Das erste der zwei versprochenen Kapiteln aus meinem Urlaub. Wenn ich zurück bin, wird es ziemlich bald eine Lesenacht geben. Dazu sage ich aber im nächsten Kapitel mehr.
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Ich fragte mich allmählich, ob Erics Onkel und Tante jemals zu Hause waren. Es war stockdunkel, als wir das gigantische Gebäude betraten, welches in einer unheimlichen Stille getränkt war.
"Ich nehme an, dass du ziemlich müde bist", begann Eric mitfühlend, als wir die Eingangshalle hinter uns ließen.
Um ehrlich zu sein, war ich müde gewesen, bis Evan komplett ausgerastet war. Deswegen schüttelte ich meinen Kopf und erntete einen verwunderten Blick.
"Eigentlich nicht", murmelte ich.
Eric befahl mir kurz im Flur zu warten, damit er seine Nase reinigen konnte. Er selber behauptete es sei nur halb so wild und das Blut lasse es nur schlimmer aussehen. Die Blutung hatte glücklicherweise nicht lange angehalten.
Kurz danach war er wieder zurück und die rot schimmernde Flüssigkeit war verschwunden. Seine Nase war gerötet und eine Schwellung nicht zu übersehen. Er deutete mir an, ihm zu folgen und meinte, er würde es kaum noch spüren. Gebrochen wäre sie auf jeden Fall nicht.
"Okay, willst du etwas trinken?", fuhr er fort, während er vor mir durch den breiten Flur und dem makellos sauberen Boden, indem ich mich fast wie in einem Spiegel widerspiegelte, lief.
"Gerne", gab ich leise von mir und merkte erst jetzt, wie trocken meine Kehle war.
In der ebenso überdimensional großen Küche ließ ich mich auf einen der Barhocker nieder. Eric holte währenddessen zwei schmale Gläser aus dem Küchenschrank, die er klirrend vor meiner Nase auf den spiegelglatten Marmor abstellte. Schließlich holte er aus dem silbernen Kühlschrank eine ungeöffnete Flasche Orangensaft, schüttelte diese und schenkte uns beiden das Glas voll.
"Danke."
Mit einem leichten Lächeln nahm er mein Danke zur Kenntnis und setzte sich stumm gegenüber von mir. Schweigend schlürften wir unsere Gläser leer. Dabei beobachtete mich Eric mit besorgter Miene.
"Du hast die Faust meines Bruders kommen sehen, warum hast du dich schlagen lassen?", fing ich mit leiser Stimme das Gespräch an.
Ein Seufzen verließ seinen Mund.
"Vielleicht habe ich es ja verdient", erzählte er nachdenklich.
Verdattert erwiderte ich seinen Blick. Das war doch nicht sein Ernst. Ganz sicher hatte er das nicht verdient. "Wie kommst du darauf?", fragte ich schrill.
"Dein Bruder will dich nur vor mir beschützen. Er hat Angst, dass ich dir wehtue." Bevor ich meinen Senf zu seiner Antwort geben konnte, fügte er hinzu: "Lass uns das Thema zur Seite schieben. Willst du einen Film gucken?"
Vielleicht würde etwas Ablenkung wirklich guttun, also stimmte ich zu. Kurze Zeit später lungerten wir mit gemütlichen Sachen auf der weichen Couch und starrten gebannt auf den Fernseher, wo ein spannender Thriller lief. Trotzdem konnte ich die Geschehnisse von heute Abend nicht aus meinem Kopf verbannen. Ehrlich gesagt hätte ich nicht damit gerechnet, dass die Reaktion meines Bruders so extrem sein würde. Er hatte mich der Wohnung verwiesen. Seiner eigenen Schwester!
Während ich weiter nachdachte, bemerkte ich nicht, dass Eric neben mir eingeschlafen war. Das grelle Licht des Flachbildfernsehers erhellte sein wunderschönes Gesicht. Er sah so friedlich aus. Seine dunklen Wimpern warfen einen Schatten auf seine hohen Wangenknochen, seine Gesichtszüge waren entspannt und seine Brust hob und senkte sich regelmäßig. Ich weiß nicht, was mich dazu verführte mich nach vorne zu beugen und einen sanften Kuss auf seine warme Wange zu hauchen.
Trotz allem schien mir seine sitzende Positionen zum Schlafen alles andere als gemütlich. Dazu hatte ich keine Ahnung, wie man den Fernseher ausschaltete oder wo es decken gab, damit wir nicht der kühlen Temperatur ausgesetzt waren. Obwohl ich Eric eigentlich nicht wecken wollte, rüttelte ich ihn sanft wach.
"Hm?", murmelte er mit geschlossenen Augen.
"Du bist auf dem Sofa eingeschlafen", erklärte ich langsam und eindringlich, damit meine Worte auch zu ihm durchdrangen.
Endlich öffnete er verschlafen seine Augen und blinzelte ein paar Mal.
"Tut mir leid, Kätzchen. Ich bin müde. Komm, ich bring dich hoch", säuselte er kaum verständlich und stand auf.
Schlaftrunken trottete eher wie ein Zombie durch die Flure, nachdem er den Fernseher ausgemacht hatte. Augenblicklich tat es mir leid ihn geweckt zu haben, aber dazu war es nun auch zu spät. Er blieb vor seinem Zimmer stehen, öffnete die Tür und trat hinein. Mit gerunzelter Stirn sah ich, wie er sich ins Bett fallen ließ und sich eine gemütliche Position unter der Decke suchte. Danach regte er sich nicht mehr und belustigt realisierte ich, dass er eingeschlafen war.
Sollte ich mich jetzt wirklich zu ihm ins Bett legen? Die Versuchung war auf jeden Fall groß. Da es Eric wahrscheinlich so beabsichtigt hatte, tapste ich mit meinen nackten Füßen zu seinem Bett und legte mich vorsichtig auf die andere, freie Betthälfte. Das Bett war ein Traum und nur mit Mühe unterdrückte ich ein zufriedenes Seufzen, als ich in das weiche Material sank und die samtweiche Decke über meinen Körper zog.
Ich sah nur dunkle Umrisse, ansonsten wahr es stockdunkel. Als plötzlich zwei Arme sich von hinten um mich legten, erschrak ich zunächst. Doch schnell entspannte ich mich, denn mir wurde klar, dass es Eric war. Auch wenn ich es merkwürdig fand, dass er im schlaf nach mir Griff, außer...
"Eric, schläfst du überhaupt?", flüsterte ich.
"Mehr oder weniger", ertönte seine volltönende Stimme. Dabei hauchte er mir seinen heißen Atem in den Nacken und verdrehte mir somit den Kopf. Allmählich überkam auch mich die Müdigkeit und meine Lider würden schwerer.
"Gute Nacht, Eric."
"Gute Nacht, Kätzchen."
~
Ich war froh, dass es heute Samstag war und ich nicht zur Schule musste. Ich wachte in den starken Armen eines schlafenden Erics auf, der dann aber kurz darauf seine Augen öffnete und mich beim Starren erwischte. Vormittags gab mir Eric plötzlich meine Klamotten zurück, mit denen ich gestern in den See gefallen war. Jetzt waren sie aber frisch gewaschen, trocken und dufteten himmlisch. Mary hatte das für mich erledigt und dafür war ich ihr sehr dankbar. Denn so musste ich mittags nicht mit Erics viel zu großen Klamotten durch die Gegend laufen. Er zeigte mir die andere Hälfte der Stadt, die einen starken Kontrast zu der Hälfte, in der ich lebte, bildete. Hier schien alles makellos sauber und absolut neu.
Die missbilligende Blicke, die mir zugeworfen wurden, ignorierte ich, obwohl ich jedes Mal ein Stechen in meiner Brust wahrnahm. Nicht alle Passanten betrachteten mich abschätzig, einige lächelten mir freundlich zu, nur war das leider ein geringer Teil.
"Lass sie nur gucken, Kätzchen", flüstere mir Eric abermals zu, als ein älteres Paar das Gesicht verzog, als sie ihre Blicke über meine Klamotten schweifen ließen. "Du bist viel zu gut für solche Menschen", fügte er dann hinzu und drückte meine Hand, die in seiner lag.
Vermutlich bekam genau deswegen auch er unzählige komische und kritische Blicke zugeworfen, einfach, weil er meine Hand hielt. Ich fiel in dieser Gegend auf wie ein bunter Papagei, weil meine Klamotten zum Teil verwaschen und die Schuhe verschlissen waren. Nichts davon war von einer Designermarke und vermutlich fehlte es mir auch an Schönheit. Natürlich war Erics angeschwollene und verfärbte Nase auch ein Hingucker und zog viele verächtliche Blicke auf sich.
Auf dem Weg zurück zu Eric nach Hause trafen wir auch eine Gruppe von Personen, die sich nur all zu gut in mein Gedächtnis gebrannt hatte. Zuerst blieb mein Herz stehen und Angst durchströmte mich, weil ich mich an die erste und letzte Begegnung mit Liana erinnerte. Doch als sie stumm an uns vorbeiliefen und das Einzige, was sie für uns übrig hatte, giftige Blicke waren, legte sich die Panik und Verwunderung machte sich in mir breit.
"Scheint so, als hätten meine Worte ihre Wirkung erzielt", lachte Eric.
Er ließ mich im Dunkeln tapsen, als ich fragte, was er denn gesagt hatte. Er zog mich einfach weiter hinter sich her.
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All About Him | ✔️
Novela JuvenilEine Geschichte zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Doch er trägt ein Geheimnis mit sich, das er um jeden Preis schützen will. Reicht ihre Liebe aus, wenn der Weg schwer wird? 🔹 ...