Kapitel 14

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Es sind inzwischen drei Tage vergangen und bisher hat er mich nicht auf meine Tabletten angesprochen...vielleicht denkt er ja, ich habe sie nicht mehr genommen und deshalb den Zettel nicht gesehen? Das wäre gut, oder? Nur, dass ich sie leider immernoch nehme. Ich brauche sie einfach. Ich muss abnehmen. Ich laufe ins Bad und stelle mich auf die Waage, und bin erfeut zu sehen, dass ich wieder 2 Kg abgenommen habe. Ich knie mich gerade vor die Toilette, bereit zu kotzen, als ich höre, wie jemand die Haustür öffnet. Shit. Ben ist wieder da. Ich stehe schnell auf, und laufe nach unten. "Oh, hey, warum bist du so früh?", frage ich. "Bin ich etwa nicht willkommen?", fragt er grinsend. "Natürlich, Baby. Ich hab dich vermisst.", sage ich, während ich ihn küsse. Es ist wahr, ich habe ihn vermisst, nur hätte er ruhig 30 minuten warten können. Wir setzen uns auf die Couch und ich schalte den Fernseher ein, während ich mich an seine Schulter lehne. "Ayana...ich..ehm..eigentlich hab ich etwas, worüber wir reden müssen." Mein Kopf schießet sofort nach oben. Oh nein, es kommt. Er sieht genauso nervös aus, wie ich mich fühle. "eh..j-ja?", frage ich stotternd. "Ich..ich möchte das du ehrlich zu mir bist. Du weißt doch, ich würde dich nie verlassen,oder?" Ich nicke unsicher, weil ich mir da eigentlich nicht sicher war. Er könnte so viel bessere haben. "Okay, gut. Dann beantworte mir diese Frage ganz ehrlich: Wie hast du innerhalb der Zeit die wir zusammen sind, so viel abgenommen?" Er will es nicht selbst sagen. Er will, dass ich ehrlich bin und es selbst sage, selbst wenn er schon die Wahrheit vermutet. Ich schaue auf den Boden und spiele mit dem Ende meines T-shirts. "F-findest du mich zu.. dick?", frage ich stotternd und unsicher. Wenn er mich zu dick finden würde, müsste ich jeden Tag meine Tabletten nehmen und mich übergeben, um dünner zu werden. Seine Augen weiten sich vor Schock. "Gott, nein! Ayana, du bist perfekt! Wie kommst du denn darauf?! Nimmst du deshalb die Tabletten? Weil du denkst, ich finde dich zu dick?" Ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen bilden und schaue an die Decke, um sie zu unterdrücken. Ich atme tief durch, ich wusste, dass ich es ihm irgendwann sagen müsste, ich hatte nur nicht erwartet, dass 'irgendwann' so bald sein würde. "Okay, Ben, wenn ich dir die Wahrheit sage, bitte versprich mir nicht auszurasten.", fange ich an, und er nickt. "I-ich..Ich habe eine Essstörung, Ben. Ich esse nicht viel, und wenn, kriege ich ein schlechtes Gewissen und erbreche mich. Ich nehme Tabltten, damit mir das Kotzen leichter fällt und ich es öfter tun kann. Ich kriege manchmal Fressattacken, um danach alles wieder zu erbrechen. Mein Leben besteht nur daraus, darauf zu achten, mein Gewicht zu kontrollieren. Ich verstehe, wenn du nicht mit einem Mädchen wie mir länger zusammenbleiben willst, Ben. Aber bitte, dann mach jetzt  Schluss und lass mich nicht im Glauben, du kommst damit klar, nur um in einer Woche dann Schluss zumachen." Die Tränen fließen nun langsam über meine Wangen. Benjamin sieht geschockt aus, er wischt meine Tränen mit seinem Daumen weg. "Ich..ich brauche nur ein bisschen Zeit. Ich möchte nicht Schluss machen, aber gib mir nur etwas Zeit, das zu verarbeiten, okay?" Ich nicke und stehe auf. Im Zimmer angekommen, schließe ich ab, werfe mich auf's Bett und fange an zu weinen. Ich weine so sehr, wie ich schon lange nicht mehr geweint habe. Ich möchte ihn nicht verlieren. Ich kann ihn nicht verlieren, ich brauche ihn so sehr. Aber wer will mit einem Mädchen wie mir zusammen sein?! Ich spüre den Druck in mir, und versuche ihn zu unterdrücken, was Zittern verursacht. Nein, bitte nicht. So stark war der Druck das letze mal vor Monaten...es zu unterdrücken, verursacht Schmerzen. Ich atme in kurzen Zügen und bekomme das Gefühl, die Luft bleibt mir weg. Ich brauche Klingen. Nein, ich muss es unterdrücken. Für Ben. Ich kann ihm das nicht weiter antun. Das Verlangen wird so stark, dass ich schreien muss. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib und lasse alles raus. Das Zittern wird immer stärker. "AYANA, MACH DIE VERDAMMTE TÜR AUF!", schreit Ben von der anderen Seite. Ich möchte aufstehen, aber ich hab keine Kraft. Ich kann meinen Körper nicht kontrollieren. Ich halte ein Kissen vor meinen Mund, in das ich reinbeiße und schreie, in der Hoffnung es dämpft meine Schreie so sehr, dass Ben sich keine Sorgen mehr machen braucht. Falsch gehofft. "WAS IST LOS?! WENN DU JETZT NICHT AUFMACHST, ICH SCHWÖRE BEI GOTT, ICH TRETE DIE TÜR EIN!" Ich will ihm die Tür öffnen, oder zumindest sagen, dass er sie nicht eintreten soll, aber mein Mund weigert sich irgendwas rauszubringen außer Geschrei. Und zum ersten mal, seit einem Jahr, muss ich kotzen, ohne es selbst zu wollen. Ich renne schnell auf die Toilette. Nachdem ich mich übergeben habe, sehe ich an der Badewanne den Rasierer. Ohne nachzudenken, greife ich nach den Klingen. Ich habe keine Kontrolle über meinen körper und kann nicht mehr nachdenken. Alles was relevant ist, ist dass ich endlich aufhöre zu schreien, als die scharfe Klinge meine Haut trifft. Mein Atem beruhigt sich, und es fühlt sich an, als hätte man mir Drogen gegeben. Auf dem Badezimmerboden schlafe ich ein, nicht kümmernd, die Klingen wegzuräumen oder ähnliches. 

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