Auge um Auge

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Robin

Ich habe als Kind Ballett getanzt. Ich war weder sonderlich gut, noch hat es mir großen Spaß gemacht, doch Crocodile bestand darauf, dass ich ein Hobby bräuchte und beim Ballett durfte ich wenigstens süße Kostüme tragen, also entschied ich mich dafür. Es mangelte mir weder an Körperhaltung, noch Ausdauer, noch Lernbereitschaft. Mein Problem, so die Tanzlehrerin damals, sei, dass ich zu theoretisch an die Choreo ginge. Sie sah keine Freude, die Kinder ihrer Meinung nach beim tanzen verspüren sollten. Ich verstand ihre Herangehensweise nicht. War die Hauptsache nicht, dass ich die Choreo beherrschte?

Die Worte meiner Lehrerin trieben mich an, als wären sie eine Herausforderung. Mit einen Mal verspürte ich das Verlangen sie vom Gegenteil zu überzeugen und immer besser zu werden.

Mit 16 tanzte ich meine erste Hauptrolle, als Clara in 'Der Nussknacker'. Noch wenige Stunden vor der Aufführung hatte ich einen heftigen Streit mit Crocodile. Dass ich aber auch ausgerechnet kurz vor Weihnachten erfahren musste, wer mein Waisenhaus damals in Brand gesteckt hat.
Seine standart Argumente "Es ging dir dort nicht gut" und "Sie haben es nicht anders verdient" wiederholten sich in der ganzen Diskussion.
,,Du bist krank im Kopf! Wäre ich bloß nie mit dir mitgekommen!", schrie ich ihn an.
,,Robin!", rief Crocodile und versuchte mich am Arm festzuhalten, doch ich wich von ihm weg.
,,Fass mich nicht an, du Mörder. In diesem Waisenhaus waren auch Unschuldige. Wie kannst du es wagen meine Familie zu töten und dann von mir zu verlangen dir zu verzeihen? Ich hoffe du verreckst elendig. Ich hasse dich!"
Ich stürmte in mein Zimmer und riss eilig wahllos Klamotten aus meinem Schrank. Crocodile kam hinterher und sah mir kritisch zu.
,,Wo willst du hin?"
,,Mir egal. Hauptsache weg hier. So weit weg von dir wie nur irgendwie möglich!"

Ich stopfte meine Sachen in meinen einzigen Koffer und nahm das Clara Kostüm, das frisch gewaschen in einem Kleidersack an meiner Tür hing, über meinen Arm.
Als ich das Zimmer verlassen wollte, stellte Crocodile sich mir in den Weg.
,,Lass mich gehen, ich habe gleich eine Aufführung!"
,,Und da fahre ich dich sogar höchstpersönlich hin, wenn du sofort deine Sachen wieder auspackst und mir zuhörst!"
So ein Schwachsinn. Ich habe ihm die letzten zwei Stunden zugehört und nichts als Ausreden und weitere Lügen herausfiltern können. Wütend presste ich mich an ihm vorbei aus dem Zimmer und ging schnell auf die Wohnungstür zu.
,,Ich warne dich, Robin. Wenn du jetzt gehst, brauchst du gar nicht wieder zu kommen!"
,,Gut!", antwortete ich und ging.

Ich öffnete meine Augen und betrachtete den roten Vorhang, der genauso einengend auf mich schien, wie er es damals tat, als ich als Clara auf der Bühne darauf wartete all meine Energie in eine kleine Aufführung zu stecken, so als ob ich nicht gerade erfahren hätte, dass der Mann, dem ich in meinem Leben am meisten vertraut hatte, mein Waisenhaus in Brand gesteckt hat. Damals wie heute hörte ich die aufgeregten Stimmen aus dem Zuschauerraum über das Rauschen in meinen Ohren hinweg und versuchte das Gefühl der Hilflosigkeit zu überspielen.

Und trotz der Sache mit Crocodile beneidete ich die 16 Jährige Robin. Sie stand hinter diesem Vorhang und war bereit sich selbst unter Beweis zu stellen. Ich hingegen hatte kein Ballett zu tanzen. Ich war mit den Handgelenken an die Armlehnen eines Stuhls gekettet und von Folterinstrumenten umgeben, die nur andeuten konnten was als nächstes mit mir passieren würde. Neben mir stand ein Kerl, gekleidet in mittelalterliche Folterknecht Kleidung, was wohl als makaberer Scherz zu beurteilen war. Der Vorhang hob sich und ich versuchte rational zu bleiben, selbst als das Scheinwerferlicht mich traf und Raunen durch das Publikum ging. Der Folterknecht kniete sich mit einem IPad neben mich und zeigte mir den Homescreen.
,,Worauf auch immer das meiste geboten wird, werde ich mit dir machen. Irgendwelche Präferenzen?"
,,Gesicht abschneiden klingt doch gut. Wie genau machst du das?"
,,Quasi so, wie ich einen Menschen häuten würde, aber halt im Gesicht. Das passiert mit einem feinen Messer, wie zum Beispiel einem Skapell und deine Augenpartie würde ich aussparen."
Oh, okay, super. Das gefällt mir. Ich werde also gehäutet, vorausgesetzt etwas anderes wird nicht überboten. Ja, da war die Nussknacker Aufführung wirklich um einiges angenehmer.

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