(Jenna POV)
Was auch immer seine eigenartige Geste bezwecken sollte, er hatte schnell eingesehen, dass ich mit ihr nichts anfangen konnte. Seitdem hatte er kein einziges Mal versucht mir diese Art der Konversation aufzuzwingen. Sein Blick jedoch, mit dem er mich musterte, hatte sich veränderte. Mir kam es vor, als würde er mich noch verwunderter anstarren, als sowieso schon. Beinahe schon anzweifelnd und regelrecht empört.
Was wenn er gar nicht dazu in der Lage ist zu sprechen? Was wenn er stumm ist?
Schoss es mir durch den Kopf, als wir einige Stunden nach unserem Aufbruch einen großen, sich durch die Landschaft windenden Fluss erreichten. Er war nicht tief, doch dafür schoss das Wasser in hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Das klare Wasser ließ uns bis zum steinernen Boden sehen.
Jenna! Verschwende nicht so viele Gedanken an diesen Fremden. Er bringt dich irgendwo hin und dann wirst du ihn nie wieder in deinem Leben zu Gesicht bekommen.
Zielstrebig steuerte Besagter auf eine weniger breite Stelle des Flusses zu, wo das Wasser, eingeengt durch das steinige Ufer, noch schneller über die Felsen rauschte.
Skeptisch betrachtete ich das klare Wasser, wie es unter meinen Füßen dahin rauschte.
Geschmeidig wie ein junger Tiger, übersprang der junge Mann den Fluss. Am gegenüber liegenden Ufer setzte er wieder auf, indem er den Schwung des Sprunges in den Knien auffing. Gemächlich richtete er sich auf, bevor er zu mir sah, abwartend, dass auch ich den nächsten Schritt wagte. Mein Blick wechselte zwischen ihm und dem Fluss hin und her.In meinem Magen begann es zu rumoren. So weit und hoch wie er konnte ich nicht springen! Ich wusste nicht wie er das angestellt hatte, aber mir würde das garantiert nicht gelingen.
Nervös geworden wich ich einige Schritte zurück und schüttelte unruhig den Kopf, sodass mein Haar wie Feuerlocken um mich herum tanzte.
Ich sah nach links, folgte mit meinen Blick dem Flusslauf, dann sah ich nach rechts. Es gab keine Stelle an der ich den Fluss leichter überqueren konnte, als hier an dieser.Wenn er das kann, dann kann ich das auch! So schwer wird das schon nicht sein.
Mit zusammengekniffenen Augen schritt ich noch weiter zurück, behielt das andere Ufer im Blick, immer auf das Ziel fokussiert, nicht auf den Weg.
Der Weg ließ sich überwinden, wenn man das Ziel stets im Auge behielt. So hatte es mein Vater immer wieder gepredigt.
Ich rannte los, vollkommen konzentriert auf das andere Ufer. Automatisch sammelte ich alle Kräfte, die ich in mir aufspüren konnte und sprang ab. Das glasklare Wasser rauschte unter mir entlang. Immer näher kam das rettende Ufer und als ich, zu meiner großen Überraschung, sicher auf beiden Füßen landete, stieß ich erleichtert die Luft aus.
Langsam richtete ich mich auf und riss erstaunt die Augen auf, als mein Fuß zu rutschen begann. Das Gras war feucht und schlammig, mein Fuß fand keinen sicheren Halt mehr. Verzweifelt ruderte ich noch mit den Armen, doch die Schwerkraft forderte ihren Tribut. Auch er, mein Begleiter, konnte mich nicht mehr zu fassen bekommen und auf sicheren Boden ziehen. Meine Freude hatte nur kurz gehalten, da brach das Wasser über mich zusammen und verschlang mich gierig.Für einen kurzen Augenblick verlor ich die Orientierung, wusste nicht wo unten und oben war. Schäumendes Wasser umgab mich und riss mich mit sich. Erst als ich glaubte bald keine Luft mehr zu bekommen, durchstieß ich die Wasseroberfläche und rang nach Luft. Ich hatte mich bereits einige Meter von der Stelle entfernt, an der ich in das kalte Nass gestürzt war. Rücksichtslos riss mich die Strömung hin und her. Ich schluckte Wasser und hustete. Verzweifelt versuchte ich das rettende Ufer zu erreichen, schwamm so kräftig es meine Arme zuließen und kam so endlich meinem Ziel näher.
Schwimmen! Einfach weiter schwimmen! Nicht aufgeben. Das hier ist nicht das Ende!
Meine Panik beflügelte mich, Adrenalin schoss durch meine Adern. Auch wenn mich die Kleidung immer wieder unter Wasser zog, kämpfte ich weiter. Meine Finger begannen zu schmerzen, als ich das erste Mal einen Stein am Ufer zu packen bekam. Er wackelte, doch ich klammerte mich an ihn wie eine Besessene. Die Strömung riss an mir, zerrte an meiner Kleidung. Ich gab nicht auf! Verbissen zog ich mich näher an das rettende Ufer. Der Stein gab nicht mehr nach, doch die Kälte ließ meine Glieder zittern.
Das Gefühl in meinen Fingern begann zu schwinden und doch umgriff ich den sonderbaren Stein noch fester, zog mich an ihm hoch, bis ich halb auf seiner unebenen Oberfläche lag.
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Who you truly are
FanfictionJenna ist eine junge Frau von gerade einmal 19 Jahren. Sie lebt in einem kleinen Dorf in der Nähe von Karlsruhe. Mitten in den Bergen liegt ihr Zuhause, wo sie mit ihrer Mutter lebt. "Jenna, du bist nicht unsere leibliche Tochter!" Der Satz, der ih...