Teil 3 - Kein Zurück mehr

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Die Kliniken kamen Lars allesamt wieder bekannt vor und er konnte sogar sein Fenster erspähen, aus dem er so lange beblickt hatte. Lars' kam es so vor, als wäre sein letzter Aufenthalt dort schon Ewigkeiten und nicht erst drei Monate her.

Gemeinsam gingen die Drei zuerst auf Station 6. Dort sollte er die Zeit verbringen, bis er sich einigermaßen von seiner OP erholt hatte. Außerdem würde er dort warten, bis es losing. Die Ärzte hatten ihnne nämlich nicht versprechen können, dass Lars ganz genau zu seinem Termin drankommen würde, denn oft wurden Notfalloperationen dazwischengeschobenund so war es schließlich auch. Eigentlich wäre Lars schon seit zwei Stunden fertig gewesen, doch nun lag er immer noch auf seinem Zimmer, das ihm zur Verfügung gestellt wurde und wartete mit seinem Eltern auf das Eintreffen der Krankenschwester, die ihn zum OP bringen würde. Gemeinsam schauten sie eine Sendung im Fernsehen. Lars lag im Bett und war bereits für die Operation passend gekleidet. Später dann, würde er sowieso alles ausziehen müssen und das fiel mit einer Jogginghose wesentlich leicher. "Das gibt's ja nicht, wie lange dauert das denn noch?", murrte Lars Vater in dem Moment, als sich die Tür öffnete. Eine schlanke Frau mit roten Haaren trat mit ihrer blauen Arbeitskleidung ein. "Hallo. Lars ist in ungefähr in einer Viertelstunde dran. Bist du denn schon aufgeregt?", fragte sie den Jungen. "Ein bisschen.", gab er zurück und setzte sich ein wenig in seinem Bett auf. "Ich hab hier ein kleines Beruhigungsmittel für dich. Das tut dir vielleicht ganz gut.", sagte sie und gab ihm eine Aufziehspritze in die Hand. "Schmeckt ganz lecker.", munterte sie ihn auf und lächelte. Obwohl Lars eigentlich kaum Aufregung verspürte fühlte er sich fast dazu gedrängt, das Mittel in seiner Hand zu nehmen und so spritzte er sich die pappsüße Flüssigkeit in den Mund. Seine Eltern sahen ihm dabei zu und schauten dann wieder zu der rothaarigen Krankenschwester. "Ich komme dann in zehn Minuten wieder und hole ihn ab.", teilte sie soeben mit und seine Eltern nickten freundlich.

Schon nach wenigen Minuten fühlte Lars sich plötzlich schwindelig und merkwürdig schlapp. "Ich fühle mich wie betrunken.", kicherte Lars und fiel nach seinem Veruch sich aufzusetzten sofort wieder zurück ins Bett. "Wow, vorsichtig, vorsichtig.", warnte ihn sein Vater und grinste. "Bleib schön liegen, das ist ganz normal. Allerdings hoffe ich nicht, dass du weißt, wie das Gefühl ist, wenn man betrunken ist. Sonst würde ich mir schwere Vorwürfe machen.", lachte er und stand nun neben seinem Sohn, damit dieser nicht aus seinem Bettchen fiel Lars' Mutter war gerade auf der Toilette, als die Krankenschwester wieder hereinkam und ihn samt Bett aus dem Zimmer schob. Seine Eltern hatten ihm beide noch einen Kuss aufs Gesicht gedrückt und ihm dann hoffnungsvoll zugelächelt.  Wahrscheinlich waren sie in diesem Augenblick weitaus aufgeregter gewesen, als Lars selber. Er war nämlich tiefenentspannt und drehte absichtlich seinen Kopf hin und her, weil es sich so lustig anfühlte.

Viel bekam Lars nicht mehr mit, als man ihm zum OP schob und als er wieder in seinem Zimmer auf Station 6 aufwachte, fragte er sich sogar, wie er überhaupt dort hingekommen war. Sämtliche Erinnerungen waren einfach verschwunden. Noch nicht lange war der Junge wach und plötzlich verspürte er ein starkes Stechen in seiner Brust. Was zum Teufel war das? Lars wollte schon nachsehen und zog sein T-Shirt nach oben, als eine Hand ihn daran hinderte. Ohne Frage, war es die seiner Mutter, die ihn davon abhielt nach dem Rechten zu kucken. Er blickte nach oben und sah ihr direkt ins Gesicht. Lars erinnerte sich an das letzte Mal, als er von seiner OP aufgewacht war und sich beinahe genauso gefühlt hatte. Allerdings hatte er damals fast keine Schmerzen gehabt. Lars sah sich vorsichtig im Raum um, um ja nicht seinen Oberkörper zu sehr zu bewegen. Es war, als hätte ihm jemand ein Loch in die Brust gestampft und dann schnell alles wieder notdürftig zugenäht. "Wo ist Papa?", fragte Lars mit schwacher Stimme. "Er müsste gleich kommen, er wollte sich nur noch schnell etwas zu essen holen.", beruhigte ihn seine Mutter und zog ihm sein Shirt wieder ordentlich zurecht. "Achso. Wie spät ist es denn?", fragte Lars. "Fast halb sieben.", klärte ihn seine Mutter auf und lächelte. "Hast du auch Hunger?", wollte sie wissen. "Nein, überhaupt nicht.", sagte Lars und fühlte sich unendlich kraftlos. Allein der Gedanke, im Moment etwas zu essen widerte ihn an. Sein Appetit war völlig verschwunden. Lars versuchte sich möglichst schmerzfrei auf eine andere Seite zu drehen, was ihm aber nur schlecht als recht gelang. Gequält stöhnte er auf. "Ist es sehr schlimm?", hakte seine Mutter nach und streichelte ihm besorgt über den Rücken. "Geht schon.", murmelte Lars und seine Augen flatterten vor Müdigkeit. Wenn er sich nicht bewegte hatte er nur geringe Schmerzen, also blieb er starr in seiner Position liegen und war schon bald wieder eingeschlafen.

Lars verbrachte auf Station 6 noch weitere zwei Tage, bis er auf Station 7 verlegt wurde. Die Nächte waren oft schmerzhaft gewesen. Jede Drehung hatte sich wie ein scharfes Messer in seiner Brust angefühlt, das alles dort drin durchschnitt. Doch Lars hatte immer wieder Schmerzmittel bekommen, mit dem es sich ganz gut aushielten ließ. Er hatte mehr als sonst geschlafen und weniger gegessen, auch wenn sein Appetit langsam wieder zugenommen hatte. Lars' Vater war schon am Abend nach seiner Operation wieder heimgefahren und hatte sich von seiner Frau und seinem Sohn verabschiedet. Schließlich konnten seine anderen Kinder nicht ewig alleine sein.



Ein Stockwerk höher befand sich Station 7. Lars ging es mittlerweile wieder so gut, dass es wieder alleine laufen konnte und nun fing traurigerweise erst sein richtiger Krankenhausaufenthalt an. Lars versuchte tapfer zu sein. Auch diese Zeiten würden wieder vergehen. Bevor sie durch die Glastüre treten konnten, mussten sie bei einem Schalter klingeln, um Eintritt zu erlangen. Nicht jeder konnte einfach wie er wollte heraus- und hereinspazieren, kein Wunder, denn das war die Intensivstation. Keime und Bakterien waren hier höchst unerwünscht.

"Hallo!", wurden Lars und seine Eltern von einer langhaarigen Krankenschwester begrüßt. "Sie sind dann wohl Familie Guster.", stellte sie fest und lächelte. "Ja, die sind wir.", bestätigte Lars' Mutter uns lächelte höflich zurück. "Ich bin Andrea. Folgen sie mir bitte.", forderte die Frau sie auf und alle liefen hinter ihr her. Zuerst mussten sich die Drei die Hände desinfizieren, da sie keine Viren oder Keime mitbringen sollten, die den Kindern weitgehend schaden konnten. Danach ging es weiter durch den Gang, an dessen Wänden sehr viele Bilder von verschiedenen Menschen hingen. Lars betrachtete sie während er lief und fragte sich, ob die vielen Kinder wohl alle schon einmal hier gewesen waren.

Überrascht begutachtete Lars nun die große Station, in der überall druchsichtige Glaskästen in einer Größe von ungefähr zwei auf zwei Metern standen. Das sah ja total außergewöhnlich aus. Inmitten stand das Büro von den Krankenschwestern, die dort ständig aus und ein liefen. Man konnte dort ebenfalls rundum aus großen Glasfenstern blicken, es bestand aber nicht völlig aus Glas. Andrea führte seine Eltern und ihn zu seinem Zuhause für die nächste unbestimmt lange Zeit und blieb dann davor stehen. "So da wären wir.", sagte sie. "Dort wird Lars nun die nächste Zeit verbringen.", sprach sie aus.

Lars begutachtete das kleine Glashaus und sah nach drinnen. Dort stand ein Bett, das bereits den halben Raum ausfüllte, ein Tisch mit Stuhl und Moment, eine Toilette? Einfach so? Mitten im Raum? Und wo war die Klospülung? Auf Station 6 war alles völlig normal gewesen, nicht so wie hier. Komisch, aber man würde ihm bestimmt noch erklären, wie alles funktionierte, vermutetete er und sah weiter durch die Glasscheibe. Seine Eltern und Andrea standen etwas abseits und schienen noch wichtige Dinge abzuklären, die Lars aber nicht sonderlich interessierten. Er würde lieber einmal in die kleine Glaszelle hineingehen. Auch wenn sie klein war, war sie für Lars irgendwie etwas total Spannendes. Bestimmt war es ziemlich cool, von innen alle beobachten zu können, die draußen so herumliefen. Exakt in diesem Augenblick drehte sich Andrea zu ihm um und sagte, er könne gerne mal durch die Tür nach innen gehen. Lars lächelte und ging durch die automatische Tür, die sich zu beiden Seiten hin öffnete. Direkt vor ihm war ebenso ein Regal in die Wand eingebaut, in dem lauter verschiedene Plastikspritzen und anderer Kram eingeordnet war. Als er sich wieder zur Tür drehte, konnte er auch den Fernseher sehen, der direkt vor dem Anfang des Bettes stand und gute Beschäftigung versprach. Ziemlich viel mehr gab es eigentlich nicht zu sehen, außer der Toilette, die Lars jetzt genauer inspizierte. Sollte er darauf wirklich sein Geschäft verrichten? Erstens konnte ihn jeder sehen und zweitens hatte er immer noch keine Klospülung entdeckt. Als er vorsichtig den Deckel anhob, erschloss sich ihm auch warum. Lars war völlig schockiert.

The kids at station 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt