XXIV

26.7K 1.5K 67
                                    

"Zoey", fing Eric vorsichtig an, doch unterbrach ich ihn unmittelbar.

"Nein."

"Ich...", setzte der Junge, der nach der Sanftheit seiner Stimme zu urteilen sich bei mir entschuldigen wollte, an.

Ich kam ihm jedoch wieder zuvor und erklärte fade: "Ich bin müde, also lass mich schlafen."

Beleidigt sein: Check

"Ach komm schon. Benimm dich nicht so", versuchte es Eric weiter, natürlich ohne Erfolg.

Ich ignorierte ihn nämlich, bis er es seufzend aufgab.

"Dann halt nicht", murmelte der Junge aussichtslos.

Ignorieren: Check

Wie erwartet konnte ich nicht einschlafen, was zu einem damit zu tun hatte, dass das Licht noch brannte und zum anderen plagten mich immer noch die Fragen über Erics Abwesenheit. Trotzdem blieb ich regungslos mit geschlossenen Augen im Bett liegen und hörte, wie Eric sich seine Stichpunkte für morgen aufschrieb auf Karteikarten, die ich zuvor dazu gelegt hatte.

Nach sehr vielen Minuten, in denen Eric es schaffte, alles für die Präsentation morgen fertig zu machen und das Licht auszuschalten, gelang es mir einzuschlafen.

~

Der nächste Morgen verlief schweigsam und ereignislos. Im Prinzip hatte ich kein Wort mit Eric gewechselt, abgesehen von einem Mal als wir am Büffet waren.

Wir beluden gerade unsere Teller mit Brötchen und Aufschnitt, als vor mir ein groß gewachsener Mann, einen ordentlichen Schritt nach hinten trat und mich somit nach hinten schubste. Ich stolperte ein paar kleine Schritte, verlor mein Gleichgewicht und rechnete schon damit, dass mein Hintern gleich Bekanntschaft mit dem ungemütlichen Boden machen würde. Doch dies geschah nicht, denn während ich taumelte, stellte Eric seinen Teller ab und fing mich auf, bevor ich auf den Boden knallen und mein Essen vom Teller rutschen könnte.

"Ein kleines Dankeschön wäre nicht unangebracht, Kätzchen", grinste er mich über beide Ohren an und hatte eine Hand immer noch auf meine Hüfte gelegt, obwohl ich längst schon wieder gerade stand. Seine Hand verursachte eine wohlige Wärme an meiner Hüfte und seine strahlende Augen zogen mich in ihren Bann.

'Er möchte dich um den Finger wickeln!', schrie eine Stimme aus der hintersten Ecke meines Hirns.

"Nenn mich nicht so", zischte ich, trat dann aber hastig einen Schritt von ihm weg und drehte mich nach vorne, um meinen Teller weiter zu füllen.

Nun packte ich meine Tasche ein, um mir das später zu sparen und wortlos tat mir Eric dies gleich. Doch bei dieser Erinnerung begann die Stelle, an der er mich berührt hatte, wieder zu prickeln und in meinem Magen breitete sich ein Kribbeln aus. Doch es war nicht unangenehm oder schmerzend, seltsamerweise gefiel mir dieses warme Gefühl in der Magengegend, von dem ich keine Ahnung hatte, was es war.

Ich war schnell fertig mit dem Packen, da ich das Meiste in der Tasche gelassen hatte. Ich nahm einen kleineren Beutel, den ich von Zuhause mitgenommen hatte, mein Portemonnaie, wichtigen Unterlagen und den überlebenswichtigen USB-Stick mit der Präsentation.

Danach verließen wir auch schon das aufgeräumte Hotelzimmer, schlossen es ab und liefen aus dem Hotel, um unseren Weg anzutreten.

Wohlbedacht hielt ich einen Abstand von etwa zwei Meter zu Eric, als wir durch die Straßen liefen. Es waren erstaunlich viele Menschen unterwegs, die auffälligerweise alle wie ein Schwarm Fische in dieselbe Richtung gingen, wir zählten dazu. Anscheinend wollten sie alle zu der Veranstaltung, was mich wirklich verwunderte.


Still schweigend wurden wir von den Menschen in die richtige Richtung geleitet und kamen nach kurzer Zeit an unserem Ziel an und betraten das riesige Gebäude.

Sofort lockerte sich die Menschenmasse etwas auf und die einzelnen Personen verteilten sich in der gigantischen Halle. Ich hatte Schwierigkeiten damit, in die Ferne zu schauen, da die Köpfe unzähliger Menschen sich in mein Blickfeld drängten und es einschränkten. Je weiter wir in den Saal drangen, desto leerer wurde es um Eric und mich herum.

In unserer Nähe befanden sich einige Stände, an denen Menschen Flyer verteilten und Plakate an einer Pinnwand hängen hatten. Die Standinhaber informierten so alle Interessenten über ihr Thema. Alles hier drehte sich um Obdachlosenhilfe und die verschiedene Stände hatten sich alle spezialisiert auf einen Aspekt. Viele stellten anhand von Diagrammen Statistiken vor, beispielsweise wie die Anzahl der Obdachlosigkeit sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Andere präsentierten Konzepte zur Obdachlosenhilfe und wieder andere sammelten Spenden, um Pläne zu realisieren. Überall wimmelte es nur von engagierten Bürgern und wie die Firma bereits angekündigt hatte, lief auch eine andere Sorte von Menschen rum. Überwiegend Männer in straffen Anzügen und Lederschuhen, aber auch ein paar Frauen in eleganten Hosenanzügen mit teuren und verführerisch glänzenden Schmuck um den Hals schritten majestätisch durch die Halle. Sie blieben jeweils kurz vor einem Stand stehen und ließen ihren unlesbaren Blick über die Plakate, Bilder und Diagramme schweifen. Ab und zu erkannte ich, wie eine Frau verächtlich ihr Gesicht verzog, ein Mann anerkennend nickte und leicht lächelte oder wie Mitleid in den Augen der Geschäftsleute auf funkelte, weil sie mit einer grausamen Wahrheit konfrontiert wurden.

Doch Eric und ich würden unser Konzept an keinem kleinen Stand präsentieren, sondern auf einer großen Bühne. Nervosität kroch in mir hoch und meine Handflächen begannen zu schwitzen, als ich merkte, wie viele Menschen wirklich anwesend waren. Ich stand noch nie auf einer riesigen Bühne, während unzählig viele Augenpaare neugierig auf mir lagen.

Anscheinend bemerkte Eric neben mir, dass ich mich unwohl fühlte bei dem Gedanken an der Präsentation, denn er ergriff meine Hand und drückte sie zaghaft.

"Mach dir keine Sorgen, Kätzchen. Ich bin mir sicher, dass du es toll machen wirst", murmelte er viel zu nah an meinem Ohr. Sein heißer Atem strich an meinem Hals und sein unwiderstehlicher Duft nahm wieder von mir Besitz.

Doch ich erinnerte mich wieder an meinen Plan und dazu gehörte bestimmt nicht, dass wir händchenhaltend viel zu nah nebeneinander standen und seine verdammte Anziehungskraft wieder auf mich wirkte.

Widerwillig löste ich meine Hand aus seiner und schüttelte leicht meinen Kopf.

"Ich bin immer noch sauer, Eric", machte ich ihm mit vor Wut funkelnden Augen klar.

Seufzend fuhr er sich durch seine braunen Haare und guckte mich fast schon verzweifelt an. "Wir müssen später reden, aber jetzt steht erst einmal die Präsentation an."

All About Him | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt