Es interessierte ihn nicht, was die anderen Hüter nun von ihm denken würden. Nur Elsa zählte in diesem Moment. Sie hatte so erschrocken ausgesehen, so hilflos und verletzt, dass Jack einfach nicht anders konnte und ihr folgte. Es war Zeit. Er musste mit ihr reden, jetzt.
Zu laufen war ihm zu langsam und so entschloss er sich zu fliegen. Sehr lange schon hatte er dies nicht mehr getan... Die Eiskönigin war schnell, sodass er sie schon bald aus den Augen verloren hatte, doch der junge Hüter ahnte, wo sie hingegangen sein könnte. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder würde sich Elsa in ihr Zimmer zurückziehen oder an den Platz gehen, wo sie damals saß und unter den Augen des Mondes weinte. Dort, wo er sie schützend in seine Arme genommen hatte, ihr nahe war, ihr zuhörte, sie verstand...
Kurz erinnerte sich der Wintergeist an den schmerzlichen Augenblick vor einigen Jahren, als er sie mit all seiner Macht abgewiesen hatte, doch dann besann er sich eines Besseren und konzentrierte sich wieder gänzlich auf die jetzige Situation. Jack Frost würde zuerst an ihre Zimmertür klopfen, um zu überprüfen, ob sie sich dort befand.
Als er schließlich an seinem Raum vorbei ging und sich bereits innerlich auf das bevorstehende Gespräch mit der schönen Hüterin vorbereitete, hörte Jack ein leises, aber doch schneidendes Geräusch. Allein die Stille hinter der Tür war so laut, sagte so viel, dass dem Hüter ein kalter Schauer über den Rücken lief. Durchschnitten von dem zurückhaltenden Wimmern schrie ihm alles in ihm geradezu entgegen, sie aufzusuchen und ihr zu helfen. Der Weißhaarige spürte die Stiche in sich, die Elsas Weinen bei ihm erzeugte, als würde ihm jemand immer und immer wieder einen Dolch in den Bauch rammen.
Jack hob seine Hand zu einem Klopfen, gab es doch wichtge Worte, die es zu sagen galt, doch als er ein lauteres, verzweifelteres Schluchzen vernahm, hielt er in seiner Bewegung inne. Sollte er sie jetzt wirklich stören? Würde er sie damit nicht noch mehr verletzen? War es nicht besser, zu warten bis sie sich zumindest ein wenig beruhigt hatte?
Ich glaube, sie braucht jetzt ihre Ruhe. Morgen werde ich noch einmal nach ihr sehen., dachte er bei sich und ging den Flur eintlang zu seinem Zimmer.Getäuscht, benutzt, belogen., schoss es ihr immer wieder durch den Kopf.
Er hat mich die ganze Zeit angelogen... Warum hat Bale mir seine Freundschaft vorgespielt und was bringt ihm das? Er ist mein Feind, unser Feind., realisierte die Eiskönigin.
Ihr schwirrte der Kopf. Alles tat ihr weh. Er hatte ihre Gefühle genauso ausgenutzt wie Jack vor einigen Jahren, dabei hatte Elsa immer gedacht, einen wahren Freund in ihm gefunden zu haben.
Er will mich töten., durchzuckte es plötzlich ihren Kopf, Das war der einzige Grund für ihn, sich auf mich einzulassen.
Wieder stach es in ihrem Herzen. Bale hatte sie von Anfang an manipuliert, das wusste sie jetzt und genau das war es, was die Welt der Königin von Arendelle zusammenbrechen ließ. All die Aufregung um ihre Krone, all die Enttäuschungen, all den Schmerz, den sie ihren Liebsten zugefügt hatte, und den Tod, der beinahe Anna mitgenommen hatte... All das hätte vielleicht nie passieren müssen, wenn er damals nicht gewesen wäre. Und dann, dann wäre sie jetzt auch nicht hier...
Ein Schluchzer entwich ihren schmalen, roten Lippen, als eine salzige Träne ihr Auge verließ. Schon vor einiger Zeit hatte sie sich kraftlos auf den Boden sinken lassen. Elsa erkannte in ihrem Leben keinen Sinn mehr. Nun hatte sie endgültig alles verloren, was sie von ganzem Herzen liebte. Ihren besten Freund, Jack, ihre Schwester... Nichts davon war ihr geblieben. Wie gern wäre die junge Königin jetzt in Arendelle bei Anna, wie sehnlich wünschte sie sich, in ihre stets vergnügten Augen zu sehen, die Unbeschwertheit in ihnen zu erkennen und sie für einen Augenblick mit ihr zu teilen. Nur einen Augenblick...
Bei diesem Wunsch und der schockierenden Erkenntnis über all das Vergangene brach sie noch mehr in Tränen aus. Nichts konnte sie mehr halten, nichts und niemand sie mehr trösten. Nicht einmal ihre kleine Schwester konnte das, denn wie sollte die Eiskönigin zu ihr gelangen, wenn keiner der Hüter etwas davon erfahren sollte? Die ganze Zeit über hatte sie gedacht, es könne nicht schlimmer werden, doch nun war sie eines Besseren belehrt worden. Nicht die Angst war das Gefühl, welches einen am meisten zerreißen konnte, nein, die Trauer war es. Immer wieder konnte sie die alten Wunden aufreißen, sie zum Bluten bringen und sie offen halten, sodass der peinigende Schmerz nicht verging. Und diese Erfahrung hatte Elsa die letzten Jahre wieder und wieder machen müssen. Immer wenn sie glaubte endlich darüber hinweggekommen zu sein, schleuderte sie ein Zwischenfall oder eine aufblitzende Erinnerung zurück in ihr Leid.
Die Gedanken der jungen Königin schwirrten in ihrem Kopf. Sie machten sie willenlos, zwangen sie sich vollkommen dem Schmerz hinzugeben. Unerbittlich fielen sie über die schöne Hüterin her, quälten sie die ganze Nacht, bis sie sie in einen unruhigen Schlaf trieben.
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Die verlorene Hüterin
Fiksi PenggemarDieses Buch ist eine Fanfiction zu "Die Hüter des Lichts" von den Dreamworks Animation Studios und zu "Frozen"/"Die Eiskönigin" von Disney. Noch bevor Jack Hüter wurde, sogar noch vor der Zeit des Hasen, Norths, Sandys und Tooths, gab es eine Hüteri...