Geheimnisvoller Gast

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(Unknown POV)

„Habt ihr schon einmal solch ein Wesen gesehen?“, fragte ich leise und wischte das restliche pechschwarze Blut an meinem Ärmel ab.
„Wir hatten uns eigentlich erhofft, dass du dieses Ding kennen würdest. Schließlich lebst du länger als wir und kanntest selbst Beleriand noch“, erwiderte einer der Zwillinge. Ich konnte sie manches Mal nicht auseinander halten. Selbst ihrem Vater gelang dies nicht immer.
„Das ist eine andere Zeit, Jungs. Eine Zeit, die hinter mir liegt. Wir stellen also fest, dass wir es mit einem uns unbekannten Wesen zu tun hatten.“
„Und einem unbekannten Krieger. Hast du die Wunden gesehen? Irgendjemand oder irgendetwas hat dieses Biest bereits verletzt, aber nun lasst uns zurückkehren“, fügte Elladan hinzu und stieg auf sein Pferd. Elrohir und ich taten es ihm gleich.

„Möglicherweise weiß Vater mehr“, schlug der junge Elb vor und schloss zu unseren Pferden auf.
„Möglicherweise, aber wir wissen es nicht. Hauptsache ist, dass es dem geheimen Tal nicht mehr gefährlich werden kann. Hoffen wir, dass es nicht noch mehr von ihnen gibt“, seufzend klopfte ich meinem treuen Tier auf den Hals, bevor ich ihn an einen jungen Burschen abgab, der ihn in den Stall führen und sich um ihn kümmern würde. Auch wenn ich es normalerweise selbst tun würde, so hielt mich jetzt etwas anderes auf Trab.

„Er kümmert sich nicht selbst um sein Pferd? Das ist ja mal etwas ganz Neues. Will er wieder zu der jungen Frau?“, Elrohir beugte sich zu seinem Bruder. Die beiden folgten mir in einiger Entfernung. Eiligst schritt ich durch die Gänge und wie so oft blieb mir nicht die Zeit die Schönheiten Bruchtals zu bestaunen.

„Ja ich denke sehr wohl. Sie bedeutet ihm sehr viel“, erklärte Elladan flüsternd.
„Wie das? Ich habe sie hier noch nie gesehen und von einer Freundin geschweige denn einer Frau hat er noch nie gesprochen.“
„Sie ist seine Nichte. Mehr weiß ich auch nicht. Aber er hat sie scheinbar lange Zeit nicht mehr gesehen“, fuhr Elladan fort. Wie zwei Schatten folgten mir die Zwillinge.

An der Tür stoppte ich und blieb stehen.

Was wenn sie sich nicht an mich erinnert? Oder wenn sie gestorben ist und ich sie jetzt doch verloren habe? Ich hatte es doch ihrer Mutter versprochen. Oh meine liebe Glewellin, verzeih mir, dass ich nie für die Kleine da sein konnte.

Der Kloß in meinem Hals wollte nur schwer verschwinden. Es war mir, als träfe mich die Schuld, dass sie nun dort drinnen lag und um ihr Leben kämpfte. Wer weiß wie sehr sie in ihrem Leben schon kämpfen musste. Viele Jahrhunderte lang war sie auf sich allein gestellt gewesen. Wo hatte sie gelebt? Wer hatte sie erzogen? Musste sie womöglich selbst zurechtkommen? Warum war sie nun hier?
Mehr Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und all jene konnte mir nur eine einzige Person beantworten. Sie!

Das leise Schleifen der Holztür auf dem Boden, riss mich aus meinen trüben Gedanken. Ich riss den Kopf hoch und sah erwartungsvoll zu meinem Freund. Bedächtig nickte Elrond und lud mich mit einer Handbewegung ein in den Raum zu kommen.
Sie lag auf dem großen Bett, ein weißer Verband war um ihren Oberkörper gewickelt worden. Bis zu ihrem Bauch verhüllte eine dicke Decke ihren Körper. Ruhig hob und senkte sich ihre Brust. Erleichtert atmete ich auf.

„Sie lebt“, seufzte ich und nun, da die Anspannung von mir wich, verließ mich auch die Kraft und ich stützte mich an dem Bett ab.
„Noch. Aber es liegt an ihr, an ihrer Stärke und Willenskraft, ob sie das Leben wählt oder Mandos Hallen. Ich habe alles getan“ seine Hand auf meine Schulter legend, trat er neben mich.
„Das weiß ich und ich bin dir für deine Hilfe unendlich dankbar“, gab ich zu. Meine zitternden Finger schlossen sich um ihre Hand. Die bleiche Farbe ihres Gesichtes sah nicht gesund aus. Dennoch atmete sie und in ihren hellen Lippen steckte noch immer ihr warmes Blut.

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