12. Kapitel

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„Mom?", frage ich leise.

Meine Mutter steht in der Tür zur Küche, sie zittert leicht und ihre Augen sind geschwollen als ob sie den ganzen Morgen lang geweint hat. Sie hat sich nicht einmal angezogen, sie hat ihren Bademantel an und ihre Haare stehen ihr wie ein Vogelnest vom Kopf ab.

Mom schüttelt leicht mit ihrem Kopf, neue Tränen rollen ihr über die Wange, dann schlürft sie zurück in die Küche. Ich stelle meinen Rucksack ab und folge ihr. Hier ist eindeutig etwas nicht in Ordnung. Doch was?

Sie lässt sich auf einen Stuhl fallen, ich setze mich ihr gegenüber.

„Ni.. co.", erwidert sie, von einem Schluchzer unterbrochen?

„Was ist los, Mom?", frage ich. Doch irgendwie macht sich langsam in mir so eine Vorahnung breit. Langsam entsteht ein Knoten in meinem Bauch. Kennt ihr das? Wenn ihr eine Sekunde bevor ihr genau wisst was passiert ist schon das Gefühl habt die Nachricht in der Luft greifen zu können?

Dann holt meine Mutter tief Luft.

„Bianca hatte einen Autounfall."

Ich sage nichts.

„Sie.. hatte zu schlimme Verletzungen..."

„Nein.", unterbreche ich sie. Ich will das Ende dieses Satzes nicht hören. Ich schiebe meinen Stuhl zurück, alle meine Muskeln scheinen zum zerreißen angespannt zu sein. „Nein.", wiederhole ich. Etwas lauter dieses Mal.

Meine Mutter nickt nur, kneift die Augen zusammen und heult weiter.

„Doch.", erwidert sie leise. Ihre Stimme zittert und ist kaum mehr als ein Hauch. Trotzdem scheint mich dieses eine Wort von ihr umzuwerfen.

Der Knoten in meinem Bauch scheint zu Platzen, mein ganzer Körper scheint schwerer zu werden. Es kann nicht stimmen. Es kann einfach nicht sein.

Geistesgegenwärtig stolpere ich nach oben in mein Zimmer, flüchte in meine dunkle Höhle und hoffe einfach, dass das gerade eben nicht passiert ist. Ich schließe mich ein, lehne meinen Rücken gegen die Tür und gleite langsam nach unten, bis ich auf dem Boden kauere. Ich lege meine Arme um meine Knie und ziehe sie an, verberge meinen Kopf. Erst dann fange ich an zu weinen. Langsam rollen die Tränen und ich fange an zu zittern. Erst nun lass ich den Gedanken zu. Bianca ist Tod.

Ich weiß nicht wie lange ich an der Tür kauere, bis es leise klopft. „Nein!", belle ich sofort und schluchze dann.

„Nico.."

Die Stimme meiner Mutter ist sanft und leise. Doch ich kann nicht mit ihr reden. Klar wäre das vielleicht das Richtige. Wenn ich mich in ihre Arme fallen lassen würde und wir uns gegenseitig halten würden um uns zu trösten. Aber dabei würde es nicht bleiben. Sie wird Fragen stellen. Wir beide wissen, dass mit Bianca in letzter Zeit irgendetwas falsch gelaufen ist. Und genau das wird sie mich dann auch fragen. Ob ich weiß was in letzter Zeit mit ihr los war. Aber ich weiß es eben nicht. Ich kann ihr nichts sagen. Und genau das wird sie wahrscheinlich nicht verstehen.

Ich brauche aber trotzdem jemandem mit dem ich reden kann. Jason. Ich werde mit Jason reden. Ich ziehe mein Handy aus meiner Tasche, schreibe ihn Nachrichten, rufe ihn an. Doch niemand geht ran. Hätte mir ja schon vorher klar sein müssen, dass er bei Piper ist, seiner ach so tollen Freundin. Ich schluchze, dann steigt Wut in mir auf. Am liebsten würde ich irgendetwas zerschlagen. Irgendetwas kaputt machen. Doch gleichzeitig fühle ich mich so schwach, als ob die Trauer mir jegliche Kraft rauben würde. Erneut versuche ich Jason zu kontaktieren, doch erneut bleibe ich erfolglos. „Spast..", murmele ich.

Doch dann kommt mir ein neuer Gedanke.

Will.

Doch damit fällt mir sofort wieder ein, was er heute zu mir gesagt hat. „Wenn du mal einen 'Freund' brauchst. Renn' nicht zu mir. Immerhin sind wir keine."

Ich hab's so was von versaut.

Noch nie in meinem Leben war ich so sauer auf mich, dass ich einfach keine Freunde habe. Ja, jetzt gestehe ich es mir auch ein. Hätte ich mehr Freunde, mehrere gute Freunde, könnte ich mir aussuchen mit wem ich rede. So habe ich nur einen zur Hand und Jason hat anscheinend gerade eben besseres zu tun.

Ich öffne den Facebook Messenger, mein Daumen schwebt über Will's Chat. Jetzt verstehe ich auch irgendwie, warum er am Samstag unbedingt her kommen wollte. Was würde ich gerade eben nur dafür tun, damit mich jemand ablenkt?

Schnell tippe ich also mehrere Nachrichten.

Will

Ich weiß ich war heute scheiße zu dir

Aber ich weiß gerade echt nicht was ich tun soll

Kannst du vorbei kommen und mich abholen?

Zu meiner eigenen Verwunderung kommt Will kurz darauf auch online und liest meine Nachrichten. Es vergehen gefühlt Stunden bis ich eine Antwort bekomme.

Ach, jetzt bin ich als Freund gut genug oder was?

Ich schlucke. War das also ein nein? Doch er schreibt wieder, also warte ich geduldig.

Du bist vielleicht nicht mein Freund, aber ich bin deiner. Bin in ein paar Minuten bei dir.

Ich atme erleichtert durch, gleichzeitig steigen neue Tränen in meine Augen. Ich bin Will so dankbar dafür, dass er wirklich kommt. Er ist eben nicht so ein Dummkopf wie du Nico., denke ich und fahre mit meinen Händen durch meine Haare. Ich hätte nicht so bescheuert zu ihm sein sollen. Er hat mich gebraucht und ich habe ihn weg gestoßen. Aber diese Gedanken bringen jetzt alle auch nichts.

Ich atme tief durch, schließe meine Tür auf und trete nach draußen. Langsam laufe ich nach unten, prüfe noch schnell ob ich etwas Geld, mein Handy und meinen Schlüssel einstecken habe. Ich laufe die Treppen nach unten, meine Mutter wartet schon vor der Haustür. Erneut macht mich ihr Anblick fertig. Sie wirkt so alt.

Mom setzt an etwas zu sagen, aber ich stoppe sie vorher. „Sag nichts."

Sie runzelt die Stirn. „Nico Di Angelo..", setzt sie erneut an, doch ich unterbreche sie wieder. „Egal was du mich fragst was Bianca betrifft, ich kann dir keine Frage beantworten. Ich hatte in letzter Zeit kaum Kontakt mit ihr.", sage ich und meine Stimme zittert leicht. Gleichzeitig kostet es mich irgendwie Überwindung diese Sätze laut auszusprechen. Vielleicht hätte ich mehr für Bianca da sein können, öfter mit ihr schreiben können um einfach nur zu wissen was in Moment bei ihr los ist.

Aber all dieses 'hätte hätte hätte' hilft mir nun auch nicht.

Meine Mutter sieht verwirrt aus, sie schüttelt leicht den Kopf. „Aber.."

„Nichts aber. Ich muss raus. Den Kopf frei kriegen.", sage ich, meine Stimme klingt jetzt schon wieder etwas fester (zum Glück).

Dann denke ich mir einfach, scheiß drauf.

Irgendwie schaffe ich es mich an ihr vorbei zu schieben ohne ihren verzweifelten Blick aufzufangen und mich aus der Tür zu schieben. Weg, einfach nur weg.

Draußen fährt gerade ein Auto vor. Rosty. Ich zögere nicht lange und laufe auf das Auto zu.

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Da bin ich wieder, sorry für die "lange" Wartezeit xD

Irgendwie ist das Kapitel crap oder nicht? Na ja, vielleicht wird das nächste wieder besser. 

Sers

And then something changedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt