11. Kapitel

795 42 16
                                    

~Die versteckte Tür~

"Carana! Carana, komm her!", rief Ori und wedelte wild mit den Armen. Er stand an dem Felsplateau und winkte mir zu. Vor mir gingen noch ein paar andere.
"Was ist denn los?"
"Die Tür! Bilbo weiß, wie man die Tür öffnet!"
Bilbo wusste wie man die Tür öffnet? Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. "Leute, Bilbo weiß, wie man die Tür öffnet! Kommt!", rief ich, als hätten sie Ori nicht selbst hören können. Aber in unser allgemeinen Euphorie war ich nicht die Einzige, die seine Worte widerholte.
Ich rannte den schmalen Sims entlang und musste gegen Ende langsamer werden, weil ich sonst womöglich das Gleichgewicht verloren hätte und Kili hätte mich fast umgerannt, weil bremsen anscheinend nicht seine Stärke war.
Aber dann erreichte ich das Plateau.
Bilbo stand mit der Karte in der Hand vor der Tür und drehte sich mit einem strahlenden Lächeln zu uns um. Diana stand neben ihm und strahlte mindestens genauso stolz. „Bilbo hat herausgefunden, wie man die Tür öffnet!", wiederholte sie Oris Nachricht.
Ich stolperte aufgeregt zu Ihnen. „Und? Und wir geht es?", fragte ich aufgeregt. Ich konnte den Blick nicht von der Tür abwenden. Bald war es so weit, wir würden den Berg betreten! Endlich!
Plötzlich rauschte Thorin ohne Rücksicht auf Verluste an mir vorbei und schubste mich fast aus dem Weg. Ich stolperte rückwärts, aber Ori hielt mich freundlicherweise am Arm fest, sodass ich nicht umfiel, aber Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Thorin und Bilbo anzustarren, um ihm zu danken.
„Was hast du herausgefunden?", verlangte Thorin sofort zu wissen. So langsam kamen auch die anderen angehetzt - abgesehen von mir und Kili. Einer nach dem anderen betrat den Felsen.

„Ihr erinnert euch an die Worte auf der Karte? Die Lord Elrond uns übersetzt hat?", fragte Bilbo. Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Und wenn ich in die Gesichter der Anderen schaute, waren die meisten von ihnen ahnungslos.
Nur einige wenige, wie Balin, schienen sich zu erinnern. „Du hast das Rätsel gelöst?", fragte Balin und sah ihn erwartungsvoll an.
„Nun, es war kein großes Rätsel."
„Und doch hast du einige Tage dafür gebraucht." Bilbo warf Dwalin einen vorwurfsvollen Blick zu. „Immerhin habe ich es gelöst."
„Nun, sag uns doch einfach, was du weißt, Meisterdieb", unterbrach Thorin. Ich konnte nur zustimmen. Sie sollten diese Tür öffnen.
„Wir müssen warten bis zum letzten Strahl des Durintages. Der bekanntlich heute Abend ist." Sofort brach Unruhe aus. Es war bereits später Nachmittag. Uns blieb kaum noch Zeit. „Und seht ihr diese Drossel dort?" Er deutete auf eine alte Drossel, die auf einem Felsen saß und ein Schneckenhaus gegen den Stein schlug. „Stellt euch an den grauen Stein, wenn die Drossel schlägt und der letzte Sonnenstrahl am Durinstag auf das Schlüsselloch fällt."
„Das waren Lord Elronds Worte", sagte Balin und nickte wissend, mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.
„Dann nichts wie los, die Sonne geht fast unter." Dwalin ging zur Tür und versuchte sie zu öffnen. „Los, sucht ein Schlüsselloch", sagte Thorin, der den Schlüssel entschlossen in seiner Hand hielt.
Sofort stürmten die Zwerge an mir vorbei und an die Tür und versuchten mit allen Mitteln, ein Schlüsselloch zu finden, wo anscheinend keines war. Einige versuchten sie gewaltsam aufzustemmen, andere schrien, dass ihnen kaum noch Zeit blieb. Aber alles war ein einziges Chaos. So konnte die Tür doch nicht aufgehen. Lag Bilbo womöglich falsch? Ich schaute zweifelnd zu Thorin herüber, aber der schien sich sicher. Er starrte gebannt auf die Tür und verfolgte jeden Schritt.

„Ruhe!", schrie plötzlich jemand in die Runde. Überrascht drehte ich mich zu Diana um, denn ihr gehörte die Stimme. „Bilbo ist noch nicht fertig", sagte sie, als alle verstummten und sich überrascht zu ihr umwandten.
„Ja, eh, danke", sagte Bilbo, der nicht weniger überrascht wirkte, „Ich glaube, wir müssen auf das Mondlicht warten." Er deutete mit dem Finger in den Himmel, aber es war kein Mond zu erkennen.
„Bist du dir das sicher?", fragte Thorin. Bilbo nickte, aber er sah eher unsicher aus. Woher, bei Durins Barte, wusste er das bitte? Selbst wenn man Elronds Worte kannte, der letzte Strahl war doch eindeutig Sonnenuntergang, nicht Mondlicht. Aber Bilbo ließ sich nicht beirren. Er sah unentwegt in den Himmel. „Wartet noch einen Moment."
Angespannt und ungeduldig warteten alle. Man konnte die knisternde Erwartung bereits in der Luft spüren.
Ich hatte das Gefühl, etwas sagen oder tun zu müssen. Es kam mir vor, als ließen wir die Chance verstreichen. Langsam wurde der Mond am Himmel sichtbar und die Sonne sandte ihre letzten Strahlen aus und wir hatten immer noch nichts getan!
Sie versank hinter den Bergen und ich stellte mit Entsetzen fest, dass die letzten Strahlen der Sonne gerade vorüber waren. Damit hatten wir doch zu lange gewartet! Aber bevor ich meinen Gedanken Ausdruck verleihen konnte, rief Bilbo: „Jetzt! Seht doch!"
Die Drossel stieß einen Laut aus und der Mond sandte einen Lichtstrahl auf die Erde. Ein Stück Stein splitterte von der glatten Felswand ab.
„Das Schlüsselloch! Das ist das Schlüsselloch!", rief Diana aufgeregt.
Thorin sprang auf, den Schlüssel in seiner Hand. „Los, probier ihn aus!", rief Dwalin und stand drängend hinter Thorin. Der steckte den Schlüssel in das Loch und drehte ihn um. Es tat sich nichts. Hatte es etwa nicht funktioniert?
Thorin und Dwalin drückten mit aller Kraft gegen die Tür und langsam bröckelten Staub und Dreck aus ein paar Rissen ab und langsam wurde eine Tür sichtbar. Thorin drückte die Tür mit einem letzten tiefen Ächzen komplett auf.
Dahinter gähnende Leere. Aber alles, was zählte war, dass die Tür nun offen war. Vor uns lag der Weg in den Erebor.
Fast ehrfürchtig betrat Thorin den Gang und berührte sanft die Wände des Berges. „Ich kenne diese Mauern. Diese Hallen. Diese Steine", sagte Thorin leise.
Langsam folgten ihm Zwerg für Zwerg, allen voran Balin und Dwalin, die damals mit Thorin im Erebor gelebt hatten.
Es juckte mich in den Füßen loszulaufen und selbst durch die Tür zu gehen, aber ich ließ den anderen den Vortritt. Ich dachte an meinen Vater, der unbedingt mit mir hierher hatte kommen wollen. Ich fasste an meine Kette und umschloss sie fest in einer Faust. Beinahe konnte ich ihn spüren, als wäre er in diesem Moment bei mir um ihn mit mir zu erleben. Vater...Der Moment ist gekommen.
Ich trat hinter Oin durch den Eingang und schaute mich um. Nun ja, im Grunde gab es nichts viel zu sehen.
Dunkle, raue Wände und ein langer Gang der sich in einem dunklen Abgrunds verlor. Balin legte eine Hand auf meine Schulter.
„Sieh dort oben", sagte er und deutete hinter mich. Ich drehte mich um. Über der Tür waren Gravierungen in der Wand. Es sah aus wie ein Thron und darüber waren Strahlen wie von einem Licht.
„Ist das der Arkenstein?", fragte ich leise. Mein Vater hatte mir natürlich viel von dem Königsjuwel erzählt und auch die anderen Zwerge hier hatten es des Öfteren erwähnt.
„In der Tat. Er hing immer über dem Thron. Auch wenn ich befürchte, dass er nun unter einem Drachen begraben ist." Damit erinnerte Balin und alle an den unangenehmen Teil der Reise. Wir waren nicht alleine im Berg. Ich fragte mich, ob der Drache bereits wusste, dass wir hier waren. Vielleicht hatte er uns gerochen oder gehört. Wie weiß wie gut die Sinne eines Drachen sind.
„Das ist also der Arkenstein", sagte Bilbo und schaute hinauf zum Eingang. Wir sahen Bilbo an und dachten wahrscheinlich alle dasselbe.
Nun war der Meisterdieb gefragt. Ich gesellte mich zu den Anderen nach draußen und alle folgten. Hier draußen sprach Thorin das Wichtige an. „Nun kommt der Augenblick...", begann Thorin.
Ich schielte zu Diana hinüber. Sie schaute mit besorgtem Blick zu Bilbo. Verständlich, denn niemand wusste, was ihn dort unten erwarten würde.
Bilbo wusste natürlich auch um seine Aufgabe und er erklärte sich dazu bereit, zu gehen. „Wer kommt mit?", fragte er und schaute hoffnungsvoll durch die Runde. Aber keiner schien besonders erpicht darauf, mit ihm Smaug zu besuchen.
„Ich komme mit dir", meldete sich Diana freiwillig. Das hätte ich mir ja denken können. Ich seufzte leise. Mir blieb wohl keine Wahl. „Ich komme auch mit."
Ich stellte mich neben Diana und Bilbo. Ich konnte Diana nicht alleine gehen lassen. Und vielleicht würden wir uns damit auch ein bisschen von Thorins Anerkennung verdienen.
"Nein, geh nicht", rief Kili plötzlich und schob Bombur aus dem Weg um zu Diana zu kommen.
"Was ist, wenn der Drache wach ist."
"Wie schon,dass du dich auch um mich sorgst", grummelte Bilbo.
Diana schenkte Kili einen liebevollen Blick, aber sie sah nicht aus, als würde sie es sich andere überlegen. "Ich gehe mit ihm, Kili."
"Du brauchst dich nicht zu sorgen, ich werde die beiden nicht mit in die Höhle." "Nicht?" "Ich habe den Ring. Und ihr habt mich als Meisterdieb eingestellt also werde ich sehen was ich tun kann. Ich denke alleine habe ich eine bessere Chance, aber es ist gut zu wissen, dass jemand in der Nähe ist, falls mir etwas zustoßen sollte", erklärte Bilbo.
"Siehst du? Es ist alles in Ordnung", sagt Diana zu Kili, der immernoch unglücklich wirkte.
„Dann wäre das entschieden. Ich begleite euch ein Stück", bestimmte Balin. Also machten wir uns auf den Weg in den Berg.

Balin und Bilbo gingen voran.
Der Hobbit konnte sich erstaunlich gut in der Dunkelheit bewegen und wir anderen führten uns mit der Hand an der Wand entlang und wussten so, in welche Richtung der Weg verlief.
Glücklicherweise war der Weg ziemlich gerade mit einem gleichmäßigen Gefälle. Aber bald blieb Balin stehen, nachdem er uns und Bilbo noch ein paar Tipps gegeben hatte und beschrieb, in welcher Halle das Juwel am ehesten zu finden war.
Wir gingen mit Bilbo weiter und der schwache Schein der Tür verschwand endgültig. Eine Weile liefen wir schweigend durch die Dunkelheit und nur unsere Schritte und schnelle Atmung waren zu vernehmen. Vor allem Diana und ich machten Lärm. Ganz im Gegensatz zu Bilbo, der sich fast geräuschlos bewegte.
In dieser undurchdringlichen Dunkelheit schaute ich mich immer wieder nach einem Licht um, aber nichts. Im Grunde konnte ich mich an nichts als der rauen Wand unter meiner Haut orientieren und das machte mich noch nervöser. Ich kämpfte gegen den Drang an, wieder hinauf zu laufen, so schnell mich meine Beine tragen konnten.
Ich musste hier bei Bilbo bleiben.
Aber glücklicherweise lief es nicht lange so weiter, denn bald tauchte ein orangener Schimmer vor uns auf. „Ein Glühen", wisperte Bilbo und ich konnte nur zustimmen. Wir kamen dem Drachen näher.
Bilbo drehte sich zu uns um. „Lasst mich vorgehen. Ich kann mich leise bewegen und der Drache kennt meinen Geruch nicht. Er wird mich nicht so leicht entdecken. Ihr solltet hier warten."
Ich wäre lieber mitgegangen und hätte mich Smaug gestellt, anstatt hier zu warten. Ich hatte immerhin meinen Bogen dabei und hätte ihn bestimmt verwunden können. Auch ein Drache hatte Schwachstellen.
„Was ist, wenn etwas passiert? Dann können wir dir nicht helfen", sagte Diana ängstlich. „Dann würden wir nur alle sterben. Ich glaube nicht, dass ihr den Drachen groß aufhalten könnt. Wartet hier. Wenn ich Hilfe brauche, schreie ich."
„Wir werden kommen, wenn du uns brauchst", sagte ich, „Nun geh." Er nickte uns zu. „Viel Glück", hauchte Diana ihm hinterher, dann war er verschwunden. Verschluckt von der Dunkelheit und gab keinen Laut von sich. Als würde er nicht mehr existieren.

Wir standen eine gefühlte Ewigkeit herum und ich ließ mich irgendwann auf dem Boden nieder. Wir wagten es jedoch nicht zu sprechen und es war zu dunkel um den anderen zu erkennen, also war ich im Grunde alleine hier. Alleine in der Dunkelheit.
Ich fragte mich, wie es Bilbo erging. Hatte er den Drachen bereits gefunden? Schlafend auf einem Haufen Gold? Und hatte er sich vorbeischleichen können?
Na, das vermutlich schon.
Wenn der Drache erwacht wäre, hätten wir es doch mit Sicherheit mitbekommen. So ein Drache war ja nicht gerade leise. Aber es blieb ruhig.
Meine Gedanken wanderten zu meinem Vater. Er, der hier allgegenwärtig zu sein schien und fast die Präsenz des Drachen verdrängt hätte. Aber der Geruch lag in der Luft und machte es unmöglich, den Drachen zu vergessen.
Mein Vater hatte nicht oft von Smaug gesprochen.
Aber wenn er es tat, sah ich den Hass und die Wut, aber auch den Schrecken in seinen Augen. Ich hatte als Kind natürlich nicht verstanden, wie gefährlich Smaug wirklich sein musste. Irgendwann hatte ich angefangen, Vögel vom Himmel zu schießen.
„Wieso schießt du Vögel, wenn es Wild im Wald gibt?", hatte man mich gefragt. Zwerge waren nie diejenigen gewesen, die in den Himmel geschaut hatten, geschweige denn etwas dort gefunden hatten. Niemandem hatte ich den wahren Grund erzählt, außer meinem Vater. Ihm hatte ich vertraut. Ich hatte mir vorgestellt, einer dieser Vögel sei Smaug und ich würde den großen roten Drachen zu Fall bringen. Lange hatte ich nicht getroffen, aber als ich einen Vogel traf, hatte ich mir genau vorgestellt, in sein Auge zu schießen. Und getroffen. In meinem Kopf war der Drache brüllend zu Boden gestürzt und ich war zum ersten Mal zufrieden mit mir und meinen Schießkünsten gewesen.
Mein Vater hatte nicht verbergen können, dass er beeindruckt gewesen war, aber er hatte mir dennoch eingeschärft, niemals gegen Smaug zu kämpfen. „Kein Mann und keine Frau kann den Drachen alleine besiegen. Wir haben es damals nicht mit einer Horde erfahrener Kämpfer geschafft."
Natürlich, er hatte mir die Geschichte oft genug erzählt. Aber insgeheim hatte ich dennoch weiter darauf gebaut, einmal gegen ihn zu kämpfen. Mein Vater hatte es irgendwann akzeptiert, weil er meinen Ehrgeiz und meine Kampfkünste schätze. Und er war der Einzige, auf den ich vielleicht gehört hätte, wenn er nur intensiv dabei geblieben wäre.
Mittlerweile weiß ich, weshalb er aufgehört hatte, es mir auszureden. Er hatte nie vorgehabt zum Berg zu kommen, solange Smaug lebte.
Aber er hatte fest daran geglaubt, dass Durins Volk den Erebor zurück gewinnen würde. Es tat mir leid, dass er es nicht miterleben konnte.
Jetzt war ich hier, und ich war bereit, gegen den Drachen zu kämpfen. Meine Hand strich über den Bogen. Ich war besser als damals.
Sicher, ich war nicht dumm. Ich wusste ja, dass ich nicht alleine in die Höhle stürmen würde. Aber sollte der Drachen hinaus kommen, sollte er es wagen uns anzugreifen, und sollte Thorin uns den Befehl geben, dann würde ich ihn angreifen.
Ich würde dem Drachen einen Pfeil in sein Auge schießen. Und wenn er den Mund aufriss, um Feuer zu speien, würde ich auch in seinen Mund zielen. Seine Schwachstellen. Dort hatte er keinen Panzer um sich zu schützen. Und dann würde er zu Boden gehen und sterben.

Die Sonne wird wieder für uns scheinen (Fili FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt