Ungewollte Zukunftspläne

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(Jenna POV)

Man führte mich durch weitere Gänge und Flure, vorbei an vielen Türen, die in die steinernen Mauern eingelassen waren. Keine einzige war geöffnet, alles wirkte einsam und irgendwie verlassen. Beinahe schon trist.
Fackeln an den Wänden brachten ein kaltes Dämmerlicht in die Gänge, doch auch das reichte nicht, um alle dunklen, verwinkelten Ecken zu erleuchten. Und selbst die Angst, die langsam durch meinen Körper kroch, wucherte und neue Triebe fand, ließ das flackernde Licht nicht verschwinden.
Mir war immer noch nicht ganz klar, wo ich mich befand und was man mit mir vorhatte, wusste ich auch nicht. Diese Ungewissheit nagte an mir, fraß mich auf und setzte mich unter extremen Druck, da ich dieser Situation einfach nur entfliehen wollte.
Selbst Caro und ihre hinterhältigen Machenschaften waren mir im Moment um einiges lieber, als der feste Griff, mit dem mich der Wachmann durch eine just geöffnete Tür schob.

Zwei kleine Fenster boten Tageslicht, in den sonst so dunklen Räumen.
Erhellten die braunen Holzkommoden, die an den Wänden neben der Tür aufgereiht waren, ließen den Staub in der Luft glitzern, der über dem Bett schwebte, welches die Stirnseite des Raumes zu meiner Linken einnahm. Noch eine weitere unscheinbare, kleine Tür führte aus dem Raum hinaus. Zu meiner Rechten bedeckte ein großer Spiegel die steinerne Wand, die Sonne spiegelte sich in der glatten Oberfläche und als ich einen flüchtigen Blick hinein warf, erschrak ich zutiefst.
Meine Augen waren rot gequollen vom Weinen und dunkle Ringe zierten sie dazu. Verstärkt durch den Schlafmangel, der letzten Nacht.
Zum Glück hing mir das rotbraune Haar in vielen kleinen Strähnen ins Gesicht und verdeckte mein miserables Aussehen. Doch statt feurig lebendig zu glänzend, fehlte auch meinem Haar irgendwie an Kraft und Farbe. Es wirkte matt und trostlos.

„So und jetzt raus hier! Besonders Sie. Wir kümmern uns um das arme Kind“, regelte eine der älteren Damen, die wie durch Zauberhand aus dem Nebenraum erschienen war. Kurzerhand scheuchte sie den Hünen aus dem Raum, trotz seines offensichtlichen Protestes.
Emotionslos blickte ich ihm nur hinterher, bis sich die Tür zwischen uns schloss und ich alleine gelassen wurde mit zwei jungen Frauen und der älteren Dame, die sich jetzt zu mir umwand. Ein breites, fast schon großmütterliches Lächeln zog sich über ihre schmalen, faltigen Lippen.

Wo zum Teufel bin ich hier nur gelandet? Erst bei dieser Gruppe aus Männern und jetzt bei diesen Frauen, die mich in diesem Zimmer festhalten, in diesem scheinbaren Königreich, dass mir zugleich bekannt und fremd vorkam. Wo bin ich hier? Was wollen die von mir?

Jeden Schritt, den die Dame auf mich zu kam, den schlich ich skeptisch zurück. Schließlich blieb sie stehen.

„Oh mein armes Kind. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben“, säuselte sie beruhigend.
Ich bin schon längst kein Kind mehr, aber gut!

„Haben dir die Soldaten etwas angetan? Dich berührt und verdorben?“, fragte sie behutsam weiter und verlangsamte das Tempo, mit dem sie auf mich zukam, um mir keine noch größere Angst zu bereiten.
Stumm schüttelte ich den Kopf, sodass meine feurigen Locken hin und her tanzten.
Die Erleichterung war den Frauen deutlich anzusehen, ich hatte darüber nicht einmal nachgedacht. Viel zu sehr hatten mich andere Gedanken geplagt. Ich befürchtete noch immer, dass meine zurückgewonnene Stärke verblasste wie der Regen an einem schönen Sommertag von den Straßen.

„Also dann. Wollen wir starten, um dich wieder ansehnlich zu machen“, verkündete sie voller Ernst und gab den beiden jungen Frauen einen Wink mit der Hand. Synchron neigten beide den Kopf und führten mich durch die Holztür in den Nebenraum.
Während eine der beiden die Tür hinter uns schloss, bugsierte mich die andere zu einer schmalen Wanne, die mitten in dem dunklen Raum stand.

„Wir lassen Ihnen jetzt ein heißes Bad ein. Zum Glück wurde das Wasser bereits erwärmt und muss lediglich in die Wanne gegossen werden. Entkleidet Euch bitte“, bat die Blonde.
Perplex starrte ich sie an.
Ich soll mich bitte was? Ausziehen während die beiden hier auch herumlungerten? Nein danke! Waschen kann ich mich auch noch alleine.

So dachte ich und so sträubte sich auch mein Kopf, doch meine Hände gehorchten mir nicht mehr. Wenige Minuten später sank ich in das heiße Wasser, das den getrockneten Schmutz auf meiner Haut löste. Erleichtert seufzte ich auf, ließ mich noch tiefer in die Wanne sinken und für einen kurzen Augenblick vergaß ich doch tatsächlich wo ich gerade war.
Ich genoss die Wärme, die sich einen Weg durch meinen Körper bahnte und die Anspannungen der letzten Tage hinwegspülte.
Niemand hier hatte das verheerende Bild gesehen, niemand versuchte mich um jeden Preis herunterzumachen, egal was es auch kosten möge, und hier konnte ich endlich abschalten. Keine Fragen zu meinen biologischen Eltern quälten mich.
Hier konnte es mir tatsächlich einmal wieder gut gehen. Wäre Kathrin jetzt hier, dann wäre Vieles noch besser.

Die jungen Frauen wuschen mein Haar. Sie hatten eine Weile gewartet, bis es vollständig mit Wasser vollgesogen war und an meinen Schultern klebte.
Behutsam strichen sie durch das rote Haar, beinahe etwas andächtig, als wenn es eine Seltenheit wäre solch eine feurige Haarfarbe zu haben.
Sie massierten ein wohlig duftendes Shampoo hinein, bald darauf roch der gesamte kleine Raum nach Rosen. Der Duft hatte sich in der schweren Luft festgehangen und gedachte nicht mehr loszulassen.

Nachdem das Mittel eine Weile eingewirkt hatte, in der die Braunhaarige verzweifelt versucht hatte mir den Körper mit einem weichen Schwamm zu waschen, wurde es mit lauwarmen Wasser aus einem Krug ausgespült. Kleine Schaumberge verteilten sich auf dem Badewasser und zogen ihre Bahnen.
Leider hatte die Braunhaarige noch nicht das Handtuch geworfen und versuchte mich mit sanften Worten dazu zu bewegen, ihr nicht immer wieder den Schwamm aus der Hand zu nehmen oder ihren schlanken Arm zur Seite zu schieben.

„Miss so geht das aber nicht“, seufzte sie verzweifelt, als ich begann mir kurzerhand selbst den Körper zu schrubben.
Ich brauche doch keine Hilfe beim Waschen! So weit kommt es noch, dass sie mich mit dem Schwamm bearbeitet.

Meinem Schweigen getreu, strafte ich sie lediglich mit einem genervten Blick. Das stechende Grün meiner Augen bohrte sich in ihr mattes Braun und brachte sie zum Schweigen. Beide Frauen waren mit Sicherheit nicht älter, als ich es war, doch trotzdem umhüllte sie etwas völlig Fremdes, Unergründliches. Sie wirkten so erwachsen und still, höfflich nicken und nicht widersprechen. 
Miss? So alt bin ich nun auch noch nicht!

„Kümmere dich nicht darum. Auch sie wird sich daran gewöhnen. Was meinst du woher sie kommen mag? Wir wissen es nicht, aber dort scheinen die Dinge anders gehandhabt werden“, tröstete die junge Frau, die ihr strohblondes Haar hinten im Nacken zu einem Knoten gebunden hatte.
Hallo? Ich liege hier auch noch herum. Ihr könnt mich auch fragen...obwohl ich langsam immer mehr bezweifle, dass ich mich noch in Europa befinde...oder gar auf der Erde.

„Sobald sie die Gattin von Ecthelion ist, wird sie sich daran gewöhnen müssen“, fügte sie hinzu, während sie sich erhoben hatte und nun mit einem Stapel frischer Handtücher auf uns zukam.
„Was?!“, fragte ich etwas zu laut und etwas zu erschrocken. Gefährlich nahe schwappte das Wasser an den Rand der Wanne, als ich mich ruckartig in eine sitzende Position beförderte.
„Ich heirate doch nicht irgendeinen dahergelaufenen Mann, den ich nicht im Geringsten kenne“, stellte ich klar, griff nach einem Handtuch und wickelte mich in den weichen Stoff ein.
So weit kommt es noch! Das können die mal gleich wieder schön vergessen. Ich und heiraten. Das ist das Letzte, das ich jetzt tun würde.

„Er ist kein dahergelaufener Mann“, die braunhaarige Frau war kurz davor meine Haare in ein weiteres Tuch zu wickeln, da wand ich mich ab und trat an eines der Fenster. Unsicher spähte ich nach draußen, wägte die Möglichkeiten einer Flucht ein weiteres Mal ab und kam erneut zu einem ernüchternden Ergebnis.

„Er ist der zukünftige Truchsess“, beharrte sie und warf ihrer Kollegin einen hilflosen Blick zu.
„Und wenn er der König dieses ganzen Landes wäre. Das ist mir herzlich egal. Soll er sich eine andere Frau suchen. Wenn ich jemals heiraten sollte, dann weil ich denjenige liebe und mit ihm meinen Lebensabend verbringen möchte. Ihr könnt diesem Ecthelion gerne von mir ausrichten, dass ich sein Angebot leider ablehnen werde“, mein Blick glitt über die Häuser der Stadt, die unter uns den Berghang bedeckte wie eine weiße Haut des Steines.
Einen Sprung aus diesem Fenster würde ich niemals überleben!
Mehrere Meter unter ihm fiel die steile, kahle Bergwand hinab, bis sie in einem weiteren Hausdach mündete.
Es wäre definitiv Selbstmord und dafür war ich nicht bereit. Mit diesen Leuten war bestimmt noch gut zu reden, damit ich nicht zwangsverheiratet werden würde.

Hey :)
Ich wünsche euch allen eine schöne und besinnliche Adventszeit ^^ und falls ich (was ich nicht hoffe) vorher kein weiteres Kapitel veröffentliche, schöne Feiertage :D

Laura

Who you truly areWo Geschichten leben. Entdecke jetzt