Hammer und Meißel bewegten sich geschwind über die glatte Oberfläche des blau schimmernden Eises. Mit jedem Schlag sprangen kleine Splitter von dem Eisklotz ab und gaben somit bald die Formen einer Figur frei, die aus dem kühlen Stoff entstehen sollte. North Pole wollte dieses Jahr für die Kinder dieser Welt etwas Einzigartiges bauen, damit ihnen, ebenso wie den Hütern, dieses Jahr als etwas Besonderes im Gedächtnis blieb. Nach und nach formten sich die Konturen eines Tieres. Es sah so lebensecht aus, dass der Weihnachtsmann selbst erstauntdarüber war, etwas derart perfektes geschaffen zu haben. Glücklich summte er die Melodie seines Lieblingsliedes.
Plötzlich durchfuhr ihn eine ungewohnte Kälte, die ihn nichts Gutes ahnen ließ, und er konnte nur mit ansehen, wie dunkle Schatten nach seinen Fingern griffen. Schnell zog er sie von ihnen weg, doch die Dunkelheit schlich weiter um ihn herum, begleitet von einem hinterhältigen Lachen.
Als North jedoch ruckartig aufsprang, verschwand die Schattengestalt böse lachend in Richtung Globusraum. Die Miene des Hüters der Wunder verfinsterte sich und er griff sich seine zwei Säbel. Dann folgte er der Gestalt.
Schon bald hatte er ihre Fährte verloren. Wohin war dieses Monster nur verschwunden? Was hatte es vor? Er ahnte zwar, dass es sich hierbei um die neue Bedrohung handelte, denn die Zeit war reif, doch sicher war er sich nicht. Sein Bauch sagte ihm, dass er auf der Hut sein sollte, denn dieses Auftreten sah ganz nach Pitch Black aus und wenn dieser zurückgekehrt war, dann diesmal sicherlich noch mächtiger als zuvor. Auch der rauchige Geruch, den dieser huschende Schatten hinterlassen hatte, war typisch für ihn, doch etwas war neu. Dieser unterschwellige Gestank nach Verwesung und verbranntem Fleisch... War es nicht doch jemand anderes? Der Weihnachtsmann wollte zur Vorsicht die anderen Hüter herbeirufen. Gemeinsam würden sie sicher mehr herausfinden.
Schnellen Schrittes lief er die Gänge entlang, bis er schließlich im Globusraum ankam. Er schaute sich um. Kein Schatten war zu sehen, keine Dunkelheit, doch das finstere Lachen hallte in allen Ecken wider. Überall standen Yetis und Wichtel in einer gebückten Haltung, sich ängstlich umschauend.
Ernsten Blickes aktivierte er die Nordlichter, welche von der Erdkugel ausströmten, um die Hüter zu rufen. Nun musste er nur noch Jack und Elsa bescheid geben. Bis dahin würden alle anderen Hüter am Nordpol angekommen sein.Wieder einmal war es der Osterhase, der zuletzt im großen Versammlungssaal erschien. Ohne etwas zu sagen verdrehte er die Augen.
"Da nun alle hier...", begann der Mann mit dem weißen Bart zu sprechen, "... ich können endlich euch Grund nennen, warum ihr hier."
Interessierte Blicke legten sich auf ihn. Eigentlich brauchte er nichts weiter zu sagen. Es war Zeit, das wusste jeder von ihnen. Elsa war schon längst soweit, auch wenn Jack das Training mit ihr nie beendet hatte, so wie es vorgesehen war.
Der junge Hüter realisierte, dass es schon einige Jahre her war, als er das letzte Mal mit der Eiskönigin gesprochen hatte und er erinnerte sich nur allzu gut an seinen Schwur. Heute würde er mit ihr reden, davon konnte ihn nicht einmal Pitch abhalten. Keiner würde ihn davon abbringen.
Entschlossen schaute er zu Elsa hinüber. Sie sah ernst aus und doch konnte er eine gewisse Besorgnis und Verletzlichkeit in ihren Augen sehen. Worüber sie sich wohl gerade Gedanken machte?
Zumindest sieht sie nicht ganz so niedergeschlagen aus, wie du es erwartet hattest..., stellte er erleichtert fest.
"... Schatten!"
Als der junge Hüter dieses Wort aus dem Mund des Weihnachtsmannes vernahm, zuckte er innerlich zusammen, doch nun gehörte seine Aufmerksamkeit wieder ganz dem Geschehen.
"Die Schatten haben gelacht, so wie damals... Ich erst dachte, es war Pitch, aber Geruch anders. Das haben nichts Gutes zu bedeuten, das sagt mit Bauch!", redete er ernst weiter.
Bedenkliches Schweigen füllte den Raum.
Jack musterte die Hüterin der Liebe, deren Augen sich allmählich mit Angst füllten. Ahnte sie, dass es für sie nun an der Zeit war, sich der Dunkelheit zu stellen, oder war es die Zusammenarbeit mit ihm, die sie fürchtete? Der Weißhaarige wusste es nicht.
Einen Moment nachdem North Pole seinen Bericht über das Geschehen beendet hatte, heulte der Wind auf und brachte aller Lichter im Globusraum zum Erlöschen. Schwarz erfüllte dem Raum. Obwohl es Nacht war, könnten die Hüter im Licht des Mondes erkennen, wie düsterer Dunst den Raum flutete und Schatten gierig nach den Lichtern des Globusses griffen.
Ein Lachen erfüllte den Raum, eines das Elsa einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Was ging hier vor sich?
Der schwarze Rauch bahnte sich schlängelnd und begleitet von einem widerhallenden, krächzenden Lachen einen Weg zum rotierenden Globus. Er kroch daran empor und sammelte sich auf dessen oberen Seite.
Die junge Köngin hatte nie geglaubt, dass etwas derart schwarzes noch düsterer, noch finsterer werden konnte, doch genau das geschah gerade: Während das fiese, heiserne Gelächter anschwoll, verfinsterte sich der Rauch mehr und mehr, ebenso seine Umgebung.
Alle Blicke waren auf den Erdenball gerichtet. Starr, angespannt, wütend.
Bald schon war die schwarze Masse so mächtig, dass sie den gesamten Globus umfasste und ihn zum Stillstand brachte. Der Schatten bäumte sich auf, formte sich zu einer Gestalt und gab schließlich ein Wesen frei, das die Finsternis mit all ihrer Macht widerspiegelte.
Jack Frost musterte die Kreatur mit verengten Augen. Seine hagere, knochige Gestalt und die graue Haut fielen ihm als erstes auf. Von der fahlen Haut hoben sich die goldenen Augen, die in gewisser Weise Sandys Augen ähnelten, stark ab. Sie funkelten hinterlistig in seine Richtung und sein Mund formte ein bösartiges Grinsen. Um ihn herum waberte düsterer Qualm, verbreitete sich im gesamten Globusraum und füllte die Nasen der Anwesenden mit einem übelerregenden Gestank, genauso wie ihn North beschrieben hatte. Auch die Kleidung dieser Person erinnerte den Wintergeist stark an seinen Erzfeind Pitch. Ein bodenlanger, tiefschwarzer Mantel umhüllte die hagere Gestalt, lange schwarze Haare standen aggressiv zu allen Seiten ab und ein eindrucksvoller Umhang mit einem spitzen Kragen untermalte seine bedrohliche Ausstrahlung.
Der dunkle Mann lachte finster auf.
"Oh, welche Ehre!", begann er mit rauer Stimme zu reden, "Alle Hüter sind versammelt, nur für mich."
Wütend verfinsterte sich der Blick des Weißhaarigen.
"Pitch!"
"Nicht ganz, Jack"!", erwiderte das Wesen der Finsternis, "Ich war einst der Schwarze Mann und ein Teil von mir ist es immer noch, doch ich bin nun viel mehr... Ich bin perfekter, vollkommener, mächtiger!"
Das letzte Wort, welches sein schmaler Mund formte, ließ seine Augen dämonisch aufflackern.
Nun erwachten auch die Großen Vier aus ihrer Anspannung.
"Was willst du hier?!", erhob North seine Stimme.
Wieder lachte der Schattenmann dämonisch auf.
"Was ich will? Das werdet ihr noch erfahren."
Zufrieden über die Mischung aus Wut und Angst, die seine Präsenz auslöste, rieb er sich die dürren Hände.
"Aber eines solltet ihr schon jetzt: mich fürchten!"
"Dich fürchten?", lachte der Osterhase höhnisch, "Wieso sollten wir vor jemandem Angst haben, der nicht einmal einen Namen hat?"
Augenblicklich verschwand sein hinterhältiges Grinsen und der von Rauchschwaden umgebene Mann erwähnte herablassend, als wäre der Hase mit dem blauen Fell ein kleines Kind: "Oh ich habe einen Namen..."
"Ach ja?", schoss es gleichzeitig aus Hase und Jack heraus, wofür sie einen vorwurfsvollen Blick von Tooth und Sandy ernteten.
"ICH bin der Schwarze Tod! ICH bin Bale Streak!!!", verkündete er mit seiner lauten Stimme.
Während sich die Hüter fragend ansahen, stand die Eiskönigin nur wortlos da und musterte die Person, die sie geglaubt hatte so gut zu kennen. Im Gegensatz zum gestrigen Tag würdigte er sie keines Blickes. Sein Name, den er so grausam hart ausgesprochen hatte, wollte ihr nicht mehr aus dem Sinn gehen. Geschockt stellte sie fest, dass sie ihn nun schon über 6 Jahre kannte und doch nie erfahren hatte, wie man ihn ruft. Die schöne Hüterin hatte seine Namenlosigkeit nie hinterfragt. Sie hatte es einfach so hingenommen. Es war in ihren Augen nie wichtig gewesen wie man ihn nannte, doch nun... Warum hatte Elsa ihn all die Jahre nie danach gefragt?
Die hellhaarige Königin spürte den Drang in sich, seinen Namen auszusprechen und so formten ihre Lippen ein leises "Bale...".
Dieses zarte, beinahe unhörbare Hauchen durchschnitt das laute Gespräch der Hüter mit dem Schwarzen Tod wie eine Spiegelscherbe Elsas Erinnerungen. Der höhnische und gleichzeitig aggressive Ton von Bales Stimme verstummte und wurde abgelöst von einem hämischen Lachen, das nun gänzlich der jungen Königin galt. Auch sein durchdringender Blick war zur ihr herübergeschnellt. Nichts von dem, was sie vor kurzem noch darin gesehen hatte, war in diesem Augenblick noch darin zu finden. Kein Verständnis, keine Zuneigung, kein Mitgefühl. Nur eiskalter Hass.
Dieser Anblick ließ Elsa einen Schauer über den Rücken laufen. War er wirklich so anders? Hatte er nur mit ihr gespielt, so wie auch Jack? Ein schmerzhafter Stich durchzog ihren Brustkorb, doch die Königin konnte sich nicht bewegen.
Auf einmal verpuffte die dunkle Gestalt, löste sich in schwarzen Rauch auf und schnellte auf die schlanke Hüterin zu.
Mit vor Angst geweiteten Augen starrte die Eiskönigin auf den heranfliegenden Qualm, der noch immer von dem grausamen, unerbittlichen Gelächter begleitet wurde. Kurz bevor er sie jedoch erreichen konnte, hob Elsa ihre Hände schützend vor ihr Gesicht. Sie zitterte am ganzen Leib. Was wollte er von ihr? Was würde er nun mit ihr tun?
Ängstlich harrte sie aus, doch nichts passierte. Kein weiterer Schmerz, nur das Stechen in ihr.
Die Hüter standen sprachlos da und sahen mit an, wie der schwarze Dunst, der vor kurzem noch Bale gewesen war, um die junge Hüterin kreiste, sie mit Alptraumsand einhüllte und schließlich in den Schatten des Globusraumes verschwand. Eine Weile noch hallte das derbe Lachen von den Säulen wider, dann verebbte auch dieses.
Zögerlich senkte Elsa ihre Arme wieder. Ängstlich schaute sie sich um. Dabei traf ihr Blick den des Wintergeists, der sie besorgt musterte. Noch immer waren ihre Augen vor Furcht und Enttäuschung geweitet.
"Elsa...", sprach Jack sie an und machte einen Schritt auf sie zu.
Das war alles zu viel für sie. Was wollte er von ihr? Was erwarteten nun die Hüter von ihr? Dass sie Bale tötete? Das konnte sie nicht. Elsa musste jetzt allein sein und so rannte sie aus dem Globusraum. Weg, egal wohin, einfach weg. Sie hörte Jack Frost noch ihren Namen rufen, dann war sie außer Hörweite.
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Die verlorene Hüterin
FanfictionDieses Buch ist eine Fanfiction zu "Die Hüter des Lichts" von den Dreamworks Animation Studios und zu "Frozen"/"Die Eiskönigin" von Disney. Noch bevor Jack Hüter wurde, sogar noch vor der Zeit des Hasen, Norths, Sandys und Tooths, gab es eine Hüteri...