Zwei Wochen später
"Uno uno!", rief Lars lautstark aus und klatschte in die Hände. "Tja, fünf zu null, ich würde sagen, wir haben einen eindeutigen Sieger.", lachte Lars und klopfte sich selbst lobend auf die Schulter. "Das gibts doch nicht!", rief Lars' Vater aufgebracht und warf die Hände in die Höhe.Kurz darauf jedoch, grinste er und schlug vor etwas anderes zu spielen. "Was gibt es denn sonst noch so für Spiele?", fragte Lars nun neugierig. "Hm, ziemlich viel, Phase 10, Siedler von Cartan, Monopoly...", zählte sein Gegenüber auf, während Lars die Karten zusammenpackte. "Ich will Monopoly spielen!", rief Lars sogleich aus und streckte seinem Vater die eingepackten Karten hin. "Na gut, jetzt haben wir wenigstens endlich mal Zeit, um auch Hotels zu bauen.", lachte der Papa und zog seine gesamte Monitur aus, damit er nach draußen gehen konnte. Das Regal mit den Spielen befand sich im Gang um die Ecke, also ziemlich genau am Eingang, wo Lars vor über sechs Wochen hindurchgegangen war. "Bin gleich wieder da!", sagte sein Vater und ging durch die automatische Schiebetür, wie man sie an den Eingängen vieler Läden fand.
Draußen war es bereits dämmrig und das Spielfeld war nur so von roten Hotels übersät. Nadja kam herein und kündigte an, dass sie langsam zum Ende kommen mussten, lächelte aber dabei, angesichts der Tatsache, dass die beiden nun mehr als vier Stunden spielten. "Kein Problem, ich habe sowieso haushoch gewonnen.", verkündete Lars und fuhr mit seiner Spielfigur zehn Felder vorwärts. Er landete dabei auf "Frei Parken" und nickte seinem Vater zu, der an der Reihe war. "Noch ist nichts entschieden.", meinte dieser mit großer Hoffnung in der Stimme. Die Würfel zeigten zwei mal die drei, als sie ausgerollt waren und Lars' Vater fuhr mit seinem Metallhut auf ein Gemeinschaftsfeld. Gespannt zog er eine Karte vom Stapel und machte plötzlich große Augen, kurz darauf zeigte sich ein schadenfrohes Grinsen auf seinem Gesicht. Lars ahnte nichts Gutes und wartete ab. Sein Vater laß laut vor und dem Zehnjährigen fiel die Kinnlade herunter. "NEIN.", rief Lars im Schock aus und klatschte seine Hände ins Gesicht. Lars besaß mit Abstand die meisten Hotels und genau das wurde ihm nun zum Verhängnis. Für jedes Einzelne sollte er jetzt 300 Monopolys an seinen Vater bezahlen. Sein Vater lachte hämisch und zog dabei seine Augenbrauen nach oben. Missmutig zählte Lars seine Hotels und multiplizierte diese dann mal 300. Insgesamt kam er dann auf 2700 Monopolys und war damit in seinem Reichtum seinem Vater unterlegen. "Ich denke wir sind fertig, nicht?", lachte sein Vater und übernahm das viele Geld.
Lars wachte mit brummendem Schädel auf und rieb sich die Stirn. Auch wenn es bezüglich seiner Blutwerte inzwischen wieder besser aussah und sein Körper die Chemo sehr gut weggesteckt hatte, bekam er von den vielen Medikamenten oft noch Kopfschmerzen und Übelkeit. Lars hoffte, dass die Dosis der vielen Medizin bald etwas zurückgehen würde. Langsam aber sicher merkte er auch, wie sein Körper etwas anschwoll. Das Kortison, das er einnehmen musste, verursachte Wassereinlagerungen im Körper. Bis jetzt hielt es sich noch in Grenzen, allerdings hatte Lars gehört, dass das Ganze noch größere Ausmaße annehmen würde. Na toll. Dann sah er aus wie ein dickes kleines Baby ohne Haare auf dem Kopf! Bestimmt würde keiner seiner Freunde ihn mehr für voll nehmen können. Außerdem machte man sich wahrscheinlich über ihn lustig. Lars verbannte die Vorstellung, von allen gehänselt zu werden wieder aus seinem Kopf und drehte sich auf die andere Seite. Durch die Glasscheibe konnte er von dieser Seite aus nur einen langen Schrank sehen, indem sich frische Bettwäsche und andere Sachen befanden, die für den täglichen Gebrauch nötig waren. Als Andrea, eine der vielen Krankenschwestern auf Station sieben zu ihm hereinkam, fragte sich Lars, seit wann sie heute wohl schon arbeitete. Sicherlich hatte er noch tief und fest geschlummert, als sie ihre Kolleginnen von der Nachtschicht abgelöst hatte. Überhaupt bewunderte Lars die Fähigkeit nachts zu arbeiten und am Tag zu schlafen. Er konnte sich nicht vorstellen seinen Alltag mal so und mal so zu führen. Die Nacht war für ihn eindeutig zum Schlafen da, auch wenn er sich manchmal wünschte er dürfte länger aufbleiben, um noch länger fernzusehen. "Na Lars, wie geht es dir?", fragte sie und stellte wie jeden Morgen eine große Schüssel mit warmen Wasser auf den Tisch. Dazu frische Waschlappen und ein Handtuch zum Abtrocknen. "Geht so.", murmelte Lars verschlafen und streckte seinen Körper im Bett weit aus. "Na komm, trink erst mal etwas, dann kommt dein Kreislauf in Schwung und dir gehts gleich viel besser.", forderte sie ihn auf und stellte ihm ein frisches Glas Apfelsaft hin. Verschlafen zwang der Junge sich dazu in seine Hausschuhe zu schlüpfen und die zwei Schritte zum Tisch zu torkeln. Er machte zwei Schlucke und stellte das Glas dann wieder hin. "Mehr.", sagte Andrea bloß und blickte ihn dabei aufmerksam an. Lars schnaubte einmal und setzte dann für einen weiteren Schluck an. Langsam hatte er es satt, alles gesagt zu bekommen, was er zu tun hatte, auch wenn die Schwestern es sicherlich alle gut mit ihm meinten. "Gut. Dein Körper dankt es dir, wenn er etwas Flüssigkeit bekommt.", sprach sie aus und sagte dann, er könne sich ausziehen und anfangen, sich zu waschen. Wenigstens das durfte er alleine machen, auch wenn sie ihn immer wieder darauf hinwies, er solle etwas sorgfältiger vorgehen. Dann musste er sich Sachen anhören, die er in seinem Alter eigentlich gar nicht wissen wollte. Beispielsweise, dass sich im Intimbereich sehr leicht Bakterien vermehren könnten, da es hier immer warm sei und man dort leicht schwitzte. Lars verdrehte meist nur die Augen und putzte sich weiter. Heute sagte sie glücklichweise nichts und ließ ihn in Ruhe machen, während sie schon mal die regelmäßige Blutentnahme vorbereitete und sein Bett neu bezog. Zur Blutabnahme griff sie aus dem eingebauten Regal ein paar eingepackte Spritzen heraus, packte sie aus, warf den Müll in den Abfall und zog eine davon mit so einem besonderen Wasser auf, mit der sie später seinen Katheter reinigte. Als Lars fertig war und sich die frischen Sachen anzog, wies sie ihn auf sein Bett und öffnete den Verschluss des herausstehenden Schlauchs.
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The kids at station 7
Short StoryEin ganz normaler Arztterim, dachte er. Schulfrei und eine entspannte Autofahrt nach Ulm, in der er auf dem Handy seiner Mutter ein Spiel spielen durfte. Man würde nur seine Fingernägel genauer unter die Lupe nehmen, mehr nicht. Die gehasste Doppels...