Kaum hatte Jack das Zimmer der Eiskönigin fluchtartig verlassen und war in sein eigenes gestürmt, schloss er die Tür hinter sich. Diese fiel, fast schon donnernd, ins Schloss, so stark hatte er sie zugeschlagen. Ein Teil seiner Anspannung wich von ihm, doch noch immer sah er diese blauen Augen vor sich, wie sie ihn anlächelten...
Nein, nein, nein! Hör auf, hör auf!!!, schrie der Wintergeist sich innerlich an, Denk an etwas anderes!
Unruhig lief er in seinem Zimmer auf und ab.
Denk an die Kinder, Jack! Sie brauchen dich! Du darfst sie nicht im Stich lassen, nicht jetzt!
Er war so wütend auf sich selbst. Wie konnte Jack überhaupt noch von Elsa schwärmen, wenn er genau wusste, dass sie nie dasselbe für ihn empfinden durfte? Warum konnte er nicht einfach alles vergessen und sich auf seine Pflicht, die Finsternis aus den Herzen der Kinder zu vertreiben, konzentrieren?
Verdammte Gefühle!, dachte er und schlug mit voller Wucht an die Wand, auf deren anderer Seite Elsa ihr Zimmer hatte.
Mist! Ich hoffe, sie hat das nicht gehört...
Kaum hatte er zu Ende gedacht, klopfte es schon an der Tür.
Bestimmt ist es Elsa..., vermutete der junge Hüter, mit einem mulmigen Gefühl in seiner Magengegend.
Beinahe schleichend ging er zur Tür, setzte ein gespieltes Lächeln auf und öffnete sie. Dabei hoffte er inständig, dass die Königin den Ärger in seinen Augen nicht lesen konnte.
"Ah, ihr seid zurück!", plapperte eine tiefe Stimme drauf los, noch bevor Jack überhaupt realisieren konnte, dass nicht Elsa, sondern North vor der Tür stand.
"Wo ist sie?" Er schien ganz schön neugierig zu sein.
"... bei dir?", hörte er nur noch aus dem Mund des Weihnachtsmannes kommen.
Jack hatte ihm nicht zugehört, zu sehr versuchte er, seine Gedanken zu unterdrücken. Deswegen starrte er den Dickbäuchigen nur abwesend an.
"Jack? Hallo!", wedelte dieser mit der Hand vor dem Gesicht des Wintergeists herum.
"Hm?"
"Wo du mit deinen Gedanken? Ich haben dich gefragt, ob Elsa bei dir."
"Äh... Nein. Sie ist in ihrem Zimmer.", antwortete Jack Frost schnell, während er sich zerstreut durch die zerzausten, weißen Haare fuhr.
Der Hüter der Wunder musterte seinen jungen Freund besorgt, wollte ihn erst nicht weiter auf seine Zerstreutheit hin fragen, doch dann überwand er sich, ihn dennoch darauf anzusprechen: "Alles gut? Du so zerstreut. Ist etwas Schlimmes passiert?"
Jack wusste nicht, was North von ihm wollte. Sah er so schlimm aus? Er hatte doch versucht, seine Wut und seinen inneren Zwiespalt zu verbergen...
"Jack?"
Was sollte er ihm nur sagen? Sollte ihm der Wintergeist gestehen, was ihn bedrückte?
Aber er brauchte nicht weiter darüber nachzudenken, denn North Pole ahnte bereits, was auf ihm lastete: "Es wegen Elsa, richtig?"
Jack sah nur zu Boden. Wieso fiel es North so leicht, hinter seine Fassade zu blicken? Vor ihm kommt er nichts verstecken. Er hatte das Gefühl, wie ein offenes Buch für ihn zu sein.
"Kopf hoch, Jack! Das wird schon. Du werden lernen, mit Gefühlen umzugehen.", versuchte North ihn zu ermutigen.
Wenn du wüsstest, wieviel ich schon versucht habe... Und es hört und hört nicht auf.
"Lass uns jetzt zu Elsa gehen. Die Hüter und ich sehr neugierig.", beschloss der Weihnachtsmann und stapfte, mit großen Schritten, zu der nächsten Tür.Noch immer zerbrach sich Elsa den Kopf darüber, was mit ihrem weißhaarigen Bekannten los war.
Es mussten wohl Stunden vergangenen sein, in denen sie so auf ihrem Bett saß, denn als sie das nächste Mal aus dem Fenster schaute, ging bereits die Sonne auf. Ein neuer Tag hatte begonnen. Ihr erster Tag als Hüter, allein. Ohne Familie...
Die Königin spürte, wie Trübsal in ihr hochstieg. Schnell verdränge sie dieses Gefühl. Sie sollte lieber darüber nachdenken, was sie nun erwartete...
Plötzlich knallte es laut.
Elsa schreckte unter dem Lärm zusammen. Er war von der Wand hinter ihr ausgegangen, von der Wand, auf deren anderen Seite Jack lebte.
Was war dort passiert? Sollte die Eiskönigin nach dem Rechten sehen? Sie war sich nicht sicher...
Während Elsa abwägte, ob sie zu Jack gehen sollte oder nicht, vernahm sie Stimmen auf dem Flur. Eine von ihnen war ihr bekannt. Es war die des jungen Hüters. Doch die andere, tiefere Stimme kannte sie nicht. Sie konnte nicht verstehen, was sie miteinander besprachen, aber Elsa nahm wahr, dass sich Schritte ihrer Tür näherten.
Es klopfte. Laut, bestimmend, mächtig.
Wer mochte das sein, der zuerst mit Jack gesprochen hatte und nun fordernd an ihre Tür klopfte? War es überhaupt ratsam, die Tür zu öffnen? Was ist, wenn derjenige, der davor stand, ihr etwas Böses wollte? Aber nein, das würde Jack nicht zulassen... Oder doch? Er war gestern Abend so komisch gewesen... Was ist, wenn es die Hüter garnicht gibt und das alles nur ein Trick war, um Arendelle seiner Königin zu berauben? Wenn das stimmte, was würde nun mit ihr geschehen?
Tausende Fragen zuckten durch Elsas Kopf, wovon sie nicht eine mit ihrem jetzigen Wissen beantworten konnte. Erst jetzt merkte sie, wie dumm es von ihr war, so leichtsinnig zu sein und einfach mit Jack, oder wer auch immer er in Wirklichkeit war, mitzugehen.
Elsa, jetzt komm mal wieder runter! Du weißt doch garnicht, ob du mit all dem richtig liegst! Öffne die Tür und du wirst sehen, was wahr ist und was nicht., mahnte sie sich zur Vernunft.
Es klopfte erneut. Wieder war der Ton des Hämmerns hart und laut.
Vorsichtig, fast schleichend, ging die junge Frau auf diese zu, legte ihre zitternde Hand um den goldenen Türknauf und drehte ihn um. Mit einem Klacken schwang das weiße Holz beiseite und machte Elsa die Sicht frei.
Vor ihr stand ein großer, dicker, weißbärtiger Mann. Er war ganz in rot und braun gekleidet, hatte seine Hände in die Hüfte gestützt und schaute sie freundlich an.
Mit einer lauten, schallenden Stimme begrüßte er die junge Frau: "Ah, Elsa! Ich North Pole, der Weihnachtsmann."
Irgendwie spricht er komisch..., kam sie nicht umhin, zu bemerken.
"H-Hallo.", erwiderte sie zögerlich, da sie noch nicht ganz wusste, was sie davon halten sollte, und streckte ihm ihre zarte Hand entgegen.
Der Dickbäuchige nahm ihre Hand, drückte sie so fest, dass es schon fast schmerzte, und zog sie in seine mächtigen Arme.
"Willkommen am Nordpol!", sagte er fröhlich dabei.
Er schien sie garnicht mehr loslassen zu wollen. Erst, als sich jemand hinter ihnen räusperte, löste der Weihnachtsmann seine Arme von ihr. Endlich bekam Elsa wieder richtig Luft. Sie erblickte Jack, der wohl während der Umarmung neben sie getreten sein musste.
Entschuldigend lächelte er sie an.
"Darf ich vorstellen: North, der Hüter der Wunder.", sagte der Junge, während der Weihnachtsmann eine höfische Verbeugung vor Elsa machte.
Sie musste kichern.
"Sehr erfreut."
North richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und sprach die Eiskönigin an: "Elsa, die anderen Hüter dich wollen sehen. Du bereit dafür?"
Sie nickte nur.
"Folge mir."
Geschwind, beinahe übermütig, lief North Pole den Gang hinunter und um die nächste Ecke.
Jack ging neben ihr her. Ein betretenes Schweigen lag in der Luft. Elsa wusste nicht so Recht, was nun auf sie zukam, jedoch wollte sie auch endlich wissen, wer diese Hüter waren... Sie gingen weiter, um die Ecke, wie es auch der Dicke getan hatte, und weiter den Gang entlang.
"Es tut mir leid, dass er dich so überrumpelt hat", murmelte der Weißhaarige.
"Wer?"
"North..."
"Achso!", lachte die schlanke Frau, "Das ist doch nicht schlimm. Ich finde ihn sehr nett."
Jack lächelte. "Das freut mich."
Die beiden betraten den Aufzug und ließen sich von ihm zu dem Flur bringen, der zum Globusraum führte.
"Ich muss dich vorwarnen...", begann der Hüter wieder zu reden und zog damit erstaunte Blicke auf sich, "Die anderen drei sind auf ihre Art genauso verrückt, wie North..."
Innerlich atmete Elsa auf. Sie hatte etwas Schockierendes erwartet.
"Damit komme ich schon klar.", grinste sie.
"Warte kurz hier.", meinte Jack Frost und lief den Gang weiter hinab. Nach kurzer Zeit kam er wieder und nahm Elsa's Hand.
"Komm, die Hüter warten bereits."
Als sie in einem großen Raum ankamen, in dessen Mitte vier Gestalten standen, ließ Jack sie wieder los. Elsa schaute sich um. Vier erwartungsvolle Augenpaare untersuchten sie. Eines davon kannte sie bereits.
Zuerst kam eine Fee in schillerndem Federkleid auf Elsa zugeflogen, blickte an ihrem Körper hinunter und rief dann quietschend aus: "Du bist wunderschön!"
Die junge Eiskönigin lächelte warm und erwiderte: "Vielen Dank. Du bist auch..."
Weiter kam sie nicht, denn schon hatte sie die feinen Finger der Fee um Mund.
"Diese Zähne! Sie sind ebenso schneeweiß, wie die von Jack!", freute sie sich und untersuchte diese interessiert weiter.
"Das ist Toothiana, die Zahnfee. Hüterin der Erinnerungen.", erklärte der Wintergeist grinsend.
"Fee, Finger aus Mund!", wies der Weihnachtsmann sie an.
"Entschuldige bitte. Sie lieben Zähne."
Immer noch ganz entzückt von Elsas Anwesenheit, schwirrte die schillernde Fee um sie herum und rief dabei: "Eine Freundin! Endlich habe ich eine Freundin!"
Was meinte sie damit?
Elsa versuchte, sie mit ihren Augen anzuvisieren, doch Toothiana war einfach zu schnell.
Währenddessen plapperte North Pole weiter: "Das Sandy. Er Hüter der Träume."
Ein kleiner, gelber Mann nahm die zarte Hand der jungen Hüterin und küsste diese. Dabei strahlte er sie mit seinen goldenen Augen an.
Sie sind so golden, wie die meines besten Freundes..., erinnerte sie sich wehmütig, Ich vermisse ihn.
Aber gerade durch diese Ähnlichkeit, war ihr der süße, kleine Kerl sofort sympathisch.
"Und das ist...", stellte North einen weiteren Hüter vor, "Hasemann. Er behüten die Hoffnung."
"Hallo, Keule.", grüße der riesige Hase.
"Nun, da du alle kennen, wir dir wollen erzählen, warum wir dich geholt...", begann der Weihnachtsmann erneut zu reden.
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Die verlorene Hüterin
FanfictionDieses Buch ist eine Fanfiction zu "Die Hüter des Lichts" von den Dreamworks Animation Studios und zu "Frozen"/"Die Eiskönigin" von Disney. Noch bevor Jack Hüter wurde, sogar noch vor der Zeit des Hasen, Norths, Sandys und Tooths, gab es eine Hüteri...