Kapitel 100

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العلاج هو نهر هادئ يلامس أعماق الروح المخفية ويشفي الجروح التي نسيها عصف الزمن.

[Therapie ist ein leiser Fluss, der die versteckten Tiefen der Seele berührt und Wunden heilt, die der Sturm der Zeit vergessen ließ.]

Sicht Yunus El-Karam:

Seit Tagen sind wir nun wieder in unserem Zuhause und es fühlt sich gut an, die Nachrichten verarbeitet und die Routine gefunden zu haben. Der Termin beim Frauenarzt oder besser gesagt, bei der Frauenärztin hat uns bestätigt, dass sie in der 12. Schwangerschaftswoche ist.
Der kleine Bauchansatz ist jetzt deutlich erkennbar, und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, durchströmt mich eine tiefe Freude.
Die Realität, dass wir bald Eltern sein werden, rückt immer näher.

Doch so sehr ich mich auch auf die kommenden Monate freue, spüre ich auch, dass sie ihre therapeutische Behandlung wirklich braucht.
In den letzten Tagen habe ich gemerkt, wie sehr ihr die Gespräche helfen, wie sie ihr die nötige Stabilität und Unterstützung geben, um mit den Veränderungen, körperlich wie emotional, umzugehen.
Deshalb warte ich gerade geduldig, während sie sich im Schlafzimmer fertig macht, damit wir loskönnen.

Ich höre, wie sie sich langsam anzieht, das Rascheln ihrer Kleidung, dass sanfte Klacken des Schminktisches.
Sie nimmt sich Zeit, was ich gut finde.
Diese Termine sind wichtig, und ich will, dass sie sich vorbereitet und wohlfühlt.
Ich denke darüber nach, wie stark sie ist in all dem Unglück, aber auch in den Herausforderungen, die die Schwangerschaft mit sich bringt.

Draußen scheint die Sonne durch die Fenster, und ich atme tief durch.
Wir sind gemeinsam auf dieser Reise, und ich weiß, dass wir jeden Schritt davon bewältigen werden, in shaa Allah.

Sicht Yameena El-Karam:

„Und hast du irgendwelche Art von Beschwerden?" fragt mich die Therapeutin mit ruhiger Stimme, die fast schon zu freundlich wirkt.

Ich schüttele nur den Kopf.
Es ist ein reflexhaftes Nein, nicht weil es stimmt, sondern weil ich nicht sicher bin, ob ich wirklich bereit bin, dass alles mit ihr zu teilen.
Ob sie verstehen könnte, was in mir vorgeht.

„Wie wäre es, wenn du mir erzählst, wie alles angefangen hat?" schlägt sie vor, ihre Stimme bleibt sanft, fast ermutigend.
„Es muss nicht detailliert sein, nur grob."

Mein Blick schweift hinaus zum Fenster, wo die Herbstblätter im Wind tanzen.
Draußen sieht alles friedlich aus, ruhig, als gäbe es nichts, was diesen Moment stören könnte. Aber in mir sieht es anders aus.
In mir tobt ein Sturm, ein Wirbel aus Gedanken und Gefühlen, den ich nicht einfach loswerden kann.

„Ist es nicht besser, langsam zu heilen, als immer wieder zu bluten?" fragt sie sanft.

Ihre Worte treffen etwas in mir, lassen etwas in mir vibrieren, aber ich kann es noch nicht greifen.
Sie fährt fort, als hätte sie gespürt, dass etwas in mir in Bewegung gekommen ist:
„Wie ich sehe, bist du schwanger.
Herzlichen Glückwunsch übrigens."
„Dankeschön." murmele ich leise, kaum hörbar.
„Denk an die Zukunft." sagt sie und lehnt sich zurück.
„An dich und dein Kind."

Ich atme tief durch, fühle, wie die Worte in mir aufsteigen, schwer und bedrückend, doch ich lasse sie endlich heraus.
„Es hat alles in der siebten Klasse angefangen..." beginne ich, meine Stimme etwas brüchig.

„...ich war nie besonders beliebt bei den meisten Mädchen." fahre ich fort und spüre, wie die Erinnerungen mich einholen.
„Schon als Kind habe ich eher mit Jungs gespielt Cousins, Bruder, mein Ehemann.
Die Mädchen waren immer eifersüchtig, wollten mich nicht dabeihaben. Also blieb ich bei den Jungs, was eigentlich auch nie ein Problem war."

Verlorene Seelen:Ein Weg durch die DunyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt