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Lars öffnete die Augen und blickte sich um. Wie spät war es? Musste er aufstehen? Warum war alles so dunkel? Es musste doch längst schon Morgen sein, oder nicht? Lars verrenkte sich beinahe, um einen Blick auf die Weckeruhr im eingebauten Regal werfen zu können. Wie bitte? Es war erst vier Uhr in der Nacht? Erst jetzt fiel ihm wieder ein, dass er schon um sieben eingeschlafen war. Lars konnte draußen eine Krankenschwester herumlaufen sehen, leise hörte er ihre Schritte, auch das Piepsen einiger Geräte war zu vernehmen, doch an die hatte er sich mittlerweile schon gewöhnt und merkte sie kaum noch. Lars setzte sich in seinem Bett auf und sogleich fuhr ihm ein ungeheuerlich stechender Schmerz durch den Bauch. Beinahe hätte Lars laut geschrien, konnte sich dann aber doch noch beherrschen. Er spürte nur, wie sich in seinem Unterleib etwas rührte und sogleich stand er auf, um sich noch rechtzeitig auf die Toilette zu begeben. Wie aus dem nichts, hatte er nun einen sehr starken Drang, etwas loszuwerden und nicht nur das. Als Lars auf der Brille saß leerte sich sein Darm gewaltig schnell, sodass Lars das Gefühl hatte mindestens zehn Kilo leichter zu sein. Was war denn nur plötzlich los? Woher kam dieser plötzliche Durchfall? Hatte er etwas falsches gegessen? Lars hatte Schwierigkeiten sich zu erinnern, was er am vorherigen Tag zu sich genommen hatte. Doch selbst als es Lars einfiel, konnte Lars nichts Schlimmes daran erkennen. Auch mit den Süßigkeiten hatte er es nicht übertrieben und so konnte sich Lars seinen beleidigten Magen nicht erklären.


Nadja hatte heute mitunter anderen Nachtschicht und hatte bemerkt, dass Lars aufgestanden war. Sie kam herein und fragte in bedächtigtem Ton, was denn los sei und ob er nicht schlafen könne. "Naja ich bin aufgewacht und habe plötzlich furchtbaren Durchfall bekommen.", murmelte Lars, der sich wieder zurück ins Bett gelegt hatte. "Durchfall? Das hört sich aber gar nicht gut an." Nadja nahm den Topf mit heraus und brachte ihn weg. Lars wusste nicht, was man genau damit machte, aber eigentlich interessierte es ihn auch nicht. Hauptsache, es war nicht mehr da.

Lars war gerade wieder am Einschlafen, da kam sie wieder zurück und fragte nach, ob es ihm sonst gut ginge und ob ihm auch schlecht sei. Lars, der wieder unheimlich müde geworden war, drehte nur leicht seinen Kopf hin und her und hoffte, sie würde wieder gehen. Tatsächlich tat sie das dann auch, nachdem sie noch für ein paar Sekunden in seinem Zimmer verweilt hatte.

Wieder öffnete Lars seine Augen, doch diesmal war es glücklicherweise hell und fast wirkte es, als hätte er alles, was passiert war, nur geträumt. Wie immer herrschte außerhalb seiner Glaswände reges Treiben und alles war wie immer, bis auf den Umstand, das er wieder von Schmerzen in seinem unteren teil des Bauches geplagt wurde. Ein lautes Seufzen entwich ihm. Er konnte es einfach nicht glauben. Warum ausgerechnet jetzt? Seine Entlassung stand kurz bevor und nun musste sich wieder etwas in den Weg stellen. Wenn die Ärzte erfahren würden, dass es ihm nicht einhundertprozentig gut ging, würden sie ihn auf keinen Fall entlassen und das ganze würde sich sicherlich wieder über Wochen hinauszögern, dessen war Lars sich sicher. Er nahm sich also vor, seine Schmerzen zu verschweigen und keinem etwas davon zu sagen, nicht einmal seinem Vater. Gott sei Dank hatte er heute nicht schon wieder Durchfall bekommen, allerdings war wohl auch nicht mehr viel in seinem Körper vorhanden, das er er ausscheiden konnte.

Andrea kam ins Zimmer und half ihm wie jeden Morgen bei seiner täglichen Routine. "Wie geht es dir, Lars?", fragte sie. "Nadja hat gesagt, du hättest heute Nacht Durchfall bekommen, tut dir irgendetwas weh? Hast du Bauchschmerzen?", löcherte sie ihn mit ernstem Blick. Obwohl es ihm ganz und gar nicht gut ging und er am liebsten zusammengekrümmt im Bett gelegen hätte, versicherte er ihr, dass es ihm heute wieder richtig gut ginge und setzte dabei ein bübisches Grinsen auf, um vertrauenserweckender herüber zu kommen. Hoffentlich sah man ihm nicht an, dass es ihm wahnsinnig schwer fiel, in dieser Situation fröhlich zu sein, dachte Lars. Doch anscheinend hatte er überzeugend genug gewirkt, denn Andrea nickte zufrieden und lächelte. "Das ist sehr gut, vielleicht hast du ja wirklich nur das Essen nicht vertragen. Ansonsten würde es dir jetzt nicht schon wieder derart gut gehen.", wandte sei ein und drehte sich dann um, um sein Bett frisch zu beziehen.

Heilfroh, dass Sonntag war und er keinen Unterricht haben würde, bei dem er seine Schmerzen überspielen musste, lag er im Bett und schaute fern. Die Bauchkrämpfe hatten zwar etwas nachgelassen, aber gut fühlte sich Lars immer noch nicht. Ganz im Gegenteil, er war unglaublich schwach und hatte nur gesagt, er hätte noch keinen Hunger, weshalb er glücklicherweise auf sein Frühstück hatte verzichten dürfen. Da Lars seit einiger Zeit wieder normal aß, hatte man ihm von den Schlauch getrennt, der ihn künstlich mit Nahrung versorgte, doch das bedeutete natürlich, dass er auch regelmäßig essen musste, sonst würde er wieder angeschlossen werden. Das wäre allerdings ein großer Rückschritt gewesen, den Lars um jeden Preis verhindern wollte. Nun plagte ihn eine Mischung aus Hunger und Bauchschmerzen. Er war sich jedoch sicher, das er sofort wieder Durchfall bekämen würde, wenn er etwas zu sich nehmen würde und so ließ er es lieber.

Als nach kurzer Zeit sein Vater erschien, riss sich Lars wieder zusammen und tat, als ob alles ganz normal wäre. Er setzte sich ein wenig aufrecher hin, damit er nicht so kränklich wirkte und wünschte seinem Vater dann einen wunderschönen guten Morgen, obwohl es schon fast Mittag war. "Guten Morgen!", grüßte sein Vater zurück und gähnte tatsächlich. "Ich sags dir gleich, ich habe heute fast kein Auge zugetan, ich hoffe du verstehst, wenn ich heute nicht sehr aufmerksam bin.", entschuldigte sich sein Vater im vorraus und rieb sich die Stirn. Wenn du nur wüsstest, dachte Lars und empfand beinahe Ärger, da es ihm mindestens zweimal so schlecht ging. Doch irgendwie bekam Lars einen mitleidigen Ausdruck hin. "Klar, kein Problem. Ruh dich aus, ich komm schon zurecht.", versicherte Lars und war sogar innerlich froh, dass es seinem Vater auch nicht rasent ging, so musste er sich wenigstens nicht die ganze Zeit verstellen. "Meinst du wirklich? Das wäre wirklich großartig. Ich glaube ich bin heute zu nichts in der Lage, tut mir wirklich Leid Lars.", entschuldigte er sich ein zweites Mal. Lars nickte erneut und lächelte ihm aufmunternd zu. "Na gut, dann lass ich dich vorerst mal wieder alleine und hau mich aufs Ohr. Ich komme dann später wieder zu dir, alles klar?", meinte er und Lars stimmte zu.

Durch ziemlich überdrehte Zeichentricksendungen versuchte sich Lars erneut von seinen immerwiedergekehrenden Bauchschmerzen abzulenken. Die quietschigen Stimmen und das laute Geschrei der Leute dort nervte ihn jedoch ziemlich schnell und er schaltete den Bildschirm aus. Wie sollte er nur den Tag überstehen, wenn das so weiter ging? Lars war nahe dran, einer Krankenschwester von seinen Bauchkrämpfen zu erzählen, doch dann stellte er sich vor, wie sich seine Heimfahrt wieder um Wochen verzögerte und so ließ er es bleiben. Er musste jetzt stark bleiben. Es würde sich lohnen, dachte Lars.




The kids at station 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt