"Kristoff?", rief die Prinzessin durch die Ställe. Sie hatte den Blondhaarigen schon überall gesucht, so lange, dass nun schon das Mittag bevorstand.
"Ja?", kam es da aus der hinteren Ecke am Ende des Ganges.
Wenn man ihn sonst nirgends findet, sollte man bei Sven suchen. Dort ist er eigentlich immer., vermerkte sich Anna, mit einem leichten Schmunzeln, in Gedanken.
Sie ging dorthin, wo der Ursprung seiner Stimme war, und fragte ihn etwas leiser: "Hast du Elsa heute schon gesehen?"
"Nein. Wieso?"
"Ich weiß nicht... Sie ist den ganzen Tag nicht aufgetaucht. Niemand, den ich gefragt habe, hat sie gesehen. Nicht, dass ihr etwas zugestoßen ist... Ich mache mir Sorgen.", erklärte die rothaarige Frau.
Mittlerweile war Kristoff vor sie getreten und schaute sie mitfühlend an.
"Vielleicht will sie nur ihre Ruhe. Es ist viel passiert in den letzten Wochen. Ihr komplettes Leben hat sich verändert... Und unser Leben."
Zärtlich setzte der Blonde einen Kuss auf die Haare der Prinzessin.
"Aber wenn du dir so sehr Sorgen machst, kannst du doch zu ihrem Zimmer gehen und nachsehen.", schlug er vor.
Stimmt... Daran habe ich, in all der Aufregung, noch gar nicht gedacht.
Sie nickte lächelnd und lief aus dem Stall.
An Elsas Zimmer hielt sie an und klopfte höflich. Auch, wenn sie ihre Schwester war, hatte Anna sich an die höfischen Regeln zu halten. Schließlich war Elsa keine einfache Prinzessin mehr. Sie war nun die Königin von Arendelle und man durfte daher nicht, ohne sich vorher angekündigt zu haben, eintreten.
Schläft sie noch?, fragte sich Anna, als nach einer geraumen Wartezeit noch immer keine Antwort ertönte.
Nein. Elsa war noch nie ein Langschläfer.
Sie klopfte erneut.
Wieder geschah nichts.
Da beschloss die Prinzessin, sich zu gestatten, das Zimmer zu betreten.
Es war leer. Keine Elsa. Nicht einmal eine Spur dafür, dass dies hier überhaupt das Zimmer ihrer Schwester war. Natürlich erkannte Anna die hellen Wände, den großen Spiegel, das Gemälde ihres Vaters und die reich verzierte Truhe daneben wieder, doch es sah so leblos aus. Alles um sie herum war perfekt aufgeräumt und gesäubert. Sogar der königliche Schreibtisch, auf dem für gewöhnlich Berge von Pergamenten und Schriftrollen lagen, war fast leer. Nur einige Briefe befanden sich darauf.
Neugierig, was das alles wohl zu bedeuten hatte, ging sie um den Tisch herum und nahm die Briefe in ihre Hand. Jeder einzelne war mit einem Namen versehen. An meinen treuen Diener Kai, stand auf dem Ersten.
Anna nahm die Nächsten hervor. Olaf, Kristoff und Sven. Für jeden von ihnen war einer dabei.
Die Prinzessin legte die restlichen Umschläge beiseite. Nun hielt sie nur noch den Brief mit ihrem Namen darauf in den Händen.
Ist sie wieder auf den Nordberg gegangen?, huschte es ihr durch den Kopf.
Was wirklich geschehen war, konnte sie nur in Erfahrung bringen, wenn sie den Umschlag öffnete und die Zeilen in seinem Inneren las.
Ihre Hände zitterten leicht, aus Angst, Elsa wieder verloren zu haben. Zaghaft öffnete die Prinzessin den Brief und begann zu lesen:
Anna,
Mit schweren Herzen schreibe ich diese Worte. Ich will, nein ich muss dich ein weiteres Mal verlassen.
Ich kann dir nicht sagen, wohin ich gehe und auch nicht, warum, aber ich sage dir, dass es mir selber schmerzt. Zu gern hätte ich weiter mit dir in unserem Schloss gelebt und mit angesehen, wie du und Kristoff glücklich werdet, doch das ist mir leider nicht gewährt.
Ich weiß auch nicht, wann oder ob ich je wiederkehren werde, denn das zu entscheiden, liegt nicht bei mir.
Ich bitte dich nur, kümmere dich während meiner Abwesenheit gut um Arendelle und werde glücklich. Mein treuester Berater Kai wird dir immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Sicherlich hast du bereits die anderen Briefe bemerkt. Händige sie bitte den Personen aus, deren Name auf den Umschlägen stehen.
Es tut mir so unglaublich leid.
Elsa
Während die junge Frau diese Zeilen las, stiegen ihr die Tränen in die Augen, bis sie diese nicht mehr halten konnte. Elsa hatte sie wirklich verlassen und würde vielleicht nie mehr zurückkehren...Sie spürte seine warme Hand, die ihre eigene sanft umschloss. Soviel Zärtlichkeit strahlte diese aus... Trotzdem hatte Elsa ihre Augen fest geschlossen, als sie das Portal durchquerten und merkte somit auch nicht, dass sie es längst wieder verlassen hatten.
"Elsa. Du kannst deine Augen wieder öffnen.", meinte Jack, der ihre Hand mittlerweile losgelassen hatte, "Wir sind da."
Vorsichtig blinzelnd schaute sie sich um. Irgendwie hatte sie sich den Nordpol anders vorgestellt... Viel... weihnachtlicher.
Die junge Hüterin stand neben dem Wintergeist und blickte auf einen schlichten, in weiß und blau gehaltenen, Raum. Es gab nichts, das auch nur im Entferntesten mit dem fröhlichen Fest zu tun hatte.
Wo sind wir hier? Ich glaube nicht, dass das hier der Nordpol ist. Wo hat mich Jack hingebracht?
"Elsa! Alles okay?", riss sie ein besorgter Hüter aus ihren Gedanken.
"Hm? Ja, ja... Alles in Ordnung.", beruhigte sie ihn.
"Ist das hier der Nordpol?"
Der Wintergeist lächelte verlegen.
"Ja, aber nicht der offizielle Teil. Das hier ist mein Zimmer."
Verblüfft schaute die Königin ihn an.
"Dein... Dein Zimmer? Du wohnst hier?"
"Ja.", gab er zurück, während er noch immer von einem Bein auf das andere trat, "Aber jetzt solltest du deinen Raum sehen. Folge mir."
Jack Frost packte Elsas Koffer und ging schnellen Schrittes auf den, rot-grün gestalteten, Flur.
Das sieht schon eher weihnachtlich aus., bemerkte sie.
"Dein Zimmer ist hier gleich nebenan. Ich hoffe, es gefällt dir.", redete er ununterbrochen weiter, lief zu einer weiß verzierten Tür und stieß diese auf.
Der Hüter bedeutete ihr, einzutreten, was Elsa auch sofort tat.
Auch dieses Zimmer war in winterlichen Farben gestaltet, doch man erkannte schnell, dass hier eine Frau wohnen sollte. Viele kleine Verzierungen und Schmuckgegenstände sowie ein großer Kleiderschrank und ein Spiegel zierten den Raum. Er war bei weitem nicht so schlicht, wie der von Jack.
"Und? Wie findest du ihn?", wollte der Wintergeist, der noch immer mit ihrem Koffer in der Tür stand, wissen. "Ich weiß, er ist nicht so geräumig, wie du es gewohnt bist..."
"Nein, nein. Er ist wirklich schön!", lächelte Elsa. Hier konnte sie sich wirklich vorstellen, zu bleiben.
"Das freut mich."
"Sagtest du nicht, es gibt noch mehr Hüter? Warum sind sie nicht hier?", wollte sie wissen.
"Das hier ist dein Raum, dein Rückzugsort. Niemand von uns betritt ihn, wenn du es nicht willst. Außerdem dachte ich, dass du nicht sofort überrumpelt werden möchtest. Sie können ganz schön überschwänglich sein, musst du wissen.", grinste Jack verschmitzt.
Wie süß er sich um mein Wohl sorgt...
"Danke. Das ist nett von dir, aber du musst nicht im Türrahmen stehen bleiben.", lachte sie, "Komm doch rein"
Er nickte und schloss die Tür hinter sich.
Als Jack Frost schließlich das Gepäck der Königin auf ihrem Bett abgelegt hatte, setzte er sich neben dieses und starrte die junge Hüterin an, die währenddessen ihr Zimmer untersuchte.
Sie ist so wunderschön..., bemerkte er wieder, Ich bin froh, dass ich endlich mit ihr reden darf.
Kaum drehte sich Elsa jedoch zu ihm um, wandte er seinen Kopf schnell ab, nicht, ohne dabei leicht rot zu werden.
Reiß dich zusammen, Jack! Sie darf nichts merken! Elsa ist hier, um uns zu helfen, nicht, um von dir durch deine Unbedachtheit umgebracht zu werden!, ermahnte er sich streng.
Noch immer ruhte ihr Blick auf ihm, das spürte er.
"Alles in Ordnung?", fragte sie schließlich.
Was sollte der Wintergeist antworten? Dass er sie nicht ansehen konnte, ohne in ihren wunderschönen Augen zu versinken, ohne an ihren roten Lippen hängen zu bleiben? Dass er sie liebte, schon seit Jahren? Oder dass Jack sich in ihrer Gegenwart nicht mehr normal verhalten konnte, dass sie sterben musste, wenn seine dämlichen Gefühle für sie nicht aufhörten? Nein. All das konnte er ihr nicht sagen, so gern er es auch wollte.
Stattdessen redete er seine Gefühle nur klein: "Ja, es ist alles super. Ich dachte nur gerade daran, dass du jetzt sicherlich ein Wenig deine Ruhe haben möchtest..."
Ruckartig stand der junge Hüter auf und zupfte nervös seine Kleidung zurecht, bevor er zur Tür lief.
"Ich bin nebenan. Wenn du bereit bist, den anderen Hütern vorgestellt zu werden, klopf einfach an meiner Tür."
Und schon war er verschwunden.
Was war das denn gerade?, fragte sich Elsa verwundert.
Warum hatte sich Jack plötzlich so komisch verhalten? Er hatte schon Recht damit, dass sie gern ein Wenig Zeit für sich gehabt hätte, aber sie wollte sich auch gern mit ihm unterhalten. Sie hatte doch noch soviele Fragen... Er war doch vorher so offen gewesen. Hatte sie etwas nicht mitbekommen? Was verbarg er vor ihr? Sie würde es schon noch irgendwie herausfinden...
Aber jetzt räumst du erst einmal deinen Koffer aus!
Es war nicht viel, was Elsa mitgenommen hatte. Alles erinnerte sie in irgendeiner Weise an ihr altes Leben.
Wie das klingt... 'Altes Leben'. Ich werde mich dafür einsetzen, dass ich Anna wiedersehen werde, auch, wenn ich sie nur kurz besuchen kann. Sie MUSS wissen, dass es mir gut geht!
Elsa packte weiter aus. Ein paar Kleider, ihr Krönungsumhang, den sie im Tal wiederfand und der sie immer daran erinnern sollte, wer sie hinter der Angst wirklich ist, Schuhe, die Kette ihrer Mutter, die sie ihr geschenkt hatte, als Elsa zwölf geworden war, und einige Gedichte, die sie über all die Jahre der Einsamkeit schrieb. Mit ihnen hatte sie versucht, ihre Gefühle zu verarbeiten, auch, wenn das nur selten gelang. Und dann war da noch die kleine Stoffpuppe. Es war eine von zweien, mit denen Anna und Elsa als kleine Kinder oft spielten. Elsa hatte die Puppe mitgenommen, die wie ihre Schwester aussah, da sie schon immer gern Anna gespielt hatte, und ihre Schwester besaß ihre Puppe. Das Verband die beiden, auch, wenn sie nicht beieinander sein konnten.
Mit einem schwermütigen Seufzer, stellte die Königin das Spielzeug auf die weiße Kommode vor ihr, die Gedichte legte sie in eines der unteren Schubfächer. Sicherlich würden noch einige hinzukommen.
Nun war sie endlich mit Auspacken fertig und ließ sich geschafft auf ihr Bett sinken.
Nur kurz ausruhen, dann gehe ich zu Jack...
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Die verlorene Hüterin
ФанфикDieses Buch ist eine Fanfiction zu "Die Hüter des Lichts" von den Dreamworks Animation Studios und zu "Frozen"/"Die Eiskönigin" von Disney. Noch bevor Jack Hüter wurde, sogar noch vor der Zeit des Hasen, Norths, Sandys und Tooths, gab es eine Hüteri...