Kapitel 91

471 33 35
                                    


يحمل الحقيقة بين يديه، لكنها من ضوء خادعٍ منسوجة.

[Er trägt die Wahrheit in seinen Händen, doch sie ist aus trügerischem Noor gewebt.]

Sicht Yameena El-Karam:

Zuvor:


Für einen Moment sagt er nichts.
Die Stille zwischen uns dehnt sich aus, während er mich mustert.
Dann schüttelt er kaum merklich den Kopf und atmet tief durch.
„Du weißt, dass ich es merke, oder?" sagt er leise, nur mit dieser klaren Gewissheit in seiner Stimme.
Er kennt mich zu gut, um auf meine Ausflüchte hereinzufallen.

„Was m...merkst du?" frage ich ihn mit zitternder Stimme.
Die Worte brennen mir auf der Zunge, während ich hoffe, dass er nicht das mit dem Laufband herausgefunden hat.

„Das ich dich gestern so verletzt habe, dass du deswegen nicht schlafen konntest." sagt er ruhig,  und in diesem Moment fällt mir ein riesiger Stein vom Herzen.
Das klingt besser, als wenn er gesagt hätte, ich habe dein Laufband im Keller entdeckt und meine ganze Mühe und Arbeit dir zu helfen war umsonst.

„Ja, genau... konnte einfach deswegen nicht schlafen." antworte ich schnell und hoffe, dass er es schluckt.
Schließlich war das der eigentliche Grund, warum ich mitten in der Nacht trainiert habe.

„Es tut mir leid, ya Albe." sagt er sanft und seine Stimme klingt voller Wärme und Sorge.

„Alles gut." erwidere ich knapp, meine Stimme leiser als ich beabsichtigt hatte.
Ich will nicht, dass er merkt, wie erschöpft ich wirklich bin.

„Komm, steh auf. Wir machen uns was zu essen." schlägt er mit einem Hauch von Enthusiasmus vor, steht auf und nimmt mit seiner Bewegung die Wärme mit, die sein Körper ausgestrahlt hat.

„Ich habe gerade noch gegessen... ich kann wirklich nicht mehr." sage ich müde, meine Augenlider schwer.
Doch eigentlich will ich nur sehen, wie lange ich ohne Essen durchhalten kann.

Er runzelt die Stirn und fragt skeptisch: „Wann hast du bitte gegessen?"

„Bevor du gekommen bist... zwei Brote. Ich bin so satt." sage ich gespielt beiläufig und zwinge mich zu einem übertriebenen Gähnen, um meine Lüge zu untermauern.

„Tamam, wenn du das sagst, dann glaub ich dir." antwortet er nach einem Moment und verschwindet Richtung Küche.

Er glaubt mir, ohne nachzuhaken?
Eine bittere Mischung aus Erleichterung und Schuld breitet sich in mir aus.
Ich missbrauche sein Vertrauen, und das tut weh.

Ich hasse mich dafür.

Während Yunus in der Küche beschäftigt ist, nutze ich die Gelegenheit, meinem Vater eine Nachricht zu schreiben.
„Ich vermisse dich." tippe ich, während meine Finger leicht über den Bildschirm gleiten.
Ich zögere, überlege, ob ich noch mehr schreiben soll, aber irgendwie fühlt sich das schon richtig an.
Es ist nicht so, dass ich meine Mutter weniger vermisse, niemals würde ich das sagen.
Aber die Beziehung zu meinem Vater war immer anders, irgendwie einzigartig.
Er war meine erste Liebe, in einer ganz besonderen Weise, und Yunus ist meine letzte.

Nachdem ich die Nachricht abgeschickt habe, starre ich noch einen Moment auf den Bildschirm meines Handys.
Die drei kleinen Punkte erscheinen kurz, er hat es gelesen.
Doch keine Antwort.
Wahrscheinlich ist er bei der Arbeit, beschäftigt, wie immer. 
Trotzdem fühlt es sich merkwürdig an, so still von ihm zu hören.
Ich seufze leise und lege mein Handy beiseite, versuche, mich zu erheben um mich oben bisschen frisch zu machen.

Verlorene Seelen:Ein Weg durch die DunyaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt