Kapitel 15 - Was wirklich geschah

1.3K 34 11
                                    

Irgendwann hörte ich auf zu weinen und fasste einen Entschluss. Ich musste wissen, was an Dorians Party geschehen war! Und spätestens morgen würde ich es erfahren!

"Vielleicht solltest du ihn erst nach dem Training damit überfallen..." Bene joggte hinter mir her, während ich schnurstracks auf Julian zu lief, der mit ein paar anderen in der Eingangshalle stand.
"Hanna, überleg's dir", warnte Bene mich noch mal.
"Ich muss es jetzt wissen! Jetzt sofort!", zischte ich. Jetzt war ich nur noch wenige Meter von Julian entfernt und er hatte uns bemerkt. Er ließ sofort die Schultern hängen und raufte sich wie gestern die Haare.
"Sorry, Julian, sie...", setzte Bene an.
"Mitkommen!", befahl ich nur, nahm Julians Handgelenk und zog ihn hinter mir her. Ich blieb erst stehen, als ich keine Ahnung mehr hatte, wo ich war. Irgendein Flur; kein Plan wohin er führte. Ich dreht mich um und sah Julian direkt in die Augen.
"Was hast du gegen mich?", fragte ich inzwischen richtig wütend. Bei seinem Anblick blutete mein Herz und ich wurde sofort ruhiger.
"Das ist doch offensichtlich, oder nicht?" Er verschränkte die Arme vor der Brust, wirkte aber einfach nur niedergeschlagen. Seine Stimme war leise und brüchig. Es sah nicht so aus, als hätte er viel Schlaf bekommen.
"Nein, ist es nicht."
"Was da auf der Party passiert ist, das...", begann er, brach aber wieder ab.
"Was ist passiert?", fragte ich verzweifelt. Julian sah mich irritiert an.
"Du erinnerst dich nicht?", checkte er in dem Moment.
"Nein, ich hab den totalen Filmriss. Ich weiß nur noch, dass ich gegen dich gelaufen bin... und dann bin ich morgens mit dem schrecklichsten Kater aller Zeiten aufgewacht", gestand ich und hielt kurz die Luft an.
"Es ist besser so, dass du es nicht weißt", seufzte er und ließ seine Hände wieder sinken.
"Aber es belastet dich! Und ich kann dir nur helfen, wenn du mir erzählst, was passiert ist." Er schaute weg und rang mit sich. Erst schüttelte er den Kopf, dann lief er zu einer Wand und ließ sich daran zu Boden sinken.
"Julian... bitte", flüsterte ich.
Und er begann zu erzählen.

Flashback --- POV Julian Draxler ---

Ich stand bei ein paar alten Freunden, bekam aber nicht mit, worüber sie redeten. Sie hatten es inzwischen aufgegeben, mit mir zu sprechen. Denn ich war die ganze Zeit in Gedanken bei ihr, meiner Freundin. Es lief nicht mehr zwischen uns, schon lange nicht mehr. Und ich wollte diese Beziehung nicht mehr, aber ich konnte es ihr einfach nicht sagen. Nicht einmal Bene, meinem besten Freund, konnte ich es sagen. Ich konnte mit ihm über alles reden, aber ich hatte Angst, verstoßen zu werden.

Die vier anderen, die um den Stehtisch herum standen, begannen plötzlich laut zu lachen. Ich versuchte es auch, obwohl ich nichts mitbekommen hatte. Ich wollte einfach nur nicht, dass jemand fragt.

Da rannte plötzlich jemand von hinten in mich hinein und ich hörte Glas herspringen. Wie aus Reflex drehte ich mich um. Es quietschte leicht unter meinen Schuhen durch das zerbrochene Glas.
Und es traf mich wie ein Schlag.
Dieses Mädchen da vor mir versucht, irgendwas zu sagen, ließ es aber dann doch sein. Und ich sah ihr einfach nur in die Augen, die genau wie meine die Farbe von Schokolade hatten. Der Alkohol, den sie offensichtlich intus hatte, zauberte ihr ein verführerisches Glänzen in die Augen und auf ihren Lippen entstand ein schüchternes Lächeln. Sie war wunderschön und es zog mich magisch zu ihr hin.

Mit einem Mal ließ sie die Tequilaflasche in ihrer Hand los und sie zersprang zu unseren Füßen in tausend Teile. Mein linkes Hosenbein sog die Flüssigkeit auf, aber es störte mich nicht. Das einzige was ich sah, waren diese Augen, diese Lippen.

Und für den Moment vergas ich meine Freundin, überbrückte den kurzen Abstand zwischen uns und legte meine Lippen auf ihre. Sie schmeckte nach Alkohol und etwas ganz eigenem. Sofort krallte sie ihre Finger in mein Hemd und kam mir noch näher.
Und ich dachte gar nicht daran, mich von ihr zu lösen und es zu beenden. Es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an, sie zu küssen. Und für den Moment war ich glücklich.

Sie war es schließlich, die sich nach Luft schnappend von mir löste und mir wieder in die Augen sah.
Wir lächelten uns gegenseitig an.
"Willst du was mit mir trinken?", fragte sie leise.
"Ja."
Und sie drehte sich wieder um und lief zurück zur Bar.
"Soso, Julian. Was deine Freundin wohl dazu sagt?", meinte da einer der vier am Tisch und mir wurde schlagartig bewusst, was ich da gerade getan hatte.
Ohne auf ihn zu achten, bahnte ich mir einen Weg durch die Menge hinaus zu Bene, der auf der Veranda stand und mit Leon quatschte.

"Wir müssen los, Bene", erklärte ich und er sah mich verstört an. Doch er kannte mich gut und wusste, dass es dringend war.
Auf dem Weg zum Auto fragte er mehrfach, was passiert war. Aber ich konnte es nicht sagen.

Ich stieg in meinen Leihwagen und fuhr mit Bene zurück zum Hotel der Nationalmannschaft.

Flashback Ende

Ich stand da neben Julian, der noch immer auf dem Boden saß und sein Gesicht in den Händen verbarg.
Wir hatten auf der Party rumgeknutscht?? Ich war fassungslos. Aber ich konnte die Gänsehaut und das Kribbeln, das sich in mir ausbreitete, nicht ignorieren.
"Du hast es ihr erzählt?", fragte ich leise.
"Nein, irgendein Idiot hat mich verpetzt", seufzte er, lehnte den Kopf zurück an die Wand und schloss die Augen.
"Das tut mir Leid... Ich wollte nicht, dass du wegen mir Stress mit deiner Freundin hast."
"Es ist eh vorbei, das war es schon vorher. Das ist nicht mal das Schlimmste an der Sache", murmelte er.
"Sondern?", flüsterte ich.
"Sondern die Tatsache, dass ich dich mag. Und du machst es mir echt nicht leichter, wenn ich dich jeden Tag sehe... Ich fühle mich beschissen deswegen!", gestand er und öffnete schließlich wieder die Augen.
Ich konnte kaum glauben, was er da sagte. Er war so fies zu mir, weil er sich dagegen wehrte, dass er mich mag?

Ich stand einfach da und starrte ihn an, bis er irgendwann aufstand.
"Ich muss zum Training", flüsterte er, blieb aber kurz vor mir stehen. Er hob zögerlich die  Hand und strich mir schließlich über die Wange. Dort, wo er mich berührte, kribbelte es. An meinem Unterkiefer verharrte seine Hand.
Er rang mit sich und spannte seinen Kiefer an. Doch schließlich beugte er sich zu mir runter und küsste mich.
In mir zog sich alles zusammen. Ich platzte beinahe vor lauter Gefühlen und Gedanken. Ich ließ mich nur für diesen kurzen Moment fallen und lehnte mich gegen ihn. Es war berauschend, er war berauschend. Und es fühlte sich so unheimlich gut an.
Julian löste sich bald von mir, legte aber sogleich seine Arme um mich und verbarg sein Gesicht in meinen Haaren.

Als er los wollte zum Training, hielt ich ihn an der Hand fest.
"Wie geht es jetzt weiter?", fragte ich leise.
"Keine Ahnung", sagte er ehrlich und lächelte bitter.

Dann ging er weg und ich stand alleine im Flur.

wanted stranger (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt