Am Nachmittag wurde Lars schnell sehr langweilig. Langsam aber sicher wurde es zur Gewohnheit, dass der Fernseher mehrere Stunden am Tag lief, auch dann, wenn ihn das Programm eigentlich nicht interessierte. Doch dann kam Kathi zu ihm und die Langweile war wie verflogen. Kathi war eine ungefähr 25 Jahre alte Frau, die Lars heute kennenlernen durfte. Sie hatte immer etwas tolles dabei, mit dem Lars sich beschäftigen konnte und er musste schon bald zugeben, dass basteln richtig Spaß machen konnte. Seit diesem Nachmittag, an dem er er ein Holbrett in Form eines Kreises anmalen durfte und wie einen Fußball gestalten konnte, freute er sich jedes Mal wieder auf sie.
Viel zu schnell war Lars fertig und Kathi verabschiedete sich wieder von ihm. "Tschüss Lars, wir sehen uns dann morgen, mal sehen in welcher Lage du bist. Ich stelle deinen Fußball zum Trocknen nach draußen. Morgen ist er dann fertig.", sagte sie lächelnd zu ihm und ging mit ihrer Tasche höchstwahrscheinlich zu einem anderen Kind. Morgen bekam er seine Chemo. Sie hatte gesagt, falls er in der Lage wäre, würde sie wiederkommen. Warum sollte er nicht in der Lage dazu sein? Würde die Chemo wirklich so schlimm sein?
Lars stand auf und ging auf seine Toilette. Inzwischen hatte er sich tatsächlich ein wenig daran gewöhnt. Wenn er fertig war, musste er auf seinen roten Knopf drücken, damit jemand den Topf mitnahm und den Inhalt irgendwo entsorgte. Für die Krankenschwestern schien das nichts Besonderes oder gar ekliges zu sein. Sie schnappten sich den Topf und verschwanden damit. Zuvor setzten sie ihm allerdings noch einen Deckel auf.
Lars verbrachte den restlichen Tag an einem Leptop, das ihm seine Mutter besorgt hatte. Dort spielte er auf Spieleseiten und konnte sich so bestens seine Zeit vertreiben. Seine Mutter saß indessen neben ihm und las ein Buch. "Was spielst du denn gerade?", fragte ihn nun seine Mutter neugierig und legte kurz ihr Buch bei Seite. "Sushi Chef.", murmelte Lars beschäftigt seine kurze Antwort und klickte eifrig weiter um seine Kunden zu bedienen. Dieses Spiel hatte wahrlich Suchtpotenzial! Seine Mutter schaute kurz in den Bildschirm, lächelte und widmete sich wieder ihrem Buch.
Am Abend schalteten die Beiden auf ZDF und schauten eine Folge "Da kommt Kalle". In der Sendung ging es um einen Polizeihund, der seinen Polzeikameraden tatkräftig half, die Verbrecher zu schnappen und meistens sogar fast alleine alles erledigte. "Ich glaube ich weiß, wer der Dieb ist.", sprach Lars in diesem Moment aus. "So so, wer denn?", antwortete seine Mutter neugierig lächelnd. "Der Mann, der gerade telefoniert hat und dann so schnell weggelaufen ist.", vermutete Lars. "Na wenn du das sagst. Mal sehen, ob du Recht hast.", erwiderte seine Mutter und reichte Lars eine Tüte Gummibärchen. "Hier, hast du Lust.", wollte sie wissen. "Oh ja!", rief Lars aus und riss die Tüte auf und schob sich ein Gummitier nach dem anderen in den Mund.
Am nächsten Morgen verlief beinahe alles wieder so wie immer. Lars zog vorsichtig sein T-Shirt aus, damit er nicht an dem Schlauch hängenblieb, der nun schon seit ein paar Tagen aus seiner Brust herausführte. Bisher hatte man ihn allerdings nur einmal benutzt, um ihm eine Kanüle Blut abzunehmen. Dazu drehte man wie an einem Ventil und schon nach ein bisschen Warten kam irgendwann das dunkelrote Blut heraus. Ganz ohne Nadel und Schmerz. Inzwischen spürte Lars den Katheter kaum noch. Damit er nicht frei herumbaumelte, wurde er durch ein großes Pflaster und ein wenig Klebestripes an seinem Oberkörper befestigt und nur herausgeholt, wenn man ihn benötigte. Bisher konnte sich Lars zwar noch nicht ganz erklären, warum man ihn so dringend brauchte, aber schon bald wurde es ihm klar.
Am Mittag aß er noch mit vollem Genuss einen fertigen Pfannkuchen, der beinahe so gut schmeckte wie zu Hause. Die Lehrerin war wieder da gewesen und hatte mit ihm weitergeübt und sein Bett war erneut frisch bezogen worden, die Putzfrau hatte kurz durchgewischt und alles desinfiziert. Während er aß, unterhielt er sich ein wenig mit seiner Mutter und fragte sie auch, ob er heute schon seine Haare verlieren würde. "Nein Lars, so schnell geht das zum Glück noch nicht. Aber du musst damit rechnen, dass deine Haare in den nächsten Tagen möglicherweise stellenweise ausfallen.", vertraute sie ihm an und lächelte traurig. "Okay. Und tut es weh?", wollte er weiter wissen. "Nicht wirklich, aber die Ärzte meinen, dass dir vielleicht schlecht wird und Kopfweh bekommst. Das ist bei jedem etwas unterschiedlich.", klärte sie ihren Sohn auf. "Aber jetzt iss erst einmal deine Pfannkuchen. Noch ist es ja nicht so weit." Sie hatte Recht, erst in mehr als zwei Stunden, würde er die Dosis Chemo bekommen, die der Oberarzt Dr. Maulbart für ihn bestimmt hatte. Lars konnte dabei nicht wissen, dass sich dieser Mann fast die halbe Nacht den Kopf über ihn zerbrochen hatte, da er nicht wusste, wie viel Chemo Lars vertragen konnte.
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The kids at station 7
Kısa HikayeEin ganz normaler Arztterim, dachte er. Schulfrei und eine entspannte Autofahrt nach Ulm, in der er auf dem Handy seiner Mutter ein Spiel spielen durfte. Man würde nur seine Fingernägel genauer unter die Lupe nehmen, mehr nicht. Die gehasste Doppels...