13. Kapitel

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Erst laufe ich noch zielstrebig auf Rosty zu. Doch mit jedem Schritt werde ich unsicherer. Was habe ich nun davon erwartet, wenn Will mich abholt? Was jetzt? Was soll ich sagen? Ob er wohl noch sauer auf mich ist? Ob er wohl überhaupt sauer auf mich war? Zu viele Fragen. Zu viele Gedanken. Meine Schritte werden also langsamer, aber schließlich bin ich an dem Auto, das am Straßenrand steht, angekommen. Ich lege meine Hand an die Tür, atme noch einmal tief durch. Dann ziehe ich an dem Griff und öffne die Autotür.

Schnell lasse ich mich auf den Beifahrersitz fallen, ziehe die Tür hinter mir zu und starre aus der Windschutzscheibe. Ich schaffe es nicht meinen Kopf zu drehen und Will anzusehen. Warum ich mich das nicht traue? Weil ich Angst habe. Angst davor, wieder diese Kälte in seinen Augen zu sehen. Oder richtig in seinen Augen zu sehen, wie er mich irgendwie.. verachtet.

„Hallo Nico."

Er betont meinen Namen irgendwie komisch. Er spricht jede Silbe einzeln aus. Und das „c" irgendwie so hart.

Ni – ko.

Ich drehe meinen Kopf und schaue ihn an. Erwarte seinen kalten Blick. Doch er sieht irgendwie einfach nur.. durcheinander aus. Seine Augen sehen rot aus, als ob er geweint hat. Und immer noch sieht er so ungepflegt aus wie in der Schule.

„Will.."

Ich will meine Hand auf seinen Arm legen. Doch auch das traue ich mich nicht. Die Angst, dass er einfach meine Hand abstreift, den Griff um das Lenkrad verstärkt und den Blick von mir auf die Straße abwendet. Das würde ich nicht ertragen. Irgendwie.

„Warum sollte ich kommen?", fragt er, leicht gereizt. Seine Stimme hört sich komisch quietschend an, wenn er anscheinend wütend wirken will. Es passt einfach nicht zu ihm. „Ich will meinen Kopf frei kriegen.", antworte ich schließlich.

„Ach.", stößt er hervor und fährt dann los.

Ich schaue aus dem Seitenfenster und achte nicht einmal darauf wohin Will fährt. Er sagt nichts, die ganze Zeit über. Und ich auch nicht.

Es dauert ewig um aus der Stadt heraus zu kommen, irgendwie sind alle Straßen verstopft. Doch als wir es schließlich geschafft haben, verstehe ich langsam wo Will hin fährt. Er fährt zu dem See in der Nähe.

„Will?"

Keine Antwort. Ich schaue ihn an. Sein Blick ist, natürlich, auf die Straße gerichtet. Seine Kiefermuskeln arbeiten, ich weiß aber nicht warum.

„Es tut mir Leid."

Ich fasse es gar nicht, dass ich das wirklich sage. Entschuldigen ist eigentlich nicht so meine große Stärke. Aber es war ganz einfach.

Will scheint sich einen Moment lang zu entspannen, kurz schaut er zu mir, dann wieder auf die Straße.

„Wir fahren zu einem Haus am See das meiner Familie gehört.", erklärt er.

Ach und meine Entschuldigung lässt er jetzt einfach so in der Luft hängen? Doch irgendwie ist mir das Recht. Stumm starre ich wieder aus dem Fenster. Die Wolken am Himmel ziehen sich zusammen, bestimmt wird es bald regnen.

Wir fahren durch einen kleinen Wald als es anfängt zu regnen. Blätter liegen auf der Straße verstreut, immerhin ist Herbst. Ich weiß nicht wie lange es dauert, bis wir aus dem Wald fahren und wir schließlich vor einem kleinen Haus halten, mit zwei Stockwerken. Schon von außen sieht es irgendwie gemütlich aus. Es hat eine weinrote Farbe, die Fensterrahmen sind in einem weiß gehalten, genauso der Sockel des Hauses. Eine kleine Treppe, ebenfalls in weiß, führt anscheinend zur Eingangstür. Ein kleiner Schuppen steht neben dem Haus.

Will parkt auf dem einzigen Parkplatz der hier zu existieren scheint. Als der Motor verstummt ist nur noch das stetige Trommeln des Regens zu hören.

„Warum musst du deinen Kopf frei bekommen?", fragt Will leise.

Ich atme scharf ein.

„Ich meine, wenn du nicht darüber reden willst ist das total in Ordnung, aber es soll besser sein wenn man darüber redetet, aber ich will dich jetzt auch nicht dazu zwingen und.."

„Meine Schwester ist tot.", unterbreche ich Will und starre weiter aus der Windschutzscheibe in einen fetten Busch hinein.

„Oh."

Ein paar Minuten sitzen wir noch im Auto, lauschen dem stetigen Prasseln, bis Will wieder spricht: „Lass uns rein gehen."

Ich seufze. „Wir werden komplett nass wenn wir jetzt da raus gehen.", antworte ich.

„Oh wow, tut mir wirklich Leid, dass ich für Prinz Di Angelo leider keinen Regenschirm habe.", sagt Will und ich schaue ihn kurz an. Will lächelt schief. Warum ist er jetzt wieder so locker? Um mich aufzumuntern? So wird das sicherlich nicht funktionieren. Will schlägt mir leicht auf den Arm.

„Komm jetzt."

Gleichzeitig springen wir also aus dem Auto und rennen, oder eher gesagt rutschen, auf das Haus zu, das zum Glück ein kleines Dach über der Eingangstür hat. Will bückt sich und hebt die Fußmatte hoch, wo ein Schlüssel zu finden ist. Schnell schließt er damit die Tür auf.

„Ernsthaft? Was ist das bitte für ein schlechtes Versteck?"

„So schlecht, dass niemand dort nach schaut.", antwortet Will und lächelt mich kurz an.

„Zieh deine Schuhe aus, sonst rastet meine Mutter aus wenn sie das nächste Mal hier ist.", sagt er und streift sich seine Turnschuhe ab. Ich ziehe ebenfalls meine Schuhe aus und stelle sie neben seine. Dann betrete ich das kleine Haus.

Das erste Wort, dass mir einfällt ist: Gemütlich

Es schien hier einfach der perfekte Ort zu sein um Ferien zu machen. Es gab eine kleine Küchenzeile mit einer Spüle und einem nicht zu kleinen Kühlschrank. Dann gab es ein kleines Sofa und einen kleinen Fernseher auf einem kleinen Schrank. In einem Art Wintergarten, natürlich mit Ausblick auf den See, stand ein Tisch mit vier Stühlen außen herum. An der Wand hingen Bilder, aber auch kleinere Auszeichnungen, wie Urkunden von der Teilnahme an Angelturnieren, aber auch von Bogenschießwettbewerben. Eine kleine Treppe führt nach oben in den zweiten Stock. Und obwohl das Haus von außen so klein gewirkt hat, war es darin überraschend geräumig.

Will hängt seine Jacke über einen Stuhl bei dem Tisch, dann schaltet er das Licht ein. Ich laufe zu ihm, lasse mich auf den nächsten freien Stuhl fallen. Kurz darauf sitzt Will neben mir und beobachtet mich. Mein Blick schweift wieder durch das kleine Strandhaus. So eine perfekte Familie. So wird meine Familie nie sein. Vor allem jetzt nicht, wo Bianca weg ist. Erneut trifft mich diese Erkenntnis schwer. Meine Familie war so kaputt. Und es gab niemanden, der das reparieren konnte.

Tränen stiegen in meinen Augen auf und es schien fast schon grundlos, dass ich einfach anfing zu heulen.

Will rückt mit seinem Stuhl näher, während ich mein Gesicht hinter meinen Händen verberge. Er legt eine Hand auf meine Schulter, drückt leicht. Eine tröstende Geste, doch gerade bewirkt sie so gut wie nichts. Das letzte Mal, dass ich so geheult habe.. ich kann mich gar nicht daran erinnern. Vielleicht ist es auch das erste Mal, dass ich so sehr heule. Ich habe das Gefühl diesen ganzen Schmerz wegen Biancas Tod einfach hinaus heulen zu müssen. Damit dieser Knoten endlich verschwindet. Doch er scheint davon nur noch dicker zu werden.

Will sagt irgendetwas zu mir, doch ich blende ihn einfach aus. Bis er schließlich seine Arme um ich legt und sich zu sich zieht. Ich denke nicht einmal darüber nach, was er da macht. Ich drücke mich einfach nur an ihn und heule in sein T-Shirt.

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Da bin ich wieder, yay. :D

Ich habe beschlossen zu versuchen jeden Dienstag und jeden Freitag diese Story zu updaten, damit ich nicht immer so unregelmäßig update x3

 Danke für die vielen Votes und Reads, wir sind jetzt schon bei 1 K, unglaublich! Macht so fleißig weiter ;) Und natürlich freue ich mich auch auf eure Kommentare x3

Bis nächsten Dienstag x3

And then something changedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt