieses Lebensmotto passte auch auf seine Innerfamiliären Ansichten.
Nach meinem Eintreffen und der Verkündung, dass ich als Akitos Tochter nun die Großerbin und erklärte Lieblingsenkelin war, regten sich bei den meisten der 200 Mitglieder verständlicher Weise Verwirrung und Irritation.
Diejenigen, die sich schon seit Jahren entweder bei dem dümmlichen und naiven erstgeboren Bruder eingeschleimt hatten, kamen sich nun ihrer Stellung und Mühe beraubt vor und diejenigen, die dasselbe beim faulen, zweitgeborenen Bruder getan hatten - in der Hoffnung man könnte den Gerüchten Glauben schenken, er bewahre seinen Intellekt für den passenden Augenblick auf, um schließlich seinen Bruder zu stürzen - wussten nun, dass es auch noch eine dritte, bessere Chance gab an Macht zu gelangen.

Diese Veränderung der Hierarchie im obersten Rang dieser Familie betraf auch Taro Yamada, der bisher ein treuer Schuhlecker von Doriko gewesen war. Gut für mich war dabei zudem, dass Ling eine seiner angesehensten Untergebenen war und er ihre Einschätzung bei den meisten Dingen durchaus wertschätzte.
Er war der Erste, der mir zusagte mich persönlich vor Clan-Streitigkeiten zu schützen und damit besaß ich zumindest schon einmal 50 fähige Männer und Frauen hinter meinem Rücken.
Die anderen zwei Kommandanten von Großvaters hauseigenen Schlägertruppen waren natürlich Aiko Ichiro - Hikarus Ex - von der Hyō-Truppe und Todame Gotanda von der Raion-Truppe.

Aiko Ichiro war ebenfalls steife Anhängerin von Doriko und blieb auch genauso steif an seiner Seite, als sich die Machtpole verschoben. Vielleicht mochte sie mich nicht, aber ob es an meiner Beziehung zu Hikaru lag, oder an etwas ganz anderem, konnte ich nicht ganz sagen. Sie war jedenfalls unerbittlich und ging sogar soweit vollkommen offen zu verkünden wie sehr sie hinter Doriko stünde.
Vielleicht war sie ja auch in ihn verliebt, wer weiß?

Todame Gotanda hingegen war ein Mann von dem man nie ganz wusste, was in ihm vorging. Deswegen war sich auch niemand so sicher, weswegen genau er immer mit Saito Tooru verkehrte.
Saito kam mir immer am wenigsten gefährlich von allen aus dem Hauptzweig vor. Nach Nagisa Hiro, seiner Verlobten natürlich, die sich immer wie ein scheues Reh verhielt und jedes Mal zusammenzuckte, wenn sie einen der Kämpfertruppen mit Waffen, zerrissener Kleidung oder - Gott bewahre - Blut antraf.
Oder wenn sie neben ihrem Verlobten saß.
Wie sich aber schon nach Lings und meiner etwas unterbrochenen Vier-Monats-Beschattung herausstellte: Dieser Mann war böse.
Nicht auf dem Level des Monsters, aber ich fand der Titel „schwanzgesteuertes Arschloch" passte schon ziemlich hervorragend.
Er besaß eine Vorliebe dafür in teure Hostess Clubs zu laufen und eine noch größere mit einer fremden Frau wieder rauszulaufen.
Meine Theorie war, dass Nagisa davon durchaus wusste, aber er sie irgendwie abhielt von ihm wegzulaufen.

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt