×Neun×

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Yoongi:

Schon auf dem Schulhof sehe ich einen gewissen Blondschopf, der mit einem fetten Lächeln auf den Lippen auf mich zukommt. Genervt schließe ich die Augen, lege den Kopf in den Nacken und atme aus. Als ich meinen Blick wieder nach vorne richte, steht schon Jimin vor mir. Bevor er auch nur den Mund aufmachen kann, komm ich ihm zuvor: "Hör zu: Das am Freitag ist nie passiert, klar?"
Hoffe, dass meine Worte genug Druck haben. Derartiges wird mir nie wieder passieren. Das Freitag war ein Unfall. Jimin konnte für kurze Zeit über die Mauer schauen und jetzt muss ich sie noch höher bauen.
"Achja?", fragt er nur.
"Du hältst deine Klappe, verstanden?", sage ich nun mit mehr Druck.
"Ich überlegs' mir.", sagt er nur schulterzuckend.
Droht er mir gerade? Wütend verziehe ich mein Gesicht und balle meine Hände zu Fäusten. Doch meine mickrige Erscheinung scheint Jimin nicht einschüchtern. Verständlich. Ich hätte auch keine Angst vor mir. Aber ich kann meine Art nicht einfach ablegen und es gab mal eine Zeit, da haben Leute in solchen Momenten noch Respekt vor mir gehabt.
"Bleib ruhig. Ich halt den Mund, solange du mir keinen Grund gibst, es nicht zu tun.", meint er weiterhin gelassen.
Und eigentlich sollte ich durch seine Worte nur noch wütender werden, doch ich atme tief durch und entspanne meine Hände wieder.
"Ok.", sage ich nur und will mich umdrehen, als Jimin meinen Arm greift. "Wir sollten zusammen gehen.", lächelt er. Tut er gerade so, als wäre das gerade nicht passiert?
"Genauso wenig solltest du dir was darauf einbilden.", füge ich in Bezug auf Freitag hinzu.
"Und du solltest aufpassen, wem du blöd kommst.", sagt Jimin lächelnd.
"Ich bin der Jenige, der den wahren Yoongi gesehen hat. Warum auch immer du ihn versteckst. Denkst du, er ist zu schwach? Hast du Angst?"
Abrupt bleibe ich stehen. Jimin, der meinen Arm immernoch mit seiner Hand umschlossen hat, sieht verwirrt zurück.
"Findest du das lustig?", frage ich harsch. "Was?", fragt er und lässt meinen Arm los, den ich direkt selbst umfasse, da der Jüngere einen starken Griff hat.
"Mich so gesehen zu haben! Findest du das lustig? Findest du es lustig zu sehen, wie schwach ich doch eigentlich bin?" Wo ist der Junge, der seinen Gegenüber noch von der Nichtexistent ihres letzten Treffens überzeugen wollte? Wieso schafft es Jimin mich so aus der Fassung zu bringen? Und obwohl meine Mauer hoch genug ist, ist sie nicht stark genug. Denn diesmal konnte der Kleinere nicht darüber hinweg sehen, er hat mit seinen Worten ein Loch rein geschlagen. Und dieses Loch hat einen Teil meiner Mauer zum Einsturz gebracht, denn ich habe es zugegeben. Ich habe mit eigenen Worten zugegeben, dass ich mein Schwaches Ich verstecke. Das Ich, welches mit meiner Diagnose gebrochen ist und mit dem Verlassen meiner Freunde versteckt wurde. Das Ich, das gerne Gelacht hat und welches vor Namjoon weinen konnte. Das Ich, das ich seit es gebrochen ist, verstecken möchte. Das Ich, für welches ich mich schäme. Er hat es gesehen. Er hat es gehört.
"Y-Yoongi, so meinte ich das nicht.", stottert Jimin und streckt seine Hand nach mir aus, doch ich weiche zurück.
"Alles was du gesagt hast ist wahr.", nuschel ich. Die Mauer ist in sich zusammengebrochen. Jimin hat meine Mauer in so kurzer Zeit zum Einsturz gebracht. Denn Ich bin schwach. So schwach, dass ich nicht mal eine feste Mauer bauen kann. Alles was ich konnte, war es mir meine Selbstsicherheit einreden. Mich selbst für meine Mauer zu halten. Ich habe selbst in meinen Gedanken meine Mauer gelebt und habe nie gemerkt, wie instabil sie eigentlich ist.
"Yoongi, Du-" Plötzlich fühle ich mich klein und hilflos. Fühle mich eingeengt und beobachtet. Doch wir sind alleine auf dem Schulhof. Das Klingeln habe ich nicht gehört. Wie sehr mich meine Diagnose in Angst versetzt hat, wird mir erst jetzt bewusst. Es war nie das Desinteresse an anderen Personen. Es war die Angst. Die Angst vor ihren Reaktionen oder die Angst vor Bindung. Was wäre wenn ich jemals jemanden anstecke? Was ist, wenn ich damals mit meinem Ex-Freund geschlafen hätte? Ich habe so oder so schon zu viel Schaden angerichtet. Die Beziehung meiner Eltern zum Beispiel. "Ich bringe dich Heim.", beschließt Jimin plötzlich. Ihm ist die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben.
"Nein, ich will nicht. Meine Mutter macht sich nur wieder unnötig Sorgen.", sage ich wieder etwas gefasster. Jimin überlegt nicht lange, ehe die nächsten Worte seinen Mund verlassen. "Dann zu mir." Er packt erneut meinen dünnen Arm. Diesmal mit mehr Vorsicht und zieht mich zu den Fahrradständern. Er holt ein schwarzes Fahrrad hervor, was wohl schon einiges mitgemacht hat. Es sieht nicht alt aus, doch der Ramen hat einige Dellen. Er zieht seinen Rucksack falsch herum auf, so dass er an seinem Bauch sitzt und deutet auf den Gepäckträger. Kurz zögere ich. Namjoon und ich haben das einmal versucht und sind fast im Straßengraben gelandet. Doch ich steige hinter ihm auf und greife leicht nach seiner Jacke. Ich höre wie der Andere seufzt und schon tastet er nach meinen Händen. Als er meine Handgelenk fasst, zieht er mich nach vorne. Als meine Arme unter seinem Rucksack um ihn geschlungen sind, fährt er los.
"Ich fahr außen rum. Die Hauptstraßen sind so keine gute Idee.", erklärt Jimin und ich nicke, auch wenn er es nicht sieht.
Der Kleinere fährt kurz über die Bürgersteige der Stadt, ehe wir neben dem Han River fahren. Ich lächel leicht. Das hier ist unter keinen Umständen das 'Außenrum', welches wir normal in Richtung unserer Häuser fahren müssten. Das hier ist eher ein riesen Umweg. Ich lege meine Wange an Jimins Rücken und sehe auf das Wasser. Wir fahren eine Weile am Fluss entlang, bis Jimin stehen bleibt und ich fast vom Fahrrad falle.
"Sorry.", lächelt Jimin.
"Was wollen wir hier?", frage ich schon fast wieder mit alter Gelassenheit.
"Unser Pausenbrot essen. Meine Mum hasst es, wenn ich es nicht esse. Außerdem müssen wir ein bisschen Zeit totschlagen, bis sie zur Arbeit geht.".
Er setzt sich auf eine der Stufen und klopft neben sich. Ich lasse mich neben ihn auf die Steinstufe fallen und er holt eine Dose heraus, in der sich ein Brot so wie ein Schokoriegel befinden. Grinsend greift er zuerst nach dem Süßen und öffnet ihn, doch anstatt ihn zu essen, hält er ihn mir hin. "Ich mag kein Kokos.", versucht er mich zu überreden, doch ich habe diesen Riegel schon einmal in seiner Hand gesehen. Leicht lächelnd nehme ich ihm den Riegel ab und beiße rein. Mum hasst Süßkram. Lange ist es still zwischen uns und ich habe das Gefühl als würde ich gleich einschlafen. Mauern bauen ist anstrengend. Es hat mich Energie gekostet. Ich schließe kurz die Augen, als Jimin Stimme die lange Stille durchbricht.
"Weißt du? Der echte Yoongi und ich wären gute Freunde."

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Sorry.
Es kam länger nichts, aber ich habe auf meinem Profil ja schon gesagt, dass ich momentan meine ZP's schreibe und dann auch noch die Woche nach Berlin fahre.
Da ich euch aber nicht noch bis nächsten Monat warten lassen wollte, habe ich endlich dieses Kapitel zuende geschrieben.
Aber jetzt kommt auch erstmal über eine Woche nichts.
Sorry✋🏻

Koemie

Not made for love || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt