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Obwohl Lars die morgendliche Routine nicht besonders mochte und sich wünschte, er könnte endlich wieder selbst seinen Morgen bestimmen, stotzte der Junge heute nur so vor Motivation und guter Laune. Alle Krankenschwestern, die heute bisher in den Raum mit seinen drei
Glaswänden gekommen waren, hatten sich über seine offene Art sehr gefreut und wünschten sich natürlich auch, dass alles gut ging die nächsten Tage. Lars hatte längst keine Bedenken mehr, dass irgendetwas dazwischenkommen könnte. Ihm ging es bestens. Wenn es seine Muskeln zugelassen hätten, wäre er am liebsten wie wild durch die Gegend gesprungen und hätte dabei laut gelacht. Ja, diese Vorstellung war wunderbar und der Junge nahm sich fest vor, sofort wieder mit dem Sport zu beginnen, wenn er erst einmal hier raus war.

In jedem Moment müsste Kathi kommen. Lars kam der Gedanke, dass er von ihr Abschied nehmen musste und sie nicht mehr sehen würde. Die vielen Wochen über waren die beiden zu einem eingespielten Team geworden und hatten viel miteinander gelacht. Lars fing an zu grinsen, als er an die Situation dachte, in der sie beide lauthals geschrien hatten und damit für große Verwirrung gesorgt hatten. Wie gut hatte das damals getan! Für seine Zukunft würde er sich merken, dass er nur seinen ganzen Kummer herausschreien musste, damit es ihm besser ging. Was seine Familie davon halten würde, blieb da mal dahingestellt.

Lars sah Kathi auf sich zukommen und schenkte ihr ein breites Jungengrinsen. Sie lachte und trat dann samt ihrer Monitur, die sie eilig überzog, ein. Lars fragte sich ernsthaft, für was man diese überhaupt noch benötigte, wo er doch sowieso bald nach Hause gehen konnte. Dort würde schließlich auch keiner so rumlaufen. "Na hallo! Da scheint aber jemand in guter Stimmung zu sein.", rief sie lächelnd aus und stellte ihre Tasche mit einem Ruck auf dem Tisch ab. Da fiel Lars ein, dass sie die gute Neuigkeit ja noch gar nicht wusste und so fing er begeistert an zu erzählen.

Lars sah in dem aufgehellten Gesicht von Kathi, wie sehr sie sich für ihn freute. Auch ihre Augen wirkten plötzlich so glasig und strahlten in einem besonderen Glanz. "Ich bin so stolz auf dich, weißt du das?", schniefte sie beinahe und lächelte. Lars verstand nicht wirklich, was er Großes geleistet hatte, freute sich aber trotzdem und zeigte ihr das mit einem zaghaften Lächeln. Der Zehnjährige bemerkte, dass sie sich beherrschen musste, ihn nicht fest an sich zu drücken und dann aus ihrer Tasche etwas hervorholte. Lars hatte mittlerweile sein Zimmer mit allerlei Bildern vollgeklebt. Einige hatte er auch seiner Mutter oder seinem Vater geschenkt. Trotzdem fand Kathi immer wieder etwas Neues, mit dem sie ihn beschäftigen konnte und so schaffte sie es auch diesmal, ihn zu überraschen.

Lars hatte die Zeit mit Kathi überaus genossen und blickte nun glücklich auf seine fertigen Gebilde, die er aus Playmais gebaut hatte. Diese aus Mais hergesellten, schaumstoffartigen Teile, konnte man mit ein wenig Wasser zusammenkleben und so alles bauen, was man wollte. Lars hatte gar nicht mehr aufhören können und ein großes Haus mit Garten, Blumen, Bäumen, einer Garage und einem Auto davor gebaut. Zusätzlich hatte er sich an einem Gartenzaun versucht, der jedoch leider immer wieder umgefallen war. Die bunten Farben hoben sich mit starkem Kontrast von dem weißen Tisch ab, auf dem sein Bauwerk stand. Sein Vater hatte sich draußen in einer Autozeitschrift vertieft. Als er bemerkte, dass Kathi schon wieder gegangen war, stand er auf und kam herein. Er machte einen überraschten Gesichtsausdruck, als er das gefertigte Kunstwerk sah, das auf dem Tisch drohnte und fast keinen weiteren Platz mehr übrig ließ. "Ach herrje, was ist das denn?", fragte er lachend und gleichzeitig begeistert. "Hat Kathi mitgebracht. Das ist Playmais, man könnte es sogar essen.", erklärte Lars und grinste. "Essen? Naja, vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee, wo es doch eh schon so wenig Platz hier drin gibt. Wäre aber überaus Schade um das tolle Haus.", sprach dieser aus und drehte es samt Garten und Garage einmal um sich selbst. Damit alles zusammenblieb, hatte Lars als Grundlage ein grünes Blatt Papier bekommen und die Maisteile dort festgeklebt. "Hast wohl an alles gedacht, oder? Fehlt nur noch der Swimmingpool, dann wäre es perfekt.", schmunzelte der Vater und setzte sich.

Lars legte sich auf sein Bett zurück und schloss die Augen. Er war aufeinmal müde geworden, obwohl es doch erst sieben Uhr abends war. Er zog seine Bettdecke zu sich und begann sich zu entspannen. Langsam aber sicher driftete Lars in die Welt der Träume und bekam um sich herum nichts mehr mit. Sein Vater war gerade etwas essen gegangen und wollte später wiederkommen, doch als er eintrat, fand er seinen Sohn schlafend vor. Er wunderte sich zwar, da sein Junge doch vorher noch so aufgeckt und energiegeladen gewesen war, schob es dann aber auf das gebaute Kunstwerk, das ihn bestimmt viel Konzentration gekostet hatte. Sanft strich er Lars über seinen nackten Kopf und ging dann wieder aus dem Raum, um ihn nicht zu wecken. Vielleicht tat es ihm gut, wenn er mal wieder eine ordentliche Portion Schlaf bekam. Mit einem hoffnungsvollen Gesicht, anbedacht dessen, was in Kürze auf die beiden wartete, ging er zurück in seine Elternwohnung und freute sich auf einen entspannten Fernsehabend in seinem Bett.

The kids at station 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt