Kapitel 26

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Genervt drückte ich auf die Pause-Taste und ließ mich neben der Stereoanlage auf den Boden sinken. Es hatte keinen Wert. So würde ich nicht weiter kommen. Ich konnte das Lied so nicht choreografieren. Wenn ich mit dem Projekt weiter kommen wollte, brauchte ich einen neuen Text. Doch ich hatte noch nie selbst einen Liedtext geschrieben. Ich war Tänzerin, keine Songwriterin.

Ich stützte die Arme auf die Knie und vergrub den Kopf in den Händen. Die letzten Wochen waren das totale Chaos gewesen. Nach dieser einen Nacht im Club war alles den Berg runter gegangen.

Izzi und ich hatten uns am nächsten Abend nochmal mit einigen Leuten treffen wollen, doch auch Taddl und Ardy waren dabei gewesen und da Taddl und ich nicht über das reden wollten, was passiert war, geschweige denn überhaupt miteinander reden wollten und uns deswegen aus dem Weg gingen, war der Abend ziemlich merkwürdig geworden. Auch wenn die anderen nicht gewusst hatten, was los war, hatten doch alle die Anspannung und das merkwürdige Gefühl gespürt, das sich bald über die ganze Gruppe gelegt hatte.

Ich hatte mich daher mit der Ausrede müde zu sein ziemlich früh verabschiedet. Anscheinend war es danach noch ganz lustig gewesen und die Stimmung war verflogen. Ich hatte auf einmal das Gefühl, nicht mehr zu der Gruppe zu gehören. Die Kölner waren immer meine Freunde gewesen, doch Taddl war einer von ihnen. Viel eher noch als ich. Und ohne dass einer von ihnen es auch nur wahrnahm hatten sie mich ausgeschlossen seit ich mit Taddl rumgemacht hatte.

War Taddl nicht dabei, war alles normal. Kam er jedoch dazu, entstand sofort dieses merkwürdige Gefühl, bei dem sich jeder unwohl fühlte. Izzi hatte gemeint, dass sich das legen würde und mir versichert, dass er immer für mich da sein würde, doch trotzdem war ich nach den paar Tagen in Köln mit einem komischen Gefühl wieder heimgefahren. Die Zeit dort war bei weitem nicht so toll gewesen, wie es mir erhofft hatte und ich hatte das Gefühl, plötzlich Freunde verloren zu haben. Bestimmt nicht Izzi und Felix wohl auch nicht, aber bei den anderen war ich mir nicht so sicher. Ich war mit den meisten sowieso nur locker befreundet gewesen, doch hatte immer das Gefühl gehabt, bei ihnen willkommen zu sein. Die Aussicht, jetzt noch einmal nach Köln zu fahren reizte mich überhaupt nicht mehr.

Also hatte ich mich stattdessen daheim auf neue Projekte gestürzt, um Köln möglichst schnell zu vergessen. Eines der neuen Projekte das mir schon ewig durch den Kopf ging war ein Lied, das ich mit möglichst vielen YouTubern aufnehmen und tanzen wollte. Die Idee dazu hatte ich schon seit ich damals mehr oder weniger spontan mit einigen Kölnern zu einem Liedgetanzt hatte. Es hatte damals super viel Spaß gemacht und seitdem wollte ich das nochmal richtig professionell machen. Mit YouTubern, die fest zusagten, das Lied gemeinsam mit mir einsangen, gemeinsam eine Choreo einstudierten und es dann auch gemeinsam tanzten.

Als ich letzte Woche wieder nach Hause gefahren war, war ich mehr durch Zufall auf YouTube auf ein Lied gestoßen, dass mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging. Es war It's all happening aus dem Musical Bring it on, einem Musical in dem es ums Cheerleading ging. In dem Stück formten die Schüler ihr eigenes Cheerleader Team und der Refrain war total eingängig und so hatte ich ihn immer wieder vor mich her gesummt.

Und plötzlich war mir die Idee gekommen: ein YouTube Cheerleader Squad! Das war es. Auf dieses Lied konnte ich die Choreo aufbauen.

Ich hatte mir das Lied noch viele Male angehört und bald war mir klar geworden, dass ich den Text umschreiben musste, wenn ich wirklich dieses Lied verwenden wollte.

Ideen, was das Lied am Ende rüber bringen sollte, hatte ich auch schon: den Teamgeist und das zusammen arbeiten eines Cheerleading Teams, gemeinsam ein neues und besseres YouTube schaffen, in dem das ganze Squad zusammen hielt und es keinen Beef oder anderes gab. Gemeinsam für bessere Werte einzustehen.

Alles edle Dinge, die man bestimmt auch gut in dem Lied unterbringen konnte. Wenn man Liedtexte schreiben konnte. Was ich definitiv nicht konnte. Ich hatte es versucht, doch was dabei heraus gekommen war, konnte man keinem zumuten.

Doch ohne einen neuen Liedtext hatte es auch keinen Wert, sich eine Choreo zu überlegen. Denn diese musste immer auf dem Lied aufbauen und nicht anders herum.

Ich steckte also fest.

Ich beschloss, für heute aufzuhören, schaltete die Stereoanlage aus und verließ unser improvisiertes Tanzstudio. Eigentlich war es nur eine alte Lagerhalle, die wir von dem Vater eines Freundes billig angemietet und so ausgestattet hatten, dass es einem Studio ähnelte. An ein richtiges Tanzstudio oder geschweige denn eine Turnhalle kam es natürlich nicht heran, doch noch reichte es. Auch wenn wir immer öfter die Halle, in der Janas Cheerteam trainierte oder die Sporthalle der Kunstturner mieten mussten. Unser Studio war einfach zu klein für ein ganzes Team und nicht sicher genug, um neue Elemente auszuprobieren.

Sophies und mein Traum war es schon seit Jahren, eine eigene Halle nur für uns zu haben, in der wir trainieren konnten. Doch das war Wunschdenken. Eine eigene Halle war viel zu teuer. Also musste es die Lagerhalle tun.

Sascha saß mit seinem Laptop draußen in dem kleinen Eingangsbereich der Lagerhalle. Er war mit den Statistiken unseres neusten Videos, das gestern online gegangen war, beschäftigt.

„Sieht gut aus.", ließ er mich wissen noch bevor ich gefragt hatte, „Nur sehr wenige Dislikes. Und auch die Kommentare sind sehr positiv."

Ich ließ mich neben ihn auf das kleine Sofa sinken und schaute ihm über die Schulter, wie er die neusten Kommentare unter unserem Video las.

„Bitte macht mehr Tutorials! Die sind voll toll. <3"

Wir hatten zum ersten Mal ein Tutorial von einem komplizierteren Tanzschritt und nicht wie sonst immer von Turnelementen gemacht und das kam offenbar gut an.

Sascha klappte den Laptop zu und drehte sich zu mir.

„Na, wie lief's?"

„Kannst du vergessen. Ich brauch den Text, sonst geht gar nichts."

„Hast du mal überlegt, jemanden zu fragen, ob er dir bei dem Text hilft?"

„Jemand wie?"

„Keine Ahnung. Wie Marti zum Beispiel. Der hat doch von sowas bestimmt Ahnung, so viel wie der mit Musik macht."


Born 2 Dance - SpaceFrogsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt