Kapitel 4

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„I can make your hands clap!" sang ich laut mit und klatschte im Takt mit. Wild sprang ich durch mein Zimmer herum. Gut gelaunt tanzte ich hektisch durch mein Zimmer. Warum auch nicht glücklich sein? Meine Eltern hatten ein 'Familienessen' mit den Nachbarn vereinbart.

Was daran so geil war? Die kleine Schnitte alias Shanes Schwester ist auch dabei. Das war auch der Grund, weshalb ich meinen Eltern den Vorschlag gemacht hab.

Vor allem meine Mutter hatte sich über diesen nett gemeinten Vorschlag gefreut und nannte es: „den ersten Schritt in die richtige Richtung". Ich wunderte mich, dass sie überhaupt nicht misstrauisch waren, warum ich so plötzlich ein Essen mit fremden Menschen vorschlug. Da konnte man wieder sehen, dass ich meine in allen Maßen vorhandene Intelligenz nicht von ihnen geerbt zu haben schien.

Oh man, ich freute mich schon darauf ihre Glocken durchzukneten und sie unter mir stöhnen zu hören. Das Lied endete und brachte mich deshalb wieder zurück in mein Zimmer. Als ich die ersten Klänge des nächsten Lied hörte, erstarrte ich. Der Bass ließ den Boden vibrieren. Meine Kindheitsheldin sang gerade. Es war Mariah Carey mit 'Touch My Body'.

Ich schloss meine Augen und ließ mich von der Musik leiten. Ich begann also meine Hüfte im Takt der Musik kreisen zu lassen. Ich hob meine Arme und verschränkte sie hinter meinem Hinterkopf.

Meine Beine stellte ich weit auseinander und konnte somit meine Hüfte mit meinem Arsch besser bewegen. Ich ließ mich schließlich mitreißen und sprang auf mein Bett. Ich stemmte mich mit meinen Händen ab und schmiegte meine Hüfte immer wieder gegen die Bettdecke. Zur Krönung meiner Tanzeinlage riss ich meinen Kopf am Ende des Liedes instinktiv in die Höhe. Ich atmete schwer, schwitzte auch leicht.

Ich schaute leicht lächelnd aus dem Fenster. Ich sah nur wie die Vorhänge des Fensters von Shane kurz wehten, aber gleich danach wieder still standen. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und krabbelte näher ans Fenster. Mein Blick glitt herunter zu der Gasse, die mein Haus und deren trennte.

Es war eine stinknormale erdige Gasse, doch dann sah ich es. Ich legte erst meinen Kopf schief bis ich es entdeckte. Dort waren Handabdrücke, aber keine normalen! Das musste ich mir ansehen. Ich wollte gerade vom Fenster wegtreten, als ich ein Donnergrollen hörte. Nein, nein, nein! Natürlich musste es in diesem Waldkaff jetzt regnen.

Ich stürmte vom Fenster weg und trampelte die Treppe herunter. Ich riss die Türe auf und sah schon, wie es anfing zu regnen. Ich hetzte in die Gasse und blieb stehen. Vor meinen Füßen waren Handabdrücke mir Krallen an den Spitzen. Schnell kramte ich nach meinem Handy, um ein Foto zu schießen, doch ich hatte es oben gelassen. Würde ich jetzt wieder hoch rennen, würde alles vom Regen verschwunden sein. Schnell versuchte ich mir alles einzuprägen, doch die Erde begann schon nass und matschig zu werden. Ich gab es auf und sah nach vorne.

Wenige Meter hinter uns erstreckte sich schon der langsam dunkel werdende Wald. Anstatt rein zu gehen und zumindest eine Taschenlampe oder mein Handy zu holen marschierte ich in den Wald.

Meine Mutter würde mich sowieso erwischen und mir nicht erlauben rauszugehen. Auf Streit mit ihr hatte ich ausnahmsweise mal keine Lust. Es gab wichtigeres. Zum Beispiel dieses Monster zu fangen. Ich grinste bei der Vorstellung. Fernsehsender und Paparazzis würden zu mir kommen und ich würde ihnen stolz mein Monster präsentieren. Ich würde berühmt werden.

Das spornte mich die nächsten Minuten an, dieses Ding zu finden. Doch dann begann ich mitten im Wald zu frösteln. Meine Kleidung war durchnässt und klebte an meinem Körper. Von meinen Haaren liefen mir Wassertropfen über mein Gesicht und die Bäume warfen dicke Tropfen in meinen Nacken.

Nun hatte ich nicht mehr diesen Ansporn nach Berühmtheit. Die Flamme der Neugierde blieb auch aus, als ich an einem Baum Kratzspuren sah. Es waren Fünf und sie waren in Kopfhöhe. Ich sah kurz monoton den Baumstamm an und beschloss nach Hause zu gehen. Ein heißes Bad nehmen und dabei irgendeinen Horrorfilm zu sehen, ja da freute ich mich drauf. Also drehte ich mich um.

Ein Gebrüll ertönte plötzlich ganz in meiner Nähe. Ich drehte mich um mich selbst und sah etwas auf mich zu rennen. Mein Herz klopfte wild gegen meine Brust. Das Monster war fast bei mir angekommen und holte aus, wollte mich mit seinen Krallen zerfetzen. Ich wich noch in der letzten Sekunde aus und schubste das Teil von mir weg.

Dann war mein Zeitpunkt gekommen. In solchen Momenten handelte man immer nach einem Prinzip: 'jeder für sich selbst'.

Ich rannte los. Mir war klar, dass das Ding mich einholen würde und ich es nur verärgert hatte, doch es war mein natürlicher, menschlicher Verstand. Ich rannte so schnell ich konnte und schrie mir meine Seele aus dem Leib.

Ich setzte gerade zum Sprung an, war in der Luft, als nach meinem Fuß gegriffen wurde. Ich knalle auf den toten Baumstamm und schrie auf. Irgendetwas bohrte sich in meinen Bauch. Ich japste erschrocken nach Luft. Mit zitternden Händen versuchte ich mich aufzustemmen, doch hatte das Monster hinter mir völlig vergessen. Es packte mich an meinen Haaren und zog mich von dem Baumstamm. Ich schrie vor Schmerz auf und kniff vor Schmerz meine Augen zusammen. Mit wässrigen Augen sah ich zu dem Gehölze.

Natürlich musste das mir passieren. Ich war auf ein abgebrochenes Aststück gefallen, welches jetzt rot gefärbt war. Ich schrie wieder und begann zu strampeln. Bei jeder Bewegung meines Oberkörpers oder meinen Beinen, durchschoss ein stechender Schmerz meinen Bauch. Ich keuchte und kniff meine Augen zusammen. Deshalb rollte mir eine Träne über meine Wange und ich verkrampfte mich.

Die riesige Pranke, welche sich in einen Haaren tief vergraben hatte, lockerte sich langsam und setzte mich schon fast sanft auf dem schlammigen Waldboden ab. Als die Krallen verschwanden, hatte ich keinen Halt mehr und sackte hilflos keuchend zu Boden. Ich schnappte ängstlich nach Luft und drückte meine Hände fest auf die Wunde. Ich spürte wie mein warmes Blut aus der Wunde quoll und sich in mein durchnässtes Shirt saugte. Hinter mir hörte ich einen lauten Atem, noch lauter als mein eigener.

Dann plötzlich legte sich eine große Hand auf meine Schulter. Ich zuckte zusammen und versuchte weg zu kriechen. Mein Körper begann zu zittern, meine Angst war niemals größer. Ich schluchzte erstickte und kniff wieder meine Augen zusammen. Ich hatte wohl ein paar Holzsplitter in meiner Wunde, und die drückte ich gerade feste darein. Ich nahm meine Hände von meinem Bauch. Sie waren voller Blut. Mein Atem ging schneller, panischer.

Mein Körper wurde umgedreht und ich sah erschrocken auf. Das war Shane. „Was-was" weiter konnte ich nicht stammeln, da er nach meinen Händen griff und sie auf meine Wunde presste. Ich schrie so laut, dass es durch den ganzen Wald hallte.

„Es tut mit leid, Milo. Das habe ich nicht gewollt. Ich verspreche dir, ich werde von nun an immer auf dich achtgeben" ratterte mein Gegenüber nur vor sich hin und starrte auf unsere Hände. „Was tust du hier?" keuchte ich und biss fest meine Zähne zusammen. Wenn er nicht meine Hände haben würde, würden sie wohl wie verrückt zittern.

„Du musst ins Krankenhaus" murmelte er.

Schneller als ich es wahrnehmen konnte, lag ich schon in seinem Armen. Er hatte einen schnellen Gang drauf, lief aber vorsichtig, damit ich nicht mehr als nötig Schmerzen hatte. Ich keuchte wieder und schluckte den aufkommenden Speichel herunter.

„Drücke weiter drauf! Hast du mich verstanden, Milo?! Halt die Augen auf!" er sah kurz zu mir runter und lief schneller. „Da sind Splitter drin, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, du Flachwichser!" knurrte ich und kniff meine Augen schmerzhaft zusammen.

Neue Tränen traten aus meinen Augen. Fest presste ich meinen Kiefer und Lippen aufeinander um einen mitleidigen Schluchzer zu umgehen. Doch als ich Shane aus den Armen rutschte und er seinen griff verstärkte, wimmerte ich kurz auf.

„Alles wird gut, hast du mich gehört, Milo?! Wir schaffen das!" seine Stimme wurde immer leiser, immer entfernter. Auch der Waldhimmel wurde immer dunkler, als würde ich einschlafen. Starb ich gerade? Ich wüsste gar nicht, ob meine Mutter mehr rumschreien würde, wenn ich sterben würde oder wenn ich das hier überleben würde.

Ich versuchte die Szenarien mir vorzustellen, doch irgendwie driftete ich ab. Ich konnte nicht mehr klar denken. Seine verzweifelten Worte 'bleib wach!' hörte ich nur noch als ein Flüstern in meinem Ohr. Ab da war alles schwarz und ich war weg.

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