Kapitel 52 - Familie

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Ich kam mit Tränen in den Augen vor der Haustür an. Ich schloss auf und lief sogleich in mein Zimmer. Dort legte ich mich in mein Bett und kuschelte mich in die Decke. 

Ich hatte komplett den Kontakt zu ihnen verloren. Dabei waren sie meine Familie. Meine Familie, die mir doch immer wichtig gewesen war. Nur dieser eine Streit hatte mich so aufgewühlt, dass ich quasi abgehauen war. Die ersten Tage in München hatte ich noch mit ihnen geschrieben, aber irgendwann nicht mehr geantwortet. Und dann hatte ich sie einfach vergessen. Meine Familie!

Ich weinte lautlos vor mich hin, als ich jemanden auf dem Flur hörte. Meine Tür ging auf und ein Lichtstrahl drang ins Zimmer.
"Hanna?" Julian... Er wartete kurz. Aber er dachte wohl, dass ich schlafen würde, und schloss die Tür wieder langsam. Der Lichtstrahl wurde immer dünner. 
"Juli", flüsterte ich. Ich braucht jetzt einfach seine Nähe. Sofort ging die Tür wieder auf. Er kam rein, schloss sie hinter sich und legte sich schließlich neben mich ins Bett. Ich kuschelte mich an ihn und verbarg mein Gesicht an seiner Brust. Er legte einen Arm um mich und strich mir beruhigend über den Rücken. Langsam versiegten meine Tränen und ich entspannte mich. 
"Willst du darüber reden?", fragte er schließlich sanft und hob mein Kinn vorsichtig mit einer Hand nach oben, sodass er mich ansehen konnte. Im schwachen Licht der Nachttischlampe versank ich für einen Moment in seinen Augen. 
Doch irgendwann entschied ich, ihm alles zu erzählen.
"Als ich noch Zuhause gewohnt habe, hatten wir in den letzten Monaten viel Streit. Also eigentlich nur einen großen Streit..." Ich schluckte.
"Hey, alles gut. Ich bin ja da", beruhigte er mich und küsste meine Stirn, bevor er meine Hand nahm und mir dann aufmerksam zuhörte.
"Meine Eltern sind beide Anwälte. Sie haben eine eigene Kanzler. 'Sandler und Partner'. Und es war immer ihr Plan, dass ich auch Anwältin werde und Jura studiere. Aber das wollte ich nie. Und dann hab ich mich in München für Medizin beworben, wurde angenommen und bin abgehauen. Seitdem habe ich keinen Kontakt mehr zu ihnen... Aber ich... ich glaub ich vermisse sie." Ich begann wieder zu schluchzen und Julian zog mich dicht an sich.
"Was soll ich denn jetzt machen?", jammerte ich schließlich und sah ihn wieder an. Er musterte mich eine Weile und begann, meine Wange zu streicheln. 
"Ich an deiner Stelle würde ihnen erstmal sagen, wo du bist. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie total Panik haben."
"Und wie?"
"Ruf sie an. Du kannst auch mein Handy nehmen, ich hab eine Auslandsflat", lachte er leise. 
"Okay, dann mach ich das morgen...", flüsterte ich. 
"Mach's jetzt gleich", meinte er und nahm seine Hand von meiner Wange, um sein Handy hervor zu holen. Ich sah ihn kurz erschrocken an und suchte verzweifelt nach einer Ausrede. 
"Wenn ich so lange nichts von meinem Kind gehört hätte, ich wäre schon lange gestorben!", meinte er und sah mich bittend an. Also griff ich schließlich nach seinem iPhone und tippte die Nummer mit zittrigen Fingern ein. 
"Soll ich dich allein lassen?", fragte er, als ich gerade den grünen Hörer drückte. 
"Nein!", rief ich sofort und krallte mich in sein Hemd. Er nahm meine Hand und lächelte. 
Nach dem dritten Tuten, nahm meine ziemlich verschlafene Mutter ab.
"Hallo?", fragte sie nur. Ach stimmt, sie kannte Julians Nummer ja nicht.
"Mom?", flüsterte ich.
"Hanna? Oh Gott, Hanna! Wo bist du? Wie geht es dir?", rief sie sofort erleichtert aus.
"Ich... ich bin grad in Spanien, aber ich wohne jetzt in Gelsenkirchen", erklärte ich.
"In Spanien? Was machst du in Spanien, Kind?", fragte sie noch immer aufgeregt.
"Ich bin mit meinem Freund hier..."
"Du hast einen Freund?" Ich konnte ihren Tonfall nicht so ganz deuten. Freute sie sich darüber oder hasste sie Julian jetzt schon? Mein Freund grinste leicht.
"Ja, wir sind mit Freunden hier. Aber wir fliegen morgen wieder nach Deutschland."
"Aber du passt doch auf, oder?", fragte sie etwas entsetzt.
"Mom!", meinte ich nur empört. 
"Schon gut... tut mir Leid." Sie musste selbst lachen. "Geht es dir gut?"
"Ja, Mom. Mir geht es verdammt gut!" Ich lächelte Julian an und küsste seine Hand.
"Hast du eine neue Nummer?", fiel ihr da ein.
"Äh, nein. Das ist Julians Handy."
"Julian... Ist er gut zu dir?"
"Er ist perfekt, Mom."
"Das freut mich, meine Süße", lächelte sie.
"Ich hab dich vermisst, Mom", flüsterte ich nach einer kurzen Pause.
"Oh Kind, ich hab dich doch auch so sehr vermisst! Wir waren total erschrocken, als der Brief zurück kam. Aber dann wohnst du ja jetzt etwas dichter bei uns..."
"Könntest du mir die Einladung nach Gelsenkirchen schicken?", fragte ich. Sie versprach es sofort und ich gab ihr meine neue Adresse durch. Dann erzählt sie noch kurz, wie es Dad und ihr ging, und dass sie sich sehr freuen würden, wenn ich komme. Und meinen Freund sollte ich auch mitbringen. Mom wollte Julian unbedingt kennen lernen.
"Ich werde bald Bescheid sagen", versprach ich ihr und ich nahm mir ganz fest vor, dort mit Julian aufzutauchen. 
"Okay. Dann schlaf jetzt erstmal, mein Schatz. Du musst morgen ja fliegen. Hattest du nicht immer Flugangst, Liebes?"
"Ja, schon. Hab ich immer noch. Aber mit Julian überleb ich das schon", lächelte ich. Julians braune Augen wirkten so beruhigend auf mich, dass ich in dem Moment ganz sicher war, dass ich das noch einmal durchstehen würde mit dem Fliegen.
"Okay. Dann melde dich bald!"
"Versprochen. Schlaf gut, Mom!"
"Bis bald, mein Engel!"
Und ich legte auf. Ich sah Julian lange in die Augen. Schließlich lehnte er sich gegen mich, sodass ich mich auf den Rücken drehte und ihn dichter zu mir zog. Er verschloss unsere Lippen mit einem langen Kuss. Es war alles so perfekt in dem Moment. Ich wollte ihn nie wieder loslassen. 
"Danke übrigens, für das Kompliment", grinste er dann an meinen Lippen und drehte uns gleichzeitig, sodass ich auf ihm drauf lag. Ich wollte keinen einzigen Zentimeter zwischen uns wissen.
"Ich hab nur die Wahrheit gesagt", meinte ich und küsste ihn einfach wieder. 
Keine Ahnung wie lange wir da lagen und rumknutschten. Aber irgendwann musste ich eingeschlafen sein.

wanted stranger (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt