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Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.

-Christian Morgenstern

Der Geruch von frischem Kaffee steigt mir in die Nase, als ich die Treppe runter in die Küche gehe. Verschlafen reibe ich mir meinen Augen und sehe Mark am Tisch mit 2 Tassen vor sich. Ein Engel.
"Claire war hier?", fragt er mich angespannt, schaut mir dennoch nicht ins Gesicht.
"Ja.", antworte ich nur knapp und setze mich ihm gegenüber auf den Stuhl. Ich nippe an meinem Kaffee und schaue Mark an. Was ist denn jetzt los? Claire war schon des Öfteren aufgetaucht um Mark wieder zubekommen und dabei hat er sie selbst immer rausgeschmissen, doch nun? Nun ist er wütend auf mich? Super. Wie schafft diese miese Frau es eigentlich immer, dass Mark und ich uns in die Haare kriegen?! Sie ist wie diese griechische Göttin Eris..! Sie schafft es, alles zu versauen. Sein Kiefer spannt sich an und seine Hände sind zu Fäusten geballt. Der ist wütend. "Du hättest mir ruhig Bescheid geben können!", knurrt er und schaut mich die ganze Zeit extrem grimmig an. Das macht mir solangsam echt Angst.. "Ja, ich hab nicht daran gedacht es dir mitzuteilen.. Wie hast du es denn überhaupt erfahren?", frage ich und versuche ihn von mir abzulenken. Das eskaliert hier gleich.. "Sie selbst hat mir erzählt, wie du sie rausgeworfen hast. Ich wollte das mit ihr klären, Kate! Funk doch nicht ständig dazwischen!! Wir hatten eine fast perfekte Beziehung. Wir waren kurz davor zu heiraten!! Du hast es zerstört. Und jetzt hab ich auch noch mit dir gevögelt!! Du hast mich in diese Scheiße geritten! Danke!", schreit er mich an.

Perplex starre ich ihn an, nicht fähig ein Wort heraus zu bringen. Es schmerzt. Mein Herz. Mein Kopf. Mein Körper. Meine Seele. Ich. Alles tut weh. Als würde dir jemand ganz sachte und doch so unglaublich schmerzhaft jede einzelne deiner Adern heraus reißen und verbrennen.. Als würde jemand stetig mit einer Rasierklinge über dein Herz fahren und es damit zum bluten bringen. Du würdest ganz langsam verbluten.. Einfach vor dich hin..  Aus meinen Augen fließen Tränen, wie Wasser einen Berg hinab.

Es wirkt so unwirklich, als ich aus der Küche stürme und mir beim rausgehen meine Schlüssel schnappe. Es wirkt so irreal, als ich in mein Auto steige und auf die Autobahn brettere. Es wirkt so surreal, als ich irgendwo aussteige und los renne. Es wirkt so abstrakt, als mir eine Tür aufgemacht wird. Es wirkt so eingebildet, als ich Claire erblicke.. Und es wirkt so unglaublich befreiend, als ich meine Faust in ihrem Gesicht versenke und ich ihre Nase brechen höre.





Mein Kopf dröhnt und scheint zu explodieren bei jedem einzelnen meiner Atemzüge. Meine Hand ist mit einem Verband umwickelt, dennoch pocht sie. Mein eines Auge kann ich nicht öffnen, es ist angeschwollen und vermutlich blau.. Mein Bauch tut weh, als hätte ich mehrere Tritte in jenen bekommen. Alles ist gerade einfach nur zum kotzen. Apropos..! Mir kommt die Galle den Hals hinauf, weshalb ich mich wegdrehe von was auch immer und erbreche mich über den Parkettboden. Angewidert wische ich mir mit meinem linken (nicht bandagierten) Handrücken über den Mund und blicke hinab auf die schrecklich nach Säure riechende Mischung, welche ich soeben aus mir befördert hatte. An sich, eine echt klasse Beschreibung von Kotze. Erst jetzt, schaue ich mich in dem, von Sonne durchfluteten Raum um und stelle fest, dass dies das Gästezimmer Charlet's ist..  "Ach Kacke..!",fluche ich vor mich hin und muss bedenken, dass ich die Kotze wegmachen darf.. Mühsam stehe ich also stöhnend vor Schmerz auf und versuche, nicht in meine eben erbrochene Magensäure + Mageninhalt zu treten. Dieser Versuch gelingt, weshalb ich mir mühsam ein Lächeln ins entstellte Gesicht zaubere. Ich gehe ächzend ins Bad, um mir dort Essigreiniger und einen Lappen zu holen. Nach 20 Minuten, ekelhafter Kotze-Entfernungs-Arbeit ist der Boden komplett gereinigt, riecht nicht mehr nach Säure und ich will nur noch, dass mir nix mehr weh tut. Jede kleinste Bewegung bringt mich zum Innehalten wie eine alte Oma.

"Meinst du, sie ist wach?"-"Bestimmt, es riecht nach Putzmittel..".. Ich höre Stimmen vor meiner Tür und öffne sie schließlich. Vor dieser haben sich Charlet und Jason postiert und schauen mich ertappt und verlegen an. Ja, ich hab sie gehört. "Wie man sieht, ich bin wach.", meine ich nur und lasse die beiden in der Tür stehen, um runter zugehen und dort erstmal eine Schmerztablette einzunehmen. Ich muss zur Ruhe kommen. Alles ist im Moment zu viel. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Ich schließe die Augen vor der Realität, einzig und allein um ihr zu entkommen. Dieser grausamen und anstrengenden Realität. Viele werden mich Feigling nennen. Mit vorwerfen, ich würde nix ganzes machen oder nie etwas durchziehen, doch das ist mir egal. Denn mein Entschluss steht fest.
Ich muss hier weg.
Weit weg.
AMERICA

Around the Stars (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt