Kapitel 1

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Ein paar Tage später ist das Wochenende rum, ich bin weiter im Training und kann meine Leistung immer weiter steigern.
Am Mittwochabend schaffen Dad und ich es mal, dass wir zusammen zu Abend essen und es macht mich schon mittags skeptisch, wie wichtig ihm dieses Abendessen scheint. Er fragt mich schon in der Schule per SMS, ob ich heute Abend zuhause sein kann. Natürlich ist das kein Problem.
Als ich sehe, dass er mein Lieblingsessen macht, nämlich Chili Con Carne, bekomme ich wieder das Gefühl das etwas nicht stimmt. Ich mustere meine Dad einen Moment, sage dann aber doch nichts. Aber trotzdem lässt mich ein ungutes Gefühl nicht los.

„Was denkst du könnte das alles bedeuten?", fragte ich Alexa und schaue auf meinen Laptopbildschirm. Darauf ist die fröhliche, aufgedrehte Blondine zu sehen, die sich meine beste Freundin schimpft.
„Keine Ahnung? Vielleicht ist Anne schwanger?", kichert sie und ich kann in dem kleinen Fenster in der Ecke, in dem ich mich selbst sehen kann, sehen, wie meine Augen sich weiten. Alexa lacht noch lauter los und ich sehe, wie sie ihren Kopf nach hinten wirft. Dann fixiert sie ihre stahlblauen Augen, die stark mit Eyeliner umrandet sind, wieder auf mich und winkt ab: „Quatsch... Vielleicht hat er einfach nur mal Lust darauf Zeit mit dir zu verbringen."
Ich überlege und nicke dann auch. Wir skypen schon seit einer halben Stunde und wollten eigentlich Hausaufgaben zusammen machen, aber... ja...
„Hast du eigentlich irgendwas zu Andrew gesagt?", fragt sie mich und ich grinse in mich hinein.
„Nö, wieso?", pfeife ich unschuldig zurück.
„Er wollte wissen, ob ich am Wochenende beim Spiel war und wie es mir gefallen hat", sage sie und stützt mit einem verträumten Blick ihr Kinn in ihre Hand. Ich schmunzle über sie und schaue über meine Englischhausaufgabe.
„Ich hab natürlich gesagt, dass ich wie immer mit dir dabei war und wie gut er gespielt hat und...", sie erzählt noch weiter aber ich blende ihr Geblubber über Andrew aus. Irgendwie ist es unangenehm für mich, wenn ich sie oder andere Mädchen so über meine Teamkollegen und Freunde reden höre. Besonders wenn sie anfangen davon zu schwärmen, wie heiß sie sind. Und wenn sie anfangen mich auszufragen, wie es sich anfühlt, wenn sie mich verschwitzt und ohne Shirt nach dem Training manchmal umarmen oder so, kriege ich die Krise und halte mir die Ohren zu.
Alexa weiß inzwischen auch, dass ich ihr nicht so wirklich zuhöre, aber das stört sie nicht wirklich. Sie schaltet dafür ab, wenn ich über Fußball rede.

„Taylor! Essen ist fertig!", ruft mein Dad dann und ich verabschiede mich von Alexa. Wir verabschieden uns schnell voneinander und ich renne die Stufen runter zu meinem Dad. In der Küche sitzt er schon an unserem kleinen Esstisch. Er hat schon unsere Teller hingestellt und uns auch schon was zu Trinken eingeschenkt. Ich setze mich zu ihm und wir fangen an zu Essen.
Anfangs ist es leise, aber dann fangen wir an über Fußball zu reden und damit sind wir in unserem Element. Wir sind schon fast mit dem Essen fertig, als Dad mich lachend unterbricht.
„Warte mal, Tay... Ich hab noch eine Sache, über die ich mit dir reden möchte", grinst er mich an.
„Du magst du Anne, oder?"
„Klar, sie ist total nett", lächle ich und wieder überfällt mich das seltsame Gefühl.
„Das ist schön, weil... naja", er lacht und ich komme nicht drum herum zu bemerken, dass mein Dad rot wird. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und er greift in seine Hosentasche und zieht etwas heraus. Er legt seine Hand in die Mitte vom Tisch und öffnet seine Faust. Darin liegen zwei silberne, kleine Schlüssel.
„Uhhh...", mache ich und schaue wieder in seine Augen.
„Anne und ich haben darüber geredet zusammenzuziehen."

Auch einen Tag später kann ich es immer noch nicht fassen. Ich kann mich in der Schule kaum konzentrieren und auch beim Fußball bin ich nicht bei der Sache. Das fällt meinen Freunden und auch dem Coach sofort auf. Ich verspiele den Ball einige Male und Kyle ist ein bisschen genervt, weil er mein Trainingspartner ist und immer wieder dem Ball über den halben Platz nachjagen muss.
„Was ist los?", fragt Calum mich und ich schaue zu ihm auf. Ich fahre mir durch die Haare und seufze.
„Hood, Jones!", wir zucken zusammen und drehen uns mit entschuldigenden Blicken zum Coach um. Er hasst es, wenn wir versuchen im Training zu reden.
Kyle kommt zurück und wir trainieren noch etwa eine Viertelstunde weiter, bevor der Coach uns entlässt.
„Also, was ist los?", fragt Calum nochmal und rempelt mich leicht an der Schulter an.
„Ich... ich ziehe, glaube ich, bald um", sage ich langsam und schon schnappen die Jungs um mich herum schockiert nach Luft.
„Was?!"
„Wohin?"
„Wann?"
Ich muss jetzt doch lachen und beruhige meine Freunde sofort: „Keine Angst, nicht weit."
„Achso?", fragt Kyle mich.
„Mein Dad und seine Freundin wollen zusammenziehen..."
„Wow. Wie lange sind die schon zusammen?", fragt Calum.
„Etwa ein Jahr..."
„Naja, dann ist das doch aber auch voll okay, oder? Du hast doch schon oft gesagt, dass du sie magst", meint Andrew und klopft mir auf die Schulter.
„Aber ich hab dann plötzlich wieder sowas wie eine Mutter und gleich zwei Brüder und eine Schwester", sage ich irritiert.
„Hast du jetzt mehr Angst vor den Brüdern, der Mutter oder der Schwester?", lacht Chris.
„Schwester. Definitiv vor der Schwester", lacht Andrew mit und ich schlage ihnen gegen die Schultern.
„Ist doch nur die Wahrheit. Mit Kerlen hattest du noch nie ein Problem, wie man sieht", lacht Andrew wieder und ich rolle mit den Augen. Der Coach drückt mir mit einem grimmigen Ausdruck den Schlüssel in die Hand und ich gehe mich schnell alleine Duschen.

Im Auto geht es ab wie immer. Ich werde zwischen den Jungs eingequetscht und es ist ihnen absolut egal. Ich kriege Tritte in die Waden ab, als sie einsteigen und sie denken nicht einmal dran sich zu entschuldigen. Aber das finde ich gut. Ich will von ihnen nicht anders behandelt werden.
„Ich mache heute Abend einen Männerabend. Kommt ihr alle?", fragt Chris und dreht sich im Beifahrersitz zu uns um.
„Klar", geben wir einstimmig zurück und Kyle schaut von seinem Handy auf: „Kann ich Emma mitbringen?"
„Woah, keine Weiber! Was verstehst du an ‚Männerabend' nicht?", murmelt Calum neben mir und bringt mich zum Lachen.
„Okay, okay!", Kyle hebt abwehrend die Hände und beginnt dann wieder auf seinem Handy zu tippen.
„Sollen wir was mitbringen?", fragt Andrew und schaut zu seinem besten Freund rüber.
„Bier?"
Wir lachen laut los und versprechen, dass jeder irgendwas mitbringt, damit wir für den ganzen Abend versorgt sind.
„Soll ich dich zu Chris mitnehmen?", fragt Andrew mich, als ich aussteige.
„Wäre cool", sage ich und grinse ihn an.
„Geht klar, Tay. Bis später. Ich schreibe dir, wenn ich losfahre", ich winke und laufe schnell ins Haus. Dad ist auf der Arbeit, also laufe ich direkt in mein Zimmer.

Ein paar Stunden später ist Alexa wieder auf meinem Laptop zugeschaltet.
„Ich hab nicht mehr viel Zeit", sage ich zu ihr und stehe von meinem Schreibtischstuhl auf.
„Wann holt Andrew dich ab?"
Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass er mir vor nicht mal fünf Minuten geschrieben hat.
„So in etwa 10 Minuten ist er hier...", sage ich nachdenklich und überlege, wie lange er immer so braucht.
„Willst du so gehen?", fragt Alexa und zieht eine Augenbraue hoch. Ich schaue an mir runter und weiß nicht was sie meint.
„Ich wollte noch einen Pulli mitnehmen?", sage ich dann und es klingt ziemlich fragend, weil ich nicht weiß, was sie an mir auszusetzen hat.
„Zieh doch mal die Jeans an, die ich mit dir gekauft habe! Oder das süße Top, was du von Anne bekommen hast!", sagt sie und meine Stirn legt sich in Falten.
„Wieso?"
„Weil du zu einer Party mit ganz vielen Typen gehst?"
„Es ist ein Männerabend. Natürlich sind da nur Kerle", sage ich ehrlich verwirrt.
„Ein Männerabend. Ich fasse es nicht", seufzt meine beste Freundin und schlägt sich die Hand gegen die Stirn. Ich hab schon wieder eine Jogginghose und ein einfaches Basketballshirt an, was mir mein Dad mal geschenkt hat. Es ist sein altes aus dem College und deswegen steht auch hinten „Jones" drauf. Was ist denn daran so falsch? Na gut... okay... Ich könnte mich schon mal umziehen.
Seufzend gehe ich an meinen Kleiderschrank und ziehe eine beige Shorts und ein weiß-rotes Baseballshirt heraus. Ich ziehe mir beides an und stelle mich wieder vor die Kamera.
„Besser?"
„Warum sind dir eigentlich alle deine Shirts zu groß?", fragt Alexa mich: „Wenn du sie dir mal in deiner Größe kaufen würdest, wäre auch dein jungenhafter Stil nicht schlimm."
„So sind sie aber viel bequemer", verteidige ich meine Wahl und streiche das weit ausläufige Shirt glatt.
„Und die Shorts hast du auch wieder aus der Männerabteilung, oder?"
„Ja?"
Sie klatscht sich die Hand gleich ein paar Mal hintereinander gegen die Stirn und schüttelt den Kopf: „Irgendwann gebe ich es noch auf."
Ich rolle mit den Augen und höre Andrew vor dem Haus hupen. Ich greife meine Snapback neben meinem Laptop weg.
„Ich muss los, Lexa", sage ich und will den Videochat schon schließen, aber sie schreit plötzlich los.
Ich zucke zusammen und starre sie an: „Was ist denn jetzt kaputt?"
„Lass diese beschissene Cappy zuhause! Ansonsten komme ich persönlich zu dir und verbrenne sie sofort!"
Genervt lasse ich die Snapback wieder fallen und mache dann doch das Chatfenster zu. Ich klappe den Laptop zu und laufe schnell die Stufen in den Flur runter.
„Ich bin weg!", rufe ich und ziehe mir schnell meine Sneaker an.
„Okay! Meld dich, wenn ich dich abholen soll!", ruft Dad zurück und ich schnappe mir noch die Chipspackung, die ich mitbringen wollte, und laufe dann aus dem Haus.

Tomboy - Calum Hood FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt