...und zu fliegen.

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Schweigend und ohne den Anschein zu machen er habe sich angestrengt stand Zar vor mir. Allein mein Keuchen durchschnitt die Stille im Fitnessraum, der außer uns beiden leer war. Selbst die Magischen hielten Abstand zu Zar. Als wir beide hier rein gekommen waren in den Raum voller Sportgeräte, wovon ich nicht mal die Hälfte kannte, sind die beiden Wölfe, die sich ebend noch heftig gerauft haben, sofort mit einem respektvollen Blick auf Zar an uns vorbei nach draußen gegangen. Überrumpelt hatte ich ihnen hinter her gestarrt, es gab also tatsächlich auch Gestaltenwandler. Meine Aufmerksamkeit hatte sich wieder auf Zar gerichtet und mit beklommenden Gefühl sah ich zu wie er Matten zusammen schob. Unsicher hatte ich gefragt was er damit machen wollte. "Wann hast du das letzte mal deinen Frust raus gelassen?", hatte er gefragt.
"F-Frust r-raus l-lassen?", meine erschrockende Reaktion hatte er mit einem wissenden Blick bedacht. Mit entschlossenden Schritten ist er zu mir gekommen. Seine Macht hatte sich ausgebreitet und ich hatte gespürt wie erleichternd er war sie mal nicht zurück halten zu müssen, aber mir hatte sie Angst gemacht, weil es mich unweigerlich an die Entführung erinnert hatte. Dort hatte ich auch ständig diese Macht gespürt. "Genau das meine ich unter dieser ganzen Unsicherheit und Angst verbirgt sich ein viel stärkeres Gefühl. Und zwar Wut, ich denke du unterdrückst sie nur mit den anderen Gefühlen, weil du Angst hast sie könnte nicht stark genug ist um dich anzutreiben", seine Worte hatten mich schockiert. Was er sagte war völliger Quatsch, da war keine Wut oder? Verunsichert dachte ich an die Dämonen die mich ausgenutzt hatten. Angst durchfuhr mich und ich wurde starr. Ich wollte mich nicht daran erinnern, aber irgendwann musste ich damit eh fertig werden, also warum nicht jetzt damit anfangen. Ich dachte an all die grausamen Qualen und an die Zeit danach. Meine Familie hatte mich verloren an der Angst und den Alptraum den ich erlebt hatte. Ich hatte mich selbst verloren, weil ich nie wieder ohne Angst leben können würde. Angestrengt starrte ich nach unten um Zar nicht die Tränen sehen zu lassen, die langsam hoch kamen. Ein seltsames Gefühl hatte sich dann in mir breit gemacht. Ich dachte an all das was ich verloren hatte. Da war zum einen die Unbeschwertheit, die mir das Leben immer so leicht gemacht hatte. Und das Lachen der Leute in meiner Gegenwart. Das Geschehende haftete an mir wie ein giftiges Gas und sobald andere Menschen in der Nähe waren spürte ich wie auch ihre Heiterkeit langsam schwand. Wobei mir einfiel das ich auch schon ewig nicht mehr gelacht hatte. Ruckartig drehte ich mich um, denn ich wollte Zar nicht zeigen das er recht hatte. Das alles machte mich unfassbar wütend, nur in einer Sache irrte er sich. Ich zeigte die Wut nicht, weil ich Angst hatte sie würde mich nicht antreiben. Nein ich zeigte sie nicht weil ich nicht wusste wie. Wer sollte sie zu spüren bekommen? Es gab kein Ventil für meine Wut, was sie nur noch mehr anfachte. "N-Na g-gut. Du hast r-recht", wütend fuhr ich zu Zar herum, "und w-was j-jetzt, was soll mir das bringen", fauchte ich ihn an. Erschrocken von mir selbst verstummte ich. Warum hatte ich ihn so angefahren, er konnte ja nichts für meine Probleme. Aber langsam fühlte ich mich eingeengt. Er drängte mich dauernd in die Ecke und ließ mich Sachen machen, die ich mich sonst niemals getraut hätte. "Sehr schön ich hab schon gedacht dein Lebensgeist ist vollkommen verschwunden, aber er ist nur versteckt unter der ganzen Last", den letzten Teil murmelte er mehr zu sich selbst. Verwirrt über seine kryptische Aussage sah ich ihn an. Er verschränkte die Arme und schenkte mir ein Grinsen. Ich hielt die Luft an, als ich das Glitzern in seinen Augen sah. "Okay genug philosophiert. Damit du nicht noch mal wehrlos in so eine Situation gerätst werde ich dir jetzt zeigen wie man sich verteidigt", diesmal war sein Blick spöttisch, "oder jedenfalls versuch ich es."
Nun stand ich hier und konnte die vielen Male, die ich auf der Matte gelandet war, gar nicht mehr zählen. Aber tief in mir da war Erleichterung und somit ignorierte ich die blauen Flecke, die ich inzwischen hatte. Zar hatte mir die Augen geöffnet und ich hatte die Wut als antrieb genommen um zu lernen mich zu verteidigen. Wenn ich schon in einer Welt gelandet war, wo mein Blut kostbarer war, als Gold war, dann musste ich mich wenigstens verteidigen können. Ich sah zu Zar und der nickte mit zu. "Genug für heute, aber ich würde vorschlagen wir machen das öfter, damit du das im Ernstfall automatisch machst", beendete er die Übungen.
"O-Okay", murmelte ich und fing die Wasserflasche auf, die er mir zu warf. Gierig nahm ich einen großen Schluck und beobachtete Zar, der die Matten wieder weg brachte. "K-Kann ich d-dich mal w-was f-fragen", rief ich ihm zu und setzte mich einfach auf den Boden, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Sein Blick kehrte zu mir zurück und er nickte. "Okay", etwas befangen holte ich Luft", warum
w-willst du n-nicht an m-mein Blut?", stellte ich schnell meine Frage, sonst würde ich nur wieder den Mut verlieren. Ich beobachtete wie er kurz inne hielt, dann aber bedächtig die letzte Matte auf den Stapel schob und zu mir geschlendert kam. Nervös rutschte ich vor und zurück. Ruckartig stand ich auf, denn irgendwas hatte die Atmosphäre gerade angespannt gemacht, außerdem fühlte ich mich immer so wehrlos wenn ich saß. Schwer schluckend sah ich ihn an, sein Blick wanderte von meinem Gesicht zum Hals. Schaudernd schlang ich die Arme um mich. "Es gab eine Zeit, da hätte ich alles getan, um an Crystalblood zu kommen. Denn es bedeutet Heilung bei Krankheit und Stärke bei Schwäche. Es hieß immer dieses Blut sei die Quelle des Lebens, aber genau das macht es so gefährlich. Wenn man es immer öfter trinkt wird man abhängig, weil sobald die Wirkung einen verlässt man nicht mehr dieses Gefühl von Unbesiegbarkeit hat", seine Stimme war ein dunkles Knurren und Blick hatte sich verdunkelt, "ich habe keinen Grund meine Gesundheit abzusichern, wenn ich bei einem Kampf für die Gerechtigkeit sterbe, dann ist das halt so." "B-Bei e-einem Kampf?", stotterte ich verwirrt. Sein tonloses Lachen halte in mir wieder. "Ich hab mich dem Rat angeschlossen und mache diejenigen ausfindig die sich nicht ans Gesetz halten. Dabei kommt es immer wieder zu Kämpfen und du kannst mir glauben das es in der Welt der Magischen ebenfalls Kriege gibt. Menschen und Magische stehen sich in nichts nach, wenn es darum geht grausam zu sein", sein Ton klang so düster, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Er hatte sich nicht grundlos dem Rat angeschlossen, irgendwas hatte ihn so tief gezeichnet, dass er Rache wollte.

Geküsste der Dämmerung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt