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Am nächsten Tag bekam er um die gleiche Uhrzeit wieder seine Chemo verabreicht. Dieses Mal jedoch, musste Lars sich nicht übergeben, sein Appetit war aber immer noch nicht zurückgekehrt, sodass er nun seit dem letzten Mittagessen nichts mehr gegessen hatte. Wie Lars jedoch bald feststellte, wurde er daraufhin schon bald mit künstlicher Nahrung versorgt. Das bedeutete, dass eine seltsame weiße Flüssigkeit durch einen dünnen Schlauch in seinen Katheter lief, damit er nicht abnahm. Spätestens jetzt wurde Lars bewusst, wozu der Katheter noch gut war.

Den Nachmittag verbrachte er zum Einen mit Kathi, die gefragt hatte, ob es ihm wieder besser ginge und aufgrund seines Wohlbefindens, zu ihm gekommen war. Heute durfte er auf einer strahlend weißen Leinwand ein Bild malen und obwohl er nicht besonders talentiert war und meistens keine Lust zu so etwas hatte, machte es ihm hier wahnsinnig viel Spaß. Im Hintergrund lief wieder die gleiche CD wie beim letzten Mal und Lars malte ruhig vor sich hin. Es war unglaublich beruhigend und die Stimmung in seinem Zimmer mit den durchsichtigen Wänden hatte etwas ganz Besonderes. Kathi gab ihm hin und wieder leise ein paar Tipps und beobachtete seine Pinselstriche. Es sollte eine Blumenwiese mit einem Haus und einem See werden. Im hinteren Teil des Bildes malte er zusätzlich einige Bäume. Lars stellte sich vor, es wäre ein großer Wald, der unendlich weit reichte und von vielen wilden Tieren bewohnt war. Er fühlte sich derartig in sein Bild hineinversetzt, dass er beinahe das Rauschen des Windes hören und die leichten Wellen im See erspähen konnte. Immer mehr Details kamen hinzu und eigentlich wollte Lars das Bild gar nicht zu Ende bringen, denn solange er malte, hatte er das Gefühl in einer fremden und wunderbaren Welt zu sein. Kathi ließ ihn malen, bis sie sagte, dass sie nun gehen müsse. Wie immer war sie etwas mehr als eine Stunde hiergewesen und hatte ihm Gesellschaft geleistet. "Darf ich trotzdem weitermalen?", fragte Lars bittend und stoppte kurz seinen Pinselstrich. "Na sicher, ich denke das ist in Ordnung. Wenn es fertig ist, kannst du ja deine Mutter bitten es nach draußen zum Trocknen zu stellen, okay?", schlug sie vor und packte ihre Sachen zusammen. "Ja, ich sags ihr.", gab der Junge zurück und lächelte. "Gut, dann sehen wir uns morgen wieder. Natürlich nur, wenn es dir einigermaßen gut geht.", fügte sie schnell hinzu und schmunzelte. Kathi hatte schmale und zarte Lippen, dafür waren ihre Augen aber umso größer. Sie strahlten ihn nun in einem freundlichen grün an und bildeten kleine Lachfältchen. "Bis morgen.", verabschiedete sich Lars und malte friedlich weiter an seinen Bild und lauschte der Musik im Hintergrund.

Der Zehnjährige war so vertieft, dass er fast nicht bemerkt hatte, wie seine Mutter von draußen zu ihm hereinkam. Er zuckte kurz zusammen als sie ihn ansprach. "Was machst du denn das Schönes?", fragte sie neugierig und beugte sich über sein Bild. "Ich male ein bisschen auf der Leinwand, die Kathi mir mitgebracht hat.", gab er zufrieden zur Antwort und nahm nun einen feineren Pinsel zur Hand, um ein paar Kleinigkeiten zu verbessern. "Wow, das sieht wirklich toll aus. Du hast dir ja noch nie so viel Mühe gegeben.", stellte sie erstaunt fest und betrachtete sein Kunstwerk eingehend. "Ja ich weiß, aber es macht mir gerade irgendwie echt Spaß.", erklärte er und lächelte versonnen. "Na dann will ich den großen Künstler ja nicht stören.", sagte sie mit einem breiten Lächeln auf dem jungen Gesicht.

Nach mehr als einer halben Stunde starrte er lange auf sein gemaltes Bild. "Ich denke ich bin fertig.", sagte er in die Richtung seiner Mutter, die neben ihm las und zeigte ihr sein vollendetes Werk. "Oh Lars, das sieht wirklich schön aus, wenn es trocken ist, hängen wir es sofort auf, okay?", bestimmte sie und nahm die Leinwand vorsichtig entgegen. "Und wo? Schließlich kann man ja hier keinen Nagel in die Wand hauen.", bemerkte Lars richtigerweise und runzelte die Stirn. "Ich weiß, aber vielleicht können wir es ja mit Klebeband irgendwo befestigen.", machte seine Mutter den Vorschlag. "Am Besten ich frage später einfach mal nach.", sprach sie aus und lehnte die noch feuchte Leinwand vorsichtig an einen freien Platz an die Wand. "Hast du eigentlich mittlerweile wieder ein bisschen Appetit?", schwenkte sie auf ein anderes Thema. "Nein, überhaupt nicht. Irgendwie schmeckt mir gar nichts mehr und mir wird immer nur schlecht von Allem. Selbst die Gummibärchen, die du mir mitgebracht hast schmecken anders und irgendwie nicht mehr so wie früher.", rückte Lars mit seinen Feststellungen heraus und zog ein bedauerndes Gesicht. "Ja ich glaube das ist ganz normal. Das liegt an der Chemo und den anderen Medikamten die du bekommst. Wirst schon sehen, das geht auch wieder weg.", munterte sie ihn auf und strich ihm durch seine noch vorhandenen Haare.



The kids at station 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt