23. Kapitel

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Will's PoV

Mein Vater sagt die ganze Fahrt nach Hause nichts. Und ich ebenfalls nichts, ich starre einfach aus dem Fenster. Die Stille ist nicht angenehm, nein, im Gegenteil. Es die Ruhe vor einem Sturm. Oder wenn sich das Meer zurück zieht um als ein Tsunami zurück zu kommen. So eine Ruhe ist es. Eine angespannte und gefährliche.

Ich sehe jetzt schon wie es in Dad brodelt. Man sieht eindeutig wie er sich im Kopf schon die Worte zurecht legt, die ich gleich, wenn wir Zuhause sind, an den Kopf geworfen bekomme. Auf seiner Stirn, gleich über seinem Nasenbein ist diese kleine Falte, die immer da ist wenn er wütend ist. Doch ich habe gerade andere Sorgen.

Ich starre einfach nur aus dem Fenster und denke an den Menschen der mir in letzter Zeit ans Herz gewachsen ist: Nico

Dieser Junge ist mir immer noch irgendwie ein Rätsel. Doch andererseits mag ich ihn genau so. Ich will gar nicht dieses Rätsel lösen. Ich will mit ihm zu diesem Rätsel werden. Hört sich vielleicht komisch an, aber ist so.

Ich frage mich wirklich, warum ich Nico noch nie vor dem Tag als er in die Krankenstation gebracht wurde, gesehen habe. So jemand fällt doch auf, oder nicht? Ich wollte vom ersten Moment als ich ihn sah wissen was es mit diesem Jungen auf sich hat. Doch ob man das je aus ihm heraus bekommt? Ich denke, er will sich mir öffnen. Seine dunklen Augen scheinen etwas heller zu wirken wenn ich bei ihm bin und dann scheint er auch öfters einmal ein Lächeln zu zulassen. Doch jetzt, nach den harten Worten meines Vaters.. ich weiß nicht wie es jetzt mit ihm weiter geht. Und darum drehen sich nun meine Gedanken. Nicht darum, dass meine Nase höllisch schmerzt, ich mich am liebsten übergeben würde, mein eines Auge schon fast ganz zu geschwollen ist und ich mich so fühle als ob ich mir eine Rippe gebrochen hätte. Ich denke einfach nur daran, wie Nico vor dem Baum zusammen gesackt ist, als mein Vater mich regelrecht von ihm fort geschleppt hat.

Ich wollte zu ihm, wollte meinen Dad anschreien, dass er mich gehen lassen soll. Das er mich einfach akzeptieren soll. Aber ich habe es nicht getan. Und das bereue ich.

In der Zwischenzeit sind wir Zuhause angekommen, ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen als mein Vater meine Autotür öffnet um mich dann wieder zu stützen. Am liebsten würde ich seine Hilfe ablehnen, doch der brennende Schmerz in meiner Brust würde mich nicht weit laufen lassen. Also lehne ich mich widerwillig auf ihn und humpele zum Haus.

Meine Mutter macht die Tür auf und einen Moment lang glaube ich sie fällt gleich in Ohnmacht.

„Mein Gott Will!", ruft sie aus und rennt auf mich zu, nimmt mein Gesicht in ihre Hände. Ich zucke zurück, worauf ein Schmerz durch meine Brust schießt und ich leise stöhne.

„Was ist passiert?", fragt Mom aufgeregt und schwirrt weiter um mich herum. Dad schafft es irgendwie mich ins Wohnzimmer zu schleppen, wo ich mich auf dem weichem Ledersofa fallen lasse. Ich atme erleichtert aus, Mom steckt mir Kissen in den Nacken und Dad holt Kühlakkus. Meine Mutter streicht mir über die Haare, ich schaue sie an. Hat sie etwa Tränen in den Augen?

„Was ist passiert?", fragt sie schließlich noch einmal.

„Na was wohl, dieser Nico hat Will in eine Prügelei verstrickt.", antwortet mein Vater, worauf ich stöhne.

„Dad, das ist-"

„Ich habe dir doch gesagt, dass dieser Junge kein guter Umgang für dich ist. Bleib doch bei deinen alten Freunden. Was hast du überhaupt mit ihm zu schaffen? Der Junge sieht aus wie halbtot.", unterbricht er mich.

„Dad-"

„Ich habe gewusst wir hätten früher etwas unternehmen sollen. Ist mir egal wie du zu Nico stehst, aber ich will nicht das du mit ihm irgendetwas.. hast."

„Dad!", stoße ich hervor und atme scharf ein als ein neuer Schmerz durch meine Brust schießt.

„Kannst du mich auch mal etwas sagen lassen?"

Dad fängt an mir das Blut aus dem Gesicht zu wischen, drückt an meiner Nase herum weshalb ich immer wieder zusammen zucke. „Nicht gebrochen..", murmelt er, legt das blutverschmierte Tuch weg und schaut mich an.

„Also?"

„Es war nicht Nicos Schuld."

Meine Mutter lässt sich ebenfalls auf das Sofa fallen, ihr Blick ist abwesend, als ob sie gerade nicht hier wäre.

„Ach, seid wann prügelt sich denn mein Sohn, hm?"

„Die anderen haben angefangen. Sie haben uns herum geschubst und.. beleidigt."

„Und das konntest du nicht mit Worten klären?"

Ich schüttele den Kopf. „Nein.. sie sind auf Nico los gegangen und ich wollte ihn einfach nur verteidigen, immerhin ist er jünger als ich und-"

„Mal eine andere Frage", unterbricht mich mein Vater, mal wieder, und schaut mich an, „bist du zufällig dazu gekommen oder warst du bei Nico?"

Ich halte einen Moment inne, zögere wohl einen Moment zu lange als ich sage: „Ich habe beobachtet wie sie ihn schikaniert haben."

Der Blick meines Vaters scheint mich zu durchbohren. „Ich weiß das du lügst, Will."

Ich seufze und schließe meine Augen.

„Ist mir egal was passiert ist. Fakt ist, dass es so nicht weiter geht. Deine Mutter und ich haben schon letztens darüber gesprochen und ich denke wir sollten es durch ziehen."

Ich erwarte alles. Einen Schulwechsel, lebenslanges Hausverbot, Fahrverbot mit Rosty oder unglaublich viele Arbeiten im Haushalt. Strafen eben. Aber als er dann weiter spricht.. da habe ich das Gefühl alles zu verlieren.

„Wir wollen umziehen. Wo anders von vorne starten. Vielleicht.. vielleicht wird dann unsere Beziehung auch wieder besser."

Ruckartig setze ich mich auf, Schmerz schießt durch meine Brust und ich lasse mich wieder zurück fallen. Ich will meinen Vater hasserfüllt anstarren, doch ich kann es nicht. Er ist mein Vater. Ich kann ihn nicht hassen. „Du willst also einfach feige abhauen?", murmele ich.

Dad fängt an zu Lachen. „Guter Scherz, Will."

Ich starre ihn weiter an.

„Dad?"

„Ja?"

„Du warst nicht sehr nett zu Nico."

Das Lächeln verschwindet aus seinem Gesicht.

„Er ist nicht gut für dich, Will. Er reitet dich in irgendwelche illegalen Geschäfte rein und-"

Jetzt bin ich derjenige, der ihn unterbricht.

„Du kennst Nico nicht. Du weißt nicht, was mit ihm los ist. Weißt nicht, dass er keinen Vater mehr hat. Weißt nicht, dass seine Schwester letzten Samstag beerdigt wurde. Weißt nicht, wie trostlos er auf das Leben sieht, das für ihn keinen Sinn mehr hat."

Mein Vater sagt nichts, schaut mich einfach an.

„Aber ich will ihm etwas anderes zeigen. Ich will ihm zeigen, dass das Leben sehr wohl einen Sinn hat. Dass ich sein Sinn werden kann. Weil ich ihn liebe.", spreche ich weiter. Meine Stimme zittert nur leicht, klingt aber trotzdem hart.

„Ich werde und kann ihn nicht verlassen. Ich gehöre zu ihm, so wie er zu mir gehört."

Auch wenn es höllisch weh tut, stehe ich auf, nehme meine Kühlakkus und laufe in mein Zimmer.

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Welcome back, höhö

Hier ist jetzt also das Kapitel aus Will's Sicht :) Hoffe es hat euch gefallen :) Eventuell werde ich in nächster Zeit etwas öfters aus seiner Sicht schreiben.. bin mir aber noch nicht sicher :'D

Ich glaube sehr lange wird diese FF nicht mehr gehen.. aber ich habe schon einen Plan für eine neue Solangelo FF hehe 

Noch einen schönen Rest-Sonntag :D


And then something changedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt