Kleiner Wirbelwind

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(Jenna POV)

„Du Kathrin?“, fragte ich leise und richtete mich auf. Mit den Händen stützte ich mich nach hinten ins frische Gras.
„Mmh?“, brummend lag sie neben mir, das schwarze Haar verteilt zwischen den Gräsern. Ihre Augenlider zuckten kurz, als sie ihren Namen vernahm, aber geschlossen blieben sie dennoch. Die Schwarzhaarige genoss die warme Sommersonne, die wir uns beide auf die Haut scheinen ließen. So genossen wir oft in letzter Zeit die Pausen.

„Hast du Lust heute mal zu mir nach Hause zu kommen? Du warst noch nie bei mir“, schlug ich zaghaft vor. Es war mir nicht klar wie Kathrin reagieren würde. Noch nie hatte ich eine Freundin wie sie gehabt, ich wusste gar nicht wie ich damit umgehen sollte. Sie gab mir Halt und half mir meine Unsicherheit aus den früheren Jahren immer mehr hinter einer dicken Mauer zu verbergen.
Immer wenn Caro mich ärgerte oder beleidigte, ließ ich es mir nicht ansehen, dass es sehr schmerzte. Ich war ein sehr sensibles Kind gewesen, aber auch schlagkräftig.
Die Zeit in der weiterführenden Schule veränderte mich. Ich traf auf falsche Freunde, die meine Sensibilität ausnutzten. Irgendwann begann der Schmerz größer zu werden und zog meine starke Seite tief in mich, in eine Schublade, die ich nur sehr schwer wieder öffnen konnte.
In Neuseeland war es mir das erste Mal gelungen. Ich konnte mich endlich wieder wehren, wenn mir jemand blöd kam, doch auch fiel es mir noch immer schwer. Manchmal sackte ich zurück und das verletzte, schüchterne Mädchen kam wieder zum Vorschein.
Sich wehren können und sensibel, einfühlsam zu sein, waren zugleich Teile von mir.
Kathrin schenkte mir die Sicherheit endlich die Stärke wieder aufzubauen, die ich als Kind auch besessen hatte.

„Aber sicher doch! Ich muss doch auch mal dein Haus sehen. Außerdem ist mein Bruder dann auch wieder da, wenn wir zu mir gehen sollten. Er ist ganz cool drauf, aber manchmal auch echt nervig“, ein leises Kichern entwich ihren Lippen.
„Soll ich gleich nach der Schule mitkommen? Das geht am Einfachsten“, fragte die schwarzhaarige Schönheit. Schmunzelnd nickte ich, meine Mundwinkel zogen sich immer weiter auseinander, bis ich doch breit grinste.
„Solange es deinen Bruder nicht stört, dass du weg bist“, kommentierte ich lachend.
„Ach was. Der ist froh alleine zu sein“, wunk Kathrin ab und richtete sich langsam auf. Gräser lösten sich aus ihrem Haar und wurden vom leichten Sommerwind davongetragen.
Voller Tatendrang sprang sie zurück auf ihre Füße und blickte auf mich herab, die Hände in die Hüfte gestemmt.
„Auf geht's, auf geht's. Mathematik Doppelstunde. Bitte töte mich“, quengelte Kathrin, doch ein breites Grinsen zog sich über ihr Gesicht.
„Tut mir Leid. Das müssen wir beide überleben“, ich quälte mich hoch auf meine eigenen Füße und zupfte meine Kleidung zurecht.
„Wird schon“, beruhigte ich sie und klopfte ihr auf die Schulter, so breit grinsend, dass meine weißen Zähne blitzten. Große Motivation zu zwei Stunden Mathematik hatte ich auch nicht, aber ändern ließ es sich ja nicht.

Gemeinsam mit Kathrin machte ich mich auf den Weg in das Schulgebäude und von dort in unseren Raum für Mathematik. Lachend kamen wir dort an, nach zehn Minuten nur brüteten wir über schweren Abituraufgaben. 'Zur Übung' hatte unser Lehrer behauptet.
Mein Kopf rauchte. Auch ein flüchtiger Blick zu Kathrin, war nicht gerade hilfreich. Ihr Blatt gähnte genauso vor Leere wie meines.

„Gleich Schulschluss“, zischte Kathrin mir leise zu. Grinsend nickte ich breit.
„Und dann Wochenende“, erwiderte ich ebenso freudig und vollführte einen innerlichen Jubeltanz.
„Der Lehrer beendet die Stunde“, ertönte die Stimme unseres Lehrers, als das Rascheln von Blättern und Heften an Lautstärke zunahm. Abrupt war es still, nur einige Schüler murrten leise.
Nach wenigen Sekunden schwoll das Geräusch erneut auf.
Nach einem flüchtigen Blick auf die runde Uhr an der hellen Wand, huschte ein Lächeln über die Lippen des Mannes, der verzweifelt versuchte uns die Schönheit der Mathematik näherzubringen.
„Also dann wünsche ich euch allen ein erholsames Wochenende und nächste Woche erwarte ich euch frisch und munter“, er lachte leise, was jedoch im aufkeimenden Lärm von uns Schülern unterging.
Auch Kathrin und ich verstauten unsere Schulsachen und ich grinste sie an.

„Vorsicht junge Dame.“
Der erstaunte Ausruf unseres Lehrers ließ mich herumfahren. Er lachte leise. Sein Blick folgte dem jungen achtjährigen Mädchen, das nun auf mich zu gerannt kam.
„Jenna! Jenna!“, lachend sprang sie mir in die ausgebreiteten Arme.
„Hallo kleiner Wirbelwind“, begrüßte ich meine jüngere Halbschwester, erfreut und verwundert sie zu sehen.
„Ist das deine Klasse hier? Wow die ist ja riesig. Nicht so wie meine. Und weißt du was Jenna? Meine Lehrerin ist doof, die mag mich nicht. Sie will immer dass ich meine Hausaufgaben vorlese. Warum kann ich nicht schon fast fertig sein so wie duuu?“, fragte sie laut und schmiegte ihren Kopf an meine Schulter. Aus tellergroßen blauen Augen musterte die mich.
„Ganz einfach, Kleine. Du hast noch viel zu lernen und das hier ist zu kompliziert für deinen süßen Kopf“, ich wuschelte durch ihr blondrotes Haar. Ein helles Lachen war zu hören, dann rannte meine Halbschwester aus dem Raum.

Kathrin stand schmunzelnd neben mir.
„Ist ja knuffig. Schade, dass mein Bruder nicht mehr so ist, aber sag mal, Jenna. Lebt deine Schwester nicht bei deinem Vater?“, fragte mich die Schwarzhaarige.
„Ja eigentlich schon und das wundert mich auch ziemlich. Schnell hinterher, bevor sie noch etwas anstellt.“
Wir schulterten unsere Schultaschen und folgten dem Kinderlachen durch die Flure der Schule.

Wir mussten das gesamte Schulgebäude durchqueren und erst als wir ins Freie traten und die Sommersonne auf unsere Köpfe prallte, sahen wir meine Schwester wird. Aber nicht nur die.

„Oh bitte nicht“, stöhnte ich und warf Kathrin einen verzweifelten nach Hilfe schreienden Blick zu.
„Ich kann die zweite Frau meines Dads nicht ausstehen. Baby Puppe und viel zu jung. Sie ist nicht viel älter als wir“, zischte ich ihr als Erklärung zu. Meine Halbschwester hüpfte freudig um die schlanken Beine ihrer Mutter herum, redete und lachte, redete wieder und schnappte nach Luft, nur um wieder den Mund zum Sprechen zu öffnen.

„Jenna“, ertönte eine tiefe, brummige Stimme. Mein Dad kam geradewegs auf mich zu. Sein Haar war an einigen Stellen grauer geworden, seine Stirn wies mehr Falten auf. Er war älter geworden.
„Dad“, erwiderte ich leise und schloss ihn in die Arme. Verachtung empfand ich, als mein Dad von seiner neuen, jüngeren Flamme erzählte. Aber mit der Zeit verflogen meine schlechten Gedanken und zurück kamen die altbekannten Gefühle.
Schließlich ist er mein Vater! Trotz seiner Fehler und Makel. Niemand ist perfekt.

„Was macht ihr denn hier?“, fragte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum mein Dad mit seiner neuen Familie hier war. Im Gegensatz zu mir, hasste Mom ihn für seine Entscheidung. Sie liebte ihn noch immer und die Scheidung hatte ihr das Herz gebrochen.

„Ich wollte euch besuchen. Weißt du, Kind, deine Mutter redet immer noch nicht mit mir, aber ich möchte noch einmal einen Versuch wagen mit ihr zu reden, vernünftig“, erklärte mein Dad. Er sprach die Wahrheit. Das spürte ich und schließlich kannte ich meinen Vater zu gut. Ein ungutes Gefühl machte sich jedoch in mir breit. Es begann in meinem Magen und kroch wie eine Raupe hoch zu meinem Herzen. Genau einordnen konnte ich das Gefühl nicht. Es war wie Efeu, der langsam einen Baum besetzte, hochkroch, tötete. In solch behaglicher Geschwindigkeit, das man es selbst nicht spürte, bevor es zu spät war.

„Seid ihr mit Fahrrad hier? Sonst könnten wir euch auch mitnehmen“, schlug mein Dad vor und warf Kathrin einen Blick zu, die noch immer neben mir stand und schwieg.
„Wir fahren mit unseren Rädern. Sonst stehen sie hier und wir kommen am Montag nicht zur Schule, was eigentlich ganz angenehm wäre. Wir sehen uns gleich, Dad“, ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und lächelte glücklich. Lange hatte ich meinen Vater nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Es erfüllte mich zugleich mit Freude ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können, wie es mich auch beunruhigte, dass er hier war.

„Dein Dad ist ja echt nett, scheint er zumindest, aber irgendwie kommt mir die Sache suspekt vor. Dir nicht auch?“, Kathrin blickte von ihrem Rad auf. Ihre Augen blitzen gefährlich auf, als wenn sie genauso etwas ahnen würde, wie ich es unbewusst tat.

Mein Dad war nicht nur hier, um mit meiner Mom zu reden.

Hey :)

Ich melde mich auch mal wieder mit einem neuen Kapitel :'D

In der Weihnachtszeit ist leider sehr viel zu tun im Kindergarten, wo ich ja mein FSJ absolviere. Auch sind viele Erzieher krank und der Tag ist oft stressig :/

Aber ich habe endlich einen Moment der Ruhe gefunden dieses Kapitel niederzuschreiben :)
Ich hoffe es gefällt ^-^

Eure Laura :*

Who you truly areWo Geschichten leben. Entdecke jetzt