Kapitel 23

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"Wirst du mir noch erklären was da passiert ist?", fragt er zum 100-sten mal besorgt. Und jedesmal breche ich wieder in Tränen aus. Ben nimmt mich in den Arm und hört auf zu fragen und schließlich schlafe ich weinend ein, was mich an die Zeit vor Ben erinnerte. Die zeit in der ich jeden tag weinend eingeschlafen bin. 

Als ich am nächsten Tag in den Spiegel schaue, erschrecke ich fast selbst vor meinem Anblick. Meine Augen und auch unter meinen Augen war alles rot und angeschwollen vom weinen. Meine Haut ist blass und meine Haare ein Chaos. Ben kommt ins Badezimmer und umarmt  mich von hinten. Sein Kopf lehnt an meinem Nacken und er küsst mich dort sanft. Doch dann entfernt er sich abrupt und guckt verwirrt auf etwas an meinem hals. "Woher kommt das?!", fragt er und zeigt auf einen Knutschfleck am Hals. "äh von dir?!", frage ich verwirrt über den Ärger in seinen Augen. "Nein. nein.  Ich war das nicht, Ayana. Ich bin mir sicher. Ich hab dir in den letzten Tagen keinen Knutschfleck verpasst." Und dann wird mir klar woher er kommt. Von der Party. Von dem Jungen. Meine Augen weiten sich. "Ayana, woher kommt das?", fragt er und ich höre wie verletzt, aber vor allem wütend er ist. Aber ich kriege kein Wort mehr raus. Ich starre ihn einfach an. "Wenn du mir nichts sagst, verschwinde ich eben." Ich will sagen, dass er bleiben soll, aber es kommt nichts raus. Ich will es ihm erklären, aber es kommt nichts raus. Er guckt mich noch kurz wütend an, bevor er rausstürmt. Und dann breche ich auf dem Boden zusammen. Einfach weil alles zu viel ist. Der Junge von gestern und Ben. Was wenn er mich nicht mehr erklären lassen will, nachdem ich beim ersten mal nichts gesagt habe? Was wenn er Schluss macht? Ich kann ohne ihn nicht und ich hasse mich dafür, dass ich so abhängig von ihm bin. Die Tränen fließen über mein Gesicht und ich sitze einfach da, die Knie an mich gezogen und warte, das Ben zurück kommt.

Aber er ist nicht gekommen.

Nach fünf Stunden schlafen wache ich schließlich auf. Ich schaue auf die Uhr - 17 Uhr. Ben war vor sieben Stunden gegangen. Ich ziehe mich an und verlasse das Haus. Draußen laufe ich durch die Straßen von Paris und setze mich auf eine Wiese, hole mein Notizbuch und meine Kopfhörer heraus und beginne zu schreiben. Und während ich da sitze, und schreibe, kommt all die Traurigkeit mit einem Schlag und umhüllt mich. Ich hab das Gefühl meine Luft wird mir zugeschnürt und ich kann nicht atmen. Es fühlt sich an, als ob alles um mich herum so weit entfernt von mir ist und ich ganz allein bin. All die Monster in mir drin wachen auf und erinnern mich daran, warum ich so alleine bin. Und ohne es richtig zu bemerken, fange ich an es aufzuschreiben. Die sonne scheint heute ziemlich stark, weshalb ich die augen zukneifen muss, um etwas sehen zu können. 

"hey, is everything fine?", fragt ein Junge und setzt sich neben mich. Er wischt Tränen von meinem Gesicht von denen ich nicht einmal wusste, dass sie da sind. Ich nicke einfach und er schaut auf mein Notizbuch. "Du bist auch deutsch?" Ich erschrecke ein wenig, als ich höre, dass er deutsch kann. "Ehm ja.", sage ich leise. "Ich bin in deutschalnd geboren. Vor zwei Jahren hergezogen. Wie alt bist du?" Er kommt mir ziemlich freundlich vor, also hab ich nichts dagegen mich mit ihm zu unterhalten. "18 du?" "19. Ist alles wirklich okay bei dir?", fragt er und schaut mich besorgt an. "Ja. Alles okay. Ich hatte was im Auge.", lüge ich und erzwinge einen traurigen Versuch eines Lächelns.

Er deutet mit dem Kopf auf mein Buch. "Das sieht aber nicht so aus, als ob alles gut ist." "Ich weiß, aber es ist nicht so schlimm. Das ist normal.", flüstere ich. Und es stimmt, für mich war das normal. Ich habe immer meine Gedanken aufgeschrieben, vor allem wenn ich traurig war. Plötzlich nimmt er mich in den Arm und ich merke, dass mir so etwas gefehlt hat, eine Umarmung. "Ehm wie heißt du eigentlich?", frage ich während wir uns immer noch umarmen, und ich hatte auch nicht vor aus seinen Armen zu fliehen, aber schließlich geht er zurück, aber lässt einen arm um meine Schulter, sodass ich mich an ihn lehnen kann.

"Jan, und du?"  "Ayana.", antworte ich. Wir sitzen noch dort auf der Wiese einfach am reden, bis es dunkel wird.  

"Soll ich dich zu deinem Hotel bringen?", fragt er, während er aufsteht und seine Hände in seine Hosentaschen steckt. "Gern.", antworte ich lächelnd und geb ihm den Namen vom Hotel, weil ich selbst den Weg zurück nicht mehr weiß.  Ungefähr nach der Hälfte der Strecke legt er den arm um meine Taille und ich lehne mich an seine Schulter. Er hat etwas an sich, dass mich ihm sofort vertrauen lässt. Ich weiß nicht warum, aber es fühlt sich an, als ob wir uns schon ewig kennen. Schließlich stehen wir vor meiner Zimmertür. "Hier ist meine Nummer. Falls du wieder jemanden brauchst, kannst du mich gern anrufen oder mir schreiben.", sagt er lächelnd und gibt mir einen Zettel. "Danke. Für alles. Du hast mir echt geholfen." Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und geht dann. 

Als ich die Tür zum Zimmer aufmache, sehe ich, dass das Licht an ist. Ben ist da. Eigentlich sollte ich froh sein, aber ich bin  wütend. Er hat mich einfach alleine gelassen, sich nicht gemeldet, wegen einer Sache die nicht mal passiert ist. Ich habe ihn nicht betrogen. Er hat mich hier gelassen, in einer Stadt die ich nicht kenne, in einem Land in dem ich noch nie zuvor war. Es hätte schlimmer enden können. Und mit diesen Gedanken im Kopf laufe ich ins Wohnzimmer, wo er Fern guckt. Naja, er starrt auf die Wand neben dem Fernseher. Als er mich bemerkt, springt er vom Sofa und eilt zu mir um mich in den Arm zu nehmen. "Es tut mir leid, okay? Ich hab dir keine Zeit gegeben irgendwas zu erklären.", sagt er als er mich wieder loslässt. "Warte mal...riechst du nach...Jungs Deo?", fragt er verwirrt. 

Ich seufze und nicke. "Alter, willst du mich verarschen-" aber ich unterbreche ihn. "Ich hab dich nicht betrogen, weder heute noch gestern.", sage ich etwas genervt, weil er mir so wenig vertraut. Er lacht sarkastisch. "Wow, Ayana, sehr überzeugend. Knutschfleck am Hals und nach Jungs Deo riechen, sieht ja gaaar nicht danach aus." Ich schrecke etwas zusammen, als ich höre wie kalt er dabei klingt. "Du vertraust mir nicht, dafür kann ich nichts.", murmle ich. "Ich vertrau dir nicht?! Wie würdest du denn reagieren, wenn ich mit Knutschflecken komme und nach Parfüm rieche?!", diesmal wird er lauter, weshalb ich ihn auch anschreie. "DU HAST DOCH KEINE AHNUNG WIE ES IST, SO ZU SEIN WIE ICH. TU NICHT SO ALS OB DU MICH VERSTEHST!" 

Für einen Moment ist er ruhig. Er tritt näher an mich heran, bevor er wieder anfängt zu sprechen. Ich sehe in seinem Gesicht deutlich, dass er verletzt ist, aber ich weiß auch anhand seiner Augen, dass das was er mir sagen wird, ihm schwer fällt und das es uns beide verletzen wird. 

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