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"Hallo?", meldete sich Lars' Mutter. "Tagesklinik Ulm, Dr. Maulbart hier. Gute Neuigkeiten. Es ist ein Platz auf Station 7 freigeworden, das heißt, sie können schon in weniger als einer Woche anreisen.", überbrachte der Oberarzt die Botschaft und klang hoffnungsvoll. "Oh, wirklich?", gab sie daraufhin zurück und blickte zugleich zu Lars. Die Art, wie seine Mutter ihn anschaute, sagte alles aus und Lars wusste Bescheid. Tausend Gedanken gleichzeitig durchströmten sein Gehirn und ließen ihn erschaudern. Wann würde es soweit sein? Schon morgen? Wann würde er die Chemo bekommen? Wann würden seine Haare ausfallen? Würde er womöglich ganz anders aussehen? Würde er Schmerzen haben? Wie lange musste er dort wohl bleiben und wie lange musste er drinnen bleiben und durfte nicht an die frische Luft? Alles, was Lars schon Wochen davor geplagt hatte, brach plötzlich alles auf ihn ein. Sein Gesicht entsprechend dazu war kahlweiß und seine Augen hatten sich um das zweifache vergrößert. Das Fleischstück, das er gerade im Mund zerkaute, fühlte sich auf einmal an, wie ein großer Stein und ließ sich nicht mehr zerkleinern. Lars rannte zum Mülleimer und spuckte es aus. Seine Mutter am Telefon sprach nicht viel. Wahrscheinlich wurde sie gerade mit lauter schlimmen Details dieser Chemotherapie zugeschüttet, vermutete Lars.

Lars stand immer noch entsetzt vor dem Mülleimer, als seine Mutter das Telefon bei Seite legte. "Was ist denn los Lars? Ist dir schlecht?", fragte seine Mutter besorgt. Stumm schüttelte Lars den Kopf und bewegte sich landsam wieder auf seinen Platz am Tisch zu. "Wirklich alles in Ordnung, du bist so blass?", hakte seine Mutter misstrauisch nach. Lars zwang sich zu einem Lächeln und tat so, als sei nichts gewesen. Anschließend rückte seine Mutter mit allen Informationen raus. Emilia und Nele sprachen gerade mit ihrem Vater und schienen das Gespräch der Mutter gar nicht mitbekommen zu haben. "Was wolltest du sagen?", fragte der Vater noch einmal nach. "Tut mir Leid, Emilia und Nele haben mir gerade etwas erzählt." "Also.", setzte die Mutter der drei Kinder erneut an und atmete einmal tief durch. "In Ulm ist ein Platz für Lars freigeworden.", platzte sie heraus. Alle machten ein erstauntes Gesicht, außer Lars. Schließlich hatte er längst erraten, worum es bei dem Gespräch mit höchstwahrscheinlich Dr. Maulbart ging. "Und wann ist es soweit?", wollte Nele nun wissen und sprach damit die Frage aus, die Lars so sehr quälte. "Nun, Lars." Sie wendete sich direkt an ihn. "Wenn dir das alles nicht zu kurfristig ist, könntest du bereits in einigen Tagen anfangen.", sagte sie und kratzte ihren fast leeren Teller aus. Lars hatte keine Ahnung, was er nun antworten sollte und trank hastig einen großen Schluck aus seinem Glas, damit er sich etwas Zeit verschaffte und zudem sicherging, dass seine Stimme nicht brach. Leider erreichte er genau das Gegenteil und verschluckte sich. Laut fing er an zu husten und seine Augen begannen zu tränen. "Ach Lars, trink doch nicht immer so schnell.", sagte sein Vater und klopte ihm auf den Rücken. "Geht's wieder?", fragte Nele und lachte. "Ja.", gab er mit erstickter Stimme von sich und hustete noch einmal. Wenigstens war das Thema für einen Moment nicht präsent gewesen, dachte Lars. Doch sofort lenkte seine Mutter wieder darauf und sprach ihn nun wieder an. "Also Lars, Dr. Maulbart meinte, du könntest dir maximal noch eineinhalb Wochen Zeit lassen, länger nicht. Es wollen schließlich noch weitere Kinder therapiert werden.", gab sie ihm zu verstehen und er nickte. "Und was ist mit der Schule?", fragte Lars. "Schließlich komme ich bald in die fünfte Klasse und will den Anschluss nicht verpassen.", erwiderte er trotzig. "Das ist mir klar Lars, aber ich denke, je älter du wirst, desto stressiger wird die Schule und natürlich auch wichtiger, außerdem bekommst im Krankenhaus Unterricht von einer Privatlehrerin.", informierte ihn seine Mutter. "Das kann ja sein, aber was ist mit Freundschaften? Ich bin doch der völlige Außenseiter, wenn ich erst nach mehreren Wochen in meine neue Klasse komme!", hielt er dagegen. Lars' Vater und seine Geschwister hörten schweigend zu, wie Mutter und Sohn diskutierten und aßen leise ihre letzen Löffel des Eintopfes. "Ich weiß, es nicht leicht, aber bestimmt kommen auch ein paar Jungs von deiner alten Klasse in deine Neue und die kennst du ja.", versuchte sie ihn zu beschwichtigen. "Trotzdem.", war Lars' letztes Argument, bevor er vom Tisch aufstand und in seinem Zimmer verschwand.

Dort angekommen nahm er seinen Fußball, der auf dem Bett lag und kickte ihn gegen eine freie Wand, obwohl er wusste, dass seine Mutter ihm dies strengstens verboten hatte. Lars musste zugeben, dass er sich etwas zickig verhalten hatte und seine Mutter ja nichts für sein Schicksal konnte, trotzdem kickte er den Ball immer wieder wütend an die Wand. Es tat wahnsinnig gut, seine vielen Gefühle an die Wand zu pfeffern. Er wollte nicht wie die Mädchen sein, die andauernd über ihre Ängste und Sorgen nachdachten und sich komisch verhielten. Emilia und Nele konnte diese Aufgabe übernehmen, aber doch nicht er! Peng. Peng. Peng. In regelmäßgen Abständen prallte der Ball an seine Zimmerwand und Lars erkannte schon die Abdrücke, die sich dort bildeten. Egal, dachte er und schoss munter weiter.


The kids at station 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt