Am Mittwoch unterhielt ich mich fleißig mit Oliver. Er kam aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Chicago, hatte noch zwei weitere Geschwister, namens Hector und Adriane, und boxte in seiner Freizeit - was ich natürlich schon wusste. Er war am letzten Freitag mit seinen Eltern, seinen zwei jüngeren Geschwistern und einem Hund, der übrigens Rex hieß, in einem kleinen Haus im Normalenviertel eingezogen. Nur wunderte mich dann, wie zur Hölle er beim Boxclub gelandet war. Seine Antwort war, dass er ein paar Jungs auf der Straße gefragt hatte und die dann den Club empfohlen hatten.
Oliver und ich hatten am Mittwoch alle Kurse zusammen und obwohl ich es niemals gedacht hätte, war es ein befreiendes und gutes Gefühl einen anderen Menschen kennen zu lernen und einfach im Unterricht etwas Gesellschaft zu haben. Es fühlte sich besser an, als allein an einem Tisch zu sitzen oder den meisten aus dem Weg zu gehen.
In Chemie experimentieren wir und obwohl ich überdurchschnittlich gute Noten in den anderen Fächern hatte, lag mir Chemie gar nicht. Ich mochte es herzlich wenig und in diesem Punkt hatte ich in Oliver einen Seelenverwandten gefunden. Beide hassten wir Chemie wie die Pest und bereuten es, nicht abgewählt zu haben. Als wir dann lustlos irgendwelche Substanzen zusammen mischten, vertauschten wir wohl zwei Stoffe.
"Oh oh. Das sieht nicht gut aus, Oliver", kreischte ich, als ich sah, wie das Gemisch zu schäumen begann und drohte überzulaufen.
"Da hast du recht, Zoey. Was sollen wir machen?", stimmte mir der Junge neben mir leicht panisch zu.
"In Deckung", schrie ich nur noch, als ich einen lauten Knall hörte, ein paar Schritte nach hinten auswich, mich duckte und meine Arme schützend über meinen Kopf legte.
Als ich wieder auf guckte, sah ich, dass der ganze Tisch mit den chemischen Flüssigkeiten voll war und das Reagenzglas den tragischen Unfall nicht überlebt hatte, sondern in hunderte Stücke zersplittert war und sich ebenfalls auf den Tisch verteilt hatte. Ich betrachtete mit aufgerissenen Augen das Schlachtfeld und blickte dann zu Oliver. Als sich unsere Blicke trafen, brachen wir in einen Lach Anfall aus und beruhigten uns erst wieder, als sich ein wütender Mr. Coastal neben uns stellte und uns für den folgenden Tag nach der Schule nachsitzen auf donnerte.
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Und so saß ich am Donnerstag nach der Schule in einem Klassenraum mit weiteren fünf Leuten, darunter auch Oliver. Der braunhaarige Junge saß vor mir auf einen Holzstuhl und so konnte ich nur seine breiten Schultern und seinen braunen Haarschopf sehen, wenn ich nach vorne blickte. Doch konzentrierte ich mich auf die Chemie Aufgaben, die vor mir lagen und für angestrengtes Denken in meinem Kopf sorgten.
"Zoey", ertönte ein Flüstern vor mir und als ich meinen Blick hob, erkannte ich, dass Oliver mir einen verzweifelten Blick zu warf.
"Verstehst du etwas?", fragte er weiterhin im Flüsterton.
"Ich bin gleich fertig, dann gebe ich dir die Lösung", antworte ich und achtete ebenfalls darauf, leise zu sprechen.
Schließlich war ich endlich fertig und war mir ziemlich sicher, dass die Lösungen richtig waren und gab sie dem Jungen vor mir, der das Blatt mit einem dankbaren Lächeln annahm.
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Zuhause angekommen warf ich meine Tasche auf mein Bett und stellte fest, dass ich alleine war. Meine Mutter arbeitete, die kleinen waren bei Audrey und mein Bruder war vermutlich beim Boxen. Als ich ihm gestern erzählte, dass ich am nächsten Tag nachsitzen müsste, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. Denn ich war bei jedem Lehrer die brave, fleißige und intelligente Einserschülerin, außer in Chemie. Da war ich eher die tollpatschige und ahnungslose, aber trotzdem liebenswürdige und höfliche Dreierschülerin.
Ich erledigte meine Hausaufgaben und räumte meine Hälfte des Zimmers von mir und Evan auf und begann mit dem Kochen, das ich meiner Mutter ersparen wollte. Ihr ging es eindeutig besser, was man auch sah, aber ich wollte nicht, dass es nochmal zu so einem Vorfall kam und deswegen half ich ihr so viel, wie ich konnte. Ich übernahm die Wäsche, das Kochen und das Fegen neben meiner Schulzeit. Da ich nicht in einer Klausurphase war, ließ sich dies auch machen. Außerdem fühlte ich mich etwas schuldig, da ich das ganze Wochenende nicht zuhause sein würde und somit meiner Mutter auch nicht unterstützen könnte.
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Das Wochenende mit Eric rückte immer näher, schoss es mir durch den Kopf, als ich in den Englischraum trat. Nach dieser Stunde hätte ich zwei Stunden Zeit, bis Eric mich abholen würde. Aber nicht Zuhause, sondern eine Straße weiter, weil ich es nicht noch einmal riskieren wollte, dass meine Mutter oder gar Evan ihn sah. Ich hatte ihnen erzählt, dass ich um 17 Uhr bei der Suppenküche abgeholt und mit weiteren Mitgliedern mich auf die dreistündige Fahrt begeben würde und nicht dass ich mit einem reichen Typen alleine in seinem Sportwagen zu dem dreistündig entfernten Ziel fahren würde.
Jap, das war ein großer Unterschied. Eine Lüge. Besser gesagt eine enorme Lüge.
"Wollen Sie sich nicht einmal setzten, Ms. David?", erklang die nervende Stimme meiner Englsichlehrerin. Aber sie hatte recht, denn während ich in Gedanken versunken war, ist sie reingekommen, hat sich an dem Pult gestellt und jeder, außer mir, hatte Platz genommen.
Da mir die Situation doch etwas unangenehm war, weil alle 23 Augenpaare, die sich in diesem Raum befanden, mich anstarrten, setzte ich mich mit einem "Entschuldigen Sie mich" neben den verträumten Leo. Dieser hatte, wie auch sonst immer, ein großes Buch auf seinem Schoß liegen und las Stückchen Weise weiter, wenn er sich nicht von unserer Lehrerin beobachtet fühlte.
Auch wenn es einer Ewigkeit glich, endete der Unterricht nach der Doppelstunde und ging zusammen mit Evan, den ich auf dem Schulflur getroffen hatte, nach Hause.
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Und nun war es soweit. In der letzten halben Stunde hatte ich mindestens zehnmal meine Sporttasche, in der ich alles wichtige gestopft hatte, kontrolliert und bin wie eine Verrückte durch die Wohnung getigert. Mit Eric hatte ich abgesprochen, dass er einen Laptop mitnehmen würde, um die Präsentation zu machen. Für diese Präsentation hätten wir heute Nacht und morgen Zeit. Das Event zog sich über das ganze Wochenende, doch mussten wir nur am Sonntagmorgen da sein, um unsere Vorstellung abzuliefern. Sonntag würden Eric und ich gegen Nachmittag wieder den Weg nach Hause antreten.
"Ich muss jetzt los", rief ich durch die Wohnung und keine Sekunde später kamen schon meine Mutter und mein Bruder, um sich liebevoll von mir verabzuschieden. Sie beide umarmten mich fest und meinten, ich solle gut auf mich aufpassen.
"Wir sehen uns wieder am Sonntag", flüsterte mein Bruder und gab mir einen Kuss auf die Wange, als wir uns wieder lösten.
Winkend schauten sie mir nach, während ich die Treppen nach unten lief und sie aus meiner Sicht verschwanden.
Mit rasendem Herzen lief ich durch unsere Straße und beobachtete die Dämmerung mit meiner Tasche in der Hand. Eric war definitiv ein Grund für meine Nervosität, denn wir würden das ganze Wochenende zusammen verbringen, doch er war nur ein kleiner Teil. Viel nervöser machte mich der Gedanke zum ersten Mal in meinem Leben, diese Stadt zu verlassen. Ich träumte davon zu Reisen, die Welt zu sehen und andere Kulturen kennen zu lernen, doch bis jetzt lebte ich die ganzen 17 Jahren am selben Ort, ohne ihn jemals verlassen.
Ich war gefangen in einem riesigen Käfig aufgrund des Geldes.
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Hier ist das vierte Kapitel! ♥ ♥ ♥
Es kommt noch ein fünftes und dann auch letztes Kapitel, aber das dauert noch etwas länger als die anderen 😊 .
- Laura
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All About Him | ✔️
Roman pour AdolescentsEine Geschichte zwischen zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Doch er trägt ein Geheimnis mit sich, das er um jeden Preis schützen will. Reicht ihre Liebe aus, wenn der Weg schwer wird? 🔹 ...