Wenn man jemandem alles verziehen hat, ist man mit ihm fertig.
-Siegmund FreudJeder einzelne Schritt entfernt mich von Ihnen. Jeder einzelne Schritt bringt mich von all ihnen weg. Mit jedem Schritt bin ich weiter weg von meinen Freunden, ehemaligen Freunden, toten Familienangehörigen... Ich verlasse sie. Sie alle.
Ist es dumm?
Nein.
Aber wieso fühlt es sich dann so beklemmenden an? Wieso fühlt sich mein Herz zerdrückt an. Als würde mir jemand die Luft abschnüren und ich nach dem Leben ringen würde. Ein schreckliches Gefühl.
Wünsche ich keinem.
Unsicher schaue ich mich in der riesigen Halle um während ich meine Koffer hinter mir herziehe. Ich fühle mich verloren unter diesen vielen Menschen, die sich hier versammeln um sich wieder zu trennen. Jeder hier geht seinen eigenen Weg. Ich bin eine von ihnen.
Ich gehe langsam. Manche schauen mich doof an und nuscheln mir flüchtig Beleidigungen zu. Einzig und allein, weil ich nicht in ihrem gewünschten Tempo durch die Welt spaziere. Die Menschen sind unfreundlich. Vermutlich waren wir mal bessere Gesellen.. Jetzt halt nicht mehr.
"Guten Tag, Miss. Wohin?", fragt eine eklig aussehende, etwas dickere, ziemlich genervte Frau hinter dem Schalter und schaut mich kurz missbilligend an, ehe sie wieder auf den Computer starrt. "Äh.. Amerika, Oklahoma.", bringe ich nur raus und schaue betreten auf den Boden. Kate, was kannst du eigentlich?! "Ihr Flug ist in einer Stunde, hier ist ihr Ticket, die Koffer bitte links aufs Fließband. Die Rechnung schicken wir Ihnen.", redet sie und es wirkt, als hätte sie es auswendig gelernt. Nur ein bisschen trägerer. Ich nicke und verabschiede mich von ihr. Sie setzt ein letztes Mal (einziges Mal) ein gekünsteltes Lächeln auf, zeigt mir das gelbe Kleid, welches sich um ihre Zähne wickelt und wünscht mir einen guten Flug.
Auf der Suche nach dem Check-In von Flug 78201 nach Oklahoma hole ich mir bei einem McDonalds einen McFlurry und eine Cola. Nun sitze ich hier bei Check-In D, esse meinen McFlurry, schlürfe an meiner Cola und weine vor mich hin.
Ich bin so armselig. Das ist ja fast widerlich, was ich hier tue. Ich bemitleide mich selbst! Ich bin so tief gesunken!
Ich habe mit Männern gespielt, Menschen verletzt und jetzt bemitleide ich mich selbst? Ich bin angewidert. Von mir.
Ganz in meiner Heul-Tirade gefangen, realisiere ich erst nach ein paar Sekunden wie mich ein kleines Mädchen traurig und verwirrt anguckt. Sie hat lange schwarze Haare, welche zu einem Zopf zurückgebunden sind. Einzelne Strähnen fallen ihr in ihr, von Sommersprossen bedecktes Gesicht. Sie hat mich angetippt. Ich lächle sie an und bin mir sicher, dass ich sie damit verscheuche, doch das Gegenteil ist der Fall. Sie setzt sich auf den Platz neben mich und reicht mir ein Taschentuch. "Danke?", murmle ich verwirrt und wische mir mit dem Tuch die Tränen weg. "Du bist schön.", sagt das kleine Mädchen einfach so und lächelt mich nun warm an. Bitte? Ihr Kompliment ist so lieb! Und so ehrlich, doch ich kann nicht anders als zu glauben, das sie lügt. Ich bin total verheult, meine Haare sind zu einem unordentlichen Knoten gebunden und fallen mir auch irgendwie wieder ins Gesicht. Noch dazu sitze ich hier mit Fast Food und fühle mich wie Briget Jones persönlich. Fehlt nur noch die Schokolade. "Wieso denkst du das?", frage ich sie und mustere sie kritisch. Sie müsste 8 sein... Irgendwie erinnert sie mich an jemanden. Ich weiß nur nicht an wen... Ist ja auch egal. Ich kann ich auch irren. "Weil du aussiehst wie ein Engel.", sagt sie und lässt sich nicht durch meinen Blick beirren. Sie ist selbstbewusst. Ich mag sie. Nicht nur wegen ihrem Guns'n Roses Shirt, welches ich ebenfalls trage, sondern weil sie noch so unschuldig ist. Und weil sie das sagt was sie denkt. Okay, vermutlich ziehe ich zu schnell irgendwelche Schlüsse, aber sie erscheint mir so taff wie..... Ja wie wer?
"Dann aber ein gefallener."-"Ein was?"-"Ein gefallener Engel.", meine ich und schiebe mir eine Haarsträhne hinters Ohr. "Für mich bist du ein Engel.", behauptet das kleine Mädchen strahlend und offenbart mir eine süße Zahnlücke, wo eigentlich mal ein kleiner Milchzahn war. Gott ist die goldig!
"Wie heißt du?", frage ich sie und lächle sie an. Ich fühle mich nicht mehr traurig. Sie heitert mich irgendwie auf. Als wäre sie eine Sonne, die mir etwas von ihrem Strahlen abgibt. "Holland.", antwortet sie mir mit einem noch glücklicheren Grinsen als zuvor. "Ein außergewöhnlich schöner Name. Gefällt mir.", meine ich und nehme einen Schluck von meiner Cola. "Finde ich auch! Danke, aber meine Freunde nennen mich Holly.", teilt sie mir mit und schaut mich nun erwartungsvoll an. "Ist was?"-"Wie heißt du?", fragt sie mich gespannt und sieht mich nachdenklich an. Also toppen kann ich sie nicht. Ihr Name ist echt schön. "Ich heiße Kate.", stelle ich mich ihr vor und sehe mich am Gate um. Nur ein paar Leute wollen nach Oklahoma. "Du heißt ja wie die Herzogin!", meint sie fasziniert und scheint total geflasht. Das ist echt niedlich. Kindliche Freude ist doch die schönste. Ich nicke nur und frage dann: "Was machst du in Oklahoma?"-"Ich wohne da. Wir waren in England um meine Mom zu beerdigen.", antwortet sie und nun bin ich diejenige, die geflasht ist. Sie sagt es mir einfach so! Sie geht sehr gut mit dem Tod ihrer Mutter um! Ich glaube, dass ich das nicht so konnte. Ich konnte keinen der Tode verkraften, die ich miterlebt habe.
Und jetzt weiß ich, wem sie ähnelt.
Luca.
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Around the Stars (Band 2)
Teen FictionDie Fortsetzung des ersten Teils 'To the Moon and back' Kate kann sich an nichts mehr erinnern, außer daran, was in ihrem Traum in der Narkose passiert ist. Sie erkennt niemanden mehr. Wie kann sie das alles wieder hinbiegen? Wird es ihr jemals gel...