LVIII

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Lesenacht: Kapitel 1/4

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen der Kapitel und hoffe, dass ihr euch genauso freut auf die Kapitel wie ich.

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"So Mr Garcia", begann die im Kostüm gekleidete Frau mit ernster Stimme mit dem Gespräch. "Ihre Sozialstunden haben sie erfolgreich abgeschlossen."

In fünf Minuten wäre alles zu Ende. Wir saßen im Büro von Mrs Ambers und hörten ihrem monotonen Geschwafel zu. Ich hatte absolut keine Ahnung, warum auch ich hier sitzen musste. Für mich machte es das ganze nur noch schwerer. Es gab den ein oder anderen Augenblick, indem ich die Tränen wegblinzeln musste. Aber ich schaffte es, nicht in Tränen auszubrechen.

Plötzlich blitzte ein Bild in meinem Kopf auf von Ende November. Damals saßen wir auch hier in demselben stinknormalen Büro. Ich hätte alles getan, damit Eric nicht mit mir arbeiten müsste und nun war ich genau, weil er es nicht mehr tun würde traurig. Die Ironie des Lebens.

"Ich danke Ihnen Ms David, dass sie den jungen Mann im Griff hatten. Das war bestimmt auch nicht immer leicht. Jedenfalls war es das. Wenn sie nichts mehr einzuwerfen haben, können sie jetzt gehen."

Ich zuckte mit meinen Schultern, bereit aufzustehen und den Raum zu verlassen. Endgültig. Doch dann räusperte sich Eric und mein Kopf schnellte ein wenig zu schnell zu ihm.

"Eigentlich würde ich gerne weiter freiwillig in der Suppenküche arbeiten, natürlich mit Zoey."

Mein Mund stand offen und meine Augen hatte ich weit aufgerissen. Nein, das hatte ich mir nur eingebildet, oder?

Der Junge spürte anscheinend meinen Blick, denn er drehte seinen Kopf zu mir und betrachtete mich mit einem sanften, ungezwungenen Lächeln. Mein Herz blieb stehen. Das war nicht sein Ernst. Ich konnte nicht fassen, was er gerade getan hatte. Die Worte blieben mir im Hals stecken. Mrs Ambers ging es wohl genauso. Mehr als verwundert schaute sie zu Eric und vergaß ganz dabei ihre seriöse Miene aufzusetzen. Ihr war die Verwunderung genauso wie mir ins Gesicht geschrieben.

"Sie... eh... sind sie sich da sicher?", hakte die Frau hinter dem Schreibtisch etwas neben der Spur nach.

Ja, damit hatte sie nicht gerechnet.

"Ja, ich bin mir sicher", erwiderte er mit felsenfester Stimme.

Kein Zweifel war zu hören. Kein Zittern. Kein Stottern. Woher kam sein plötzlicher Sinneswandel? Ich verstand es immer noch nicht. Gerade dachte ich, dass alles vorbei sein würde und jetzt?

"Okay. Dann bleiben Sie von mir aus, so lang Sie keine Umstände verursachen. Ms David ist das okay für Sie?", fragte sie am Ende an mich gerichtet. Sie schien sich wieder gesammelt zu haben und strich über ihre dunkle Hose.

Zögernd nickte ich. Ich wusste nicht wieso, es geschah praktisch automatisch. Ich war immer noch zu perplex, um rational Denken zu können.

"Sieht so aus, als wäre das geklärt. Dann wünsche ich Ihnen beiden noch einen schönen Tag", fuhr die sonst so strenge Frau im freundlichen Ton fort.

Ich stand mit wackeligen auf. Fassen, was passiert ist, konnte ich immer noch nicht. Obwohl auf die Tragfähigkeit meiner Beine kein Verlass war, verließ ich so schnell, ich konnte das Büro. Im Flur drehte ich mich um. Kopfschüttelnd beobachtete ich, wie Eric die Tür hinter sich schloss und sich mir zu wandte.

Seine Hände steckten in seiner hellblauen Jeans und er hatte ein kleines Lächeln aufgesetzt. Er schien mir glücklicher und gelassener als zuvor und mein Herz machte unwillkürlich einen Satz.

"Warum?", wollte ich verwirrt wissen, als ich wieder meine Stimme fand.

Eric zögerte nicht, sondern antwortete unmittelbar.

"Deine Worte von vorhin haben mich ordentlich zum Denken angeregt. Du hattest recht, als du sagtest, dass ich mir selber im Weg stehe. Zu sagen, dass dich geküsst zu haben falsch war, war falsch. Das alles ein Fehler gewesen ist, diese Worte, waren falsch. Ich habe sie nicht so gemeint. Ich verlange nicht, dass du es verstehst. Aber ich bitte dich, um eine zweite Chance. Lass mich dir zeigen, was du mir bedeutest. Und ich vertraue dir, aber es gibt Sachen, worüber ich nicht rede. Noch nicht. Aber ich verspreche, dass ich dir irgendwann alles erzählen werde. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ich werde es tun. Das worum ich dich jetzt bitte ist mir zu Verzeihen für meine Dummheit."

Seine Worte entlockten mir ein schwaches Lächeln.

"Du hast mir jetzt etliche Wochen zu verstehen gegeben, dass es zwischen uns vorbei ist. Ich... Ich weiß nicht, wie ich jetzt darauf reagieren soll", stammelte ich wahrheitsgemäß.

In mir herrschte ein totales Chaos. Die verschiedensten Gefühle von Erleichterung bis zu Misstrauen  durchströmten mich auf einmal.

"Du verzeihst mir nicht?", fragte er niedergeschlagen und Unsicherheit flackerte in seinen hellen Augen auf.

"Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube, dieses Angebot kann ich nicht abschlagen. Ich will dich zu nichts drängen, Eric. Wenn du Zeit brauchst, gebe ich dir die Zeit, aber gebe mir nicht das Gefühl, dass du mir nicht vertraust."

Ich strich mir eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und beobachtete, wie sich Erics Gesicht aufhellte. So oft hatte ich mir dieses Szenario in den letzten Wochen erwünscht und es immer wieder nur für eine alberne, unmögliche Hoffnung gehalten.

"Wieder eine Versöhnung?", fragte Eric mich mit einem schiefen Grinsen.

"Ja", antwortete ich und auch meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln.

Hatte ich ihn zu schnell verziehen? Ich wusste es nicht, aber ich war so überwältigt, dass ich gar nicht anders hätte entscheiden können. Die intensive Erleichterung, die lebhafte Freude und das lodernde Feuer der Liebe gewannen deutlich den Kampf gegen die negativen Gefühle in mir.

Doch ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und spazierte Richtung Eingang. Ein bisschen zappeln lassen könnte jetzt bestimmt nicht schaden.

"Hey, was ist mit einer Umarmung oder einem Kuss?", rief er mir verwundert hinterher.

"Das musst du dir erst wieder verdienen", lachte ich und ging weiter.

Unten angekommen, schnappten wir unser Zeug und verließen das Gebäude. Heute schien die Sonne und hinterließ ein wohliges Kribbeln auf meiner Haut.

"Wir könnten zu mir", schlug Eric vor, als wir Richtung Straße schlenderten.

Ich zögerte.

"Ich weiß nicht."

Wir hatten uns gerade erst wieder vertragen.

"Oder auch zu dir", meinte er, wackelte mit seinen Augenbrauen und warf mir ein spitzbübisches Grinsen zu.

"Haha, damit dich Evan tötet. Sehr lustig", gab ich trocken von mir. "Ich weiß nicht, ob ich kann. Ich muss noch viel lernen."

Das stimmte nicht und eigentlich wollte ich auch zu ihm mit, aber ich wusste nicht ganz, ob es eine gute Idee war. Ich war noch immer ein wenig verwirrt, musste das Geschehen verdauen und meine Gefühle unter Kontrolle bringen.

"Lernen? Das ist keine Ausrede! Du kommst ab zu mir!", lachte er leise und bei diesem wohlklingenden Geräusch, machte mein Herz einen Satz.

Ich hatte sein Lachen vermisst.

Ich hatte alles an ihm in den letzten Wochen vermisst und genau deswegen meinte ich: "Okay, aber ich muss pünktlich wieder zu Hause sein."

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Ist das kein guter Start in die Lesenacht? 😂😊

Wer ist alles dabei?

Zum Einstieg ein etwas kürzeres Kapitel, aber das vierte wird dafür ziemlich lang. ❤

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